Zoff an der Spitze der Messe Berlin: Cornelia Yzer auf Konfliktkurs
Mithilfe des Elektroverbandes ZVEI versucht die Berliner Wirtschaftssenatorin, den Aufsichtsrat der Messe Berlin neu zu besetzen. Das ist nicht so einfach, denn es gibt auch im ZVEI Widerstand.
Eine fröhliche Runde hat sich im Funkturmrestaurant über dem Messegelände versammelt. Man macht Witzchen und lässt sich die vorzüglichen Speisen schmecken. Küche und Service geben sich alle Mühe, schließlich sind die eigenen Chefs zu versorgen. Nach seiner letzten Sitzung in dieser Wahlperiode hat sich der Aufsichtsrat der Messe Berlin am 2. April zum Abschiedsessen im messe- eigenen Restaurant versammelt. Natürlich ist Hans-Joachim Kamp dabei, der Aufsichtsratsvorsitzende, und Cornelia Yzer, die Wirtschaftssenatorin. Auch Messegeschäftsführer Christian Göke. Ein paar Aufsichtsräte fehlen. Jan Eder, der Hauptgeschäftsführer der IHK, hat einen anderen Termin. Auch die Medienmanagerin Catherine Mühlemann ist nicht dabei. Sie hatte keine Lust mehr auf die Messe. Mühlemann ist sauer.
Am heutigen Montag treffen sie sich (fast) alle wieder, wenn zwischen Messedamm und Jafféstraße das neue Kongressgebäude City Cube eröffnet wird. Klaus Wowereit wird sprechen und das ungewöhnliche Ereignis würdigen: Ein großes Bauprojekt kann auch in Berlin pünktlich fertig werden. Kamp und Göke sind stolz und sehen sich als erfolgreiche Messemacher bestätigt. Doch die Tage des Führungsduos sind gezählt.
Yzer will Kamp absetzen und Göke hat Angst, ohne seinen Förderer Kamp die Laufzeit seines Vertrags als Vorsitzender der Geschäftsführung (bis 2016) nicht zu überleben. Das ist erst mal ein normaler Vorgang: Yzer vertritt die Interessen des Eigentümers der Messe, und der Eigentümer kann selbstverständlich das Personal einsetzen, das er möchte. Wenn es Sinn macht und dem Unternehmen nutzt.
Yzers Vorgängerin hat sich in der Messe verheddert
Vor gut anderthalb Jahren verhedderte sich Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz im Messegestrüpp. Es ging um die Nachfolge von Raimund Hosch, der nach zwölf guten Jahren an der Spitze der Messe Berlin in Rente ging. Erste Wahl für die Nachfolge war – jedenfalls für Aufsichtsratschef Kamp - Hoschs langjähriger Ko-Geschäftsführer Göke. Die parteilose, aber von der CDU bestellte Obernitz mäkelte am Auswahlverfahren rum, machte handwerkliche Fehler und wurde vom Messe-Establishment dann so stark attackiert, dass CDU-Chef Frank Henkel Angst bekam und Obernitz abschoss.
Das war im Spätsommer 2012. Damit war die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Das Auswahlverfahren für den