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Weil sich auch in manchen Ecken von Berlin die Bankfiliale nicht mehr rechnet, setzt die Sparkasse jetzt einen Bus ein.
© promo

Filialsterben in Berlin: Dafür kommt zwei Mal die Woche der Bank-Bus

Die Berliner Sparkasse schließt Zweigstellen in der Stadt. Stattdessen setzt sie nun einen Bus ein und schickt mobile Berater in Gemeindezentren.

„Sie sind ja wirklich hier!“, ruft ein älterer Herr und parkt seinen Rollator vor dem Sparkassen-Bus. Gleich einen ganzen Stapel Überweisungen hat er dabei, den er nun Monika Wellmann hinhält. Für jede Rechnung, die der Rentner bezahlt, füllt er noch immer einen der weiß-rosa-farbenen Papiervordrucke aus. Früher hat er die immer in der Sparkassenfiliale am S-Bahnhof Wilhelmshagen abgegeben.

Doch seit die Zweigstelle dort im Sommer geschlossen worden ist, weiß er nicht so recht wohin damit. Er hat bereits einen Umschlag vorbereitet, wollte seine Überweisungen per Post an die Filiale in Köpenick schicken. Doch dann hat er von dem Bank-Bus gehört, der jetzt zwei Mal die Woche vor dem Edeka-Markt hält. „Diese Filiale kommt zu Ihnen“, steht auf dem roten Wagen, der die Form eines übergroßen Wohnmobils hat.

Wellmann, Bankberaterin und neuerdings auch Busfahrerin, nimmt dem Mann die Überweisungsträger ab und legt sie in einen Korb. Wenn Wellmann und ihr Kollege am Abend den Bus zurück zur Zentrale steuern, wird der Korb gut gefüllt sein. Denn viele Kunden kommen auf dem Weg zum Einkaufen hier vorbei und geben ihre Überweisungen ab. Als sie kurz vor zehn auf den Vorplatz abgebogen sind, haben die Ersten schon gewinkt, sagt Wellmann. Wer will, kann im Bus auch gleich ein Konto eröffnen, einen Kredit aufnehmen oder ein Sparkonto einrichten lassen. Nur Bargeld gibt es im Bus nicht, dafür müssen die Kunden zum nächsten Automaten.

Zwei Mal die Woche für zwei Stunden ist der Bus da

„So hat man wenigstens einen Ansprechpartner vor Ort“, meint eine Frau, die mit dem Fahrrad ankommt. Die 82-Jährige hat sich daran gewöhnt, vieles am Automaten zu machen. Ihre Überweisungsbelege scannt sie dort ein. Doch am Tag zuvor hat sie versehentlich denselben Vordruck zwei Mal eingelesen. Jetzt will sie von Wellmann wissen, was sie machen kann. „Ich bin froh, mein Anliegen hier loszuwerden“, sagt sie. So positiv wie sie sind jedoch nicht alle Kunden gestimmt, die an diesem Morgen den Sparkassen-Bus aufsuchen. Manche stören sich daran, dass er nur zwei Mal die Woche kommt und jeweils nur zwei Stunden bleibt. „Das ist doch eine Unverschämtheit“, ärgert sich eine Kundin. „Jetzt haben wir nicht einmal mehr eine richtige Sparkasse.“

Denn die war das letzte Geldinstitut, das hier in Rahnsdorf, am Rande von Berlin, zuletzt überhaupt noch mit einer Filiale vertreten war. Auch die Berliner Volksbank hat hier nur noch einen „SB-Standort“ – eine positive Umschreibung für einen Raum mit Bankautomaten, ohne Ansprechpartner. Wer Kunde bei der Commerzbank oder der Deutschen Bank ist, muss selbst fürs Geldabheben nach Erkner oder um den Müggelsee herum nach Köpenick fahren. Gerade für Senioren, von denen hier einige leben, ist das schwierig.

Jeder vierte Internetnutzer besucht keine Bankfiliale mehr

In Rahnsdorf zeigt sich so, was es bedeutet, wenn die Banken ihre Filialen schließen. Dabei fallen längst nicht nur am Stadtrand Zweigstellen weg, auch in zentralen Lagen, von Prenzlauer Berg bis Steglitz, von Charlottenburg bis Kreuzberg, machen Institute Filialen dicht. Im vergangenen und in diesem Jahr sind in der Hauptstadt bereits knapp 90 Bankstandorte weggefallen. Berlin steht damit exemplarisch für Deutschland. Bundesweit ist seit dem Jahr 2000 bereits jede vierte Bankfiliale geschlossen worden, zeigt eine KfW-Studie. Glaubt man Experten, liegt das zu einem nicht unerheblichen Teil an der Digitalisierung. Schon jetzt besucht jeder vierte Internetnutzer angeblich keine Bankfiliale mehr, sondern erledigt seine Bankgeschäfte komplett online. Das sind 14 Millionen Menschen, die nicht mal mehr zur Beratung in die Zweigstelle kommen.

Für die Banken ist das ein Einschnitt, auf den sie reagieren müssen. Strom, Miete, Mitarbeiter – all das müssen sie weiterbezahlen, auch wenn kaum noch Kunden in der Filiale vorbeikommen. Deshalb schließen die Institute Zweigstellen und verlagern ihre Aktivitäten verstärkt ins Internet. Die Deutsche Bank zum Beispiel hat allein in Berlin gerade erst 43 Filialen geschlossen und stattdessen neue Beratungscenter gegründet: Die Mitarbeiter, die dort sitzen, beraten die Kunden ausschließlich per Telefon oder Videochat, dafür aber auch abends und am Wochenende. Und auch die Berliner Sparkasse sorgt dafür, dass mehr Kunden aufs Onlinebanking umsteigen. In den Filialen werden derzeit anderthalbstündige Kurse angeboten, in denen Berater Kunden zeigen, wie sie online ihre Umsätze abfragen oder Geld überweisen können. 36 solcher Kurse soll es allein in diesem Jahr noch geben, zum Teil sind sie bereits ausgebucht.

"Wir müssen dahin, wo die Kunden sind"

Komplett ersetzen kann das die Filialen aber nicht. Zum einen wollen nicht alle Kunden Onlinebanking machen. Zum anderen haben gerade die Sparkassen einen öffentlichen Auftrag. Sie sind dazu verpflichtet, die Versorgung mit Bankdienstleistungen aufrechtzuerhalten und in der Fläche präsent zu sein. „Wir werden auch in Zukunft das größte Filialnetz in der Stadt haben“, sagt daher Tanja Müller-Ziegler, die im Vorstand der Berliner Sparkasse für das Privatkundengeschäft verantwortlich ist. Dass es bei den derzeit 100 Zweigstellen in der Stadt bleiben wird, kann und will sie aber nicht versprechen. Vorerst würden weiterhin fünf bis zehn Filialen pro Jahr geschlossen, sagt sie. Gleichzeitig wolle sie aber bewusst Alternativen schaffen. „Wir müssen dahin, wo die Kunden sind“, sagt sie. Soll heißen: Wenn der Kunde nicht in die Filiale kommt, muss die Filiale zu ihm kommen. Und der Sparkassen-Bus ist da nur der Anfang.

Schon jetzt schickt Müller-Ziegler auch Bankberater in Gemeindezentren, Diakonieeinrichtungen oder ins Krankenhaus. Zu festen Zeiten sitzen dort dann zwei Mitarbeiter hinter Schreibtischen und bedienen Bankkunden. Alles, was sie dafür brauchen, steckt in einem schwarzen Trolley: für jeden ein Laptop, ein iPad, ein mobiler Drucker und ein Pinpad, auf dem Kunden unterschreiben können. Wie der Bus sind auch die mobilen Berater an jedem Standort meist zwei Mal die Woche, einmal am Vormittag, einmal am Nachmittag. „Morgens kommen die Rentner, nachmittags die Berufstätigen“, sagt Sina Samira Balz. Die 21-Jährige hat zuletzt in einer Filiale in Tegel gearbeitet – jetzt ist sie in der ganzen Stadt unterwegs. An diesem Morgen sitzt sie mit ihrem Kollegen im Paul-Schneider-Haus, einem Nachbarschaftszentrum in Spandau. Mittags geht es nach Wannsee. „Man kommt viel rum“, das war für beide das Motiv, sich für das mobile Beraterteam zu bewerben.

Ältere Menschen sind auf die Bankfiliale angewiesen

„An guten Tagen kommen in der Zeit, in der wir hier sind, zehn Kunden vorbei“, sagt Balz. Dieser Dienstag aber ist kein guter Tag: In einer Stunde schaut kein einziger Kunde vorbei. Nur Karsten Dierks, der Gemeindepfarrer, sagt kurz Hallo. Er war es auch, der der Sparkasse im Sommer einen bösen Brief geschrieben hat, als klar war, dass die Filiale um die Ecke schließt. „Hier im Kiez wohnen viele ältere Menschen“, sagt er. „Die sind auf ihre Bankfiliale angewiesen.“ Gerne hat er der Sparkasse daher angeboten, einen Raum im früheren Gemeindehaus zu nutzen, das erst kürzlich zu einem Nachbarschaftszentrum umgebaut worden ist. Dass dort nun auch zwei Mal die Woche die Sparkasse sitzt, muss sich aber wohl noch rumsprechen.

Überhaupt ist der Einsatz der mobilen Berater noch in der Testphase. „Wir müssen schauen, was funktioniert“, sagt Müller-Ziegler. Vorstellen kann sie sich viel. Derzeit schickt sie die Berater vor allem dorthin, wo kürzlich Filialen geschlossen worden sind. Künftig könnten sie aber auch an Orten zum Einsatz kommen, wo es auch in der Vergangenheit keine Bankfiliale gab: etwa in der Uni oder in den Hochhäusern der Wohnungsbaugenossenschaften. Auch „Pop-up-Filialen“, die nicht regelmäßig, sondern nur punktuell bei Messen oder Veranstaltungen aufgestellt werden, könnte es bald geben.

Was davon realisierbar ist, hängt aber auch von den Behörden ab. Für den Bus zum Beispiel ist es gar nicht so leicht, überhaupt einen geeigneten Stellplatz zu finden. Meist ist die Sparkasse auf private Anbieter angewiesen. So auch in Rahnsdorf, wo der Bus vor dem Edeka-Markt hält. Geschäftsführer Patrick Leher hat den Stellplatz gerne bereitgestellt. Er hofft auf ein Zusatzgeschäft: denn wer zum Bank-Bus kommt, geht vielleicht später auch noch schnell bei ihm einkaufen. Inzwischen hätten sie sich hier an den Bank-Bus gewöhnt, sagt Leher. „Ist der Bus nicht da, fragen viele schon, wann er wieder kommt.“

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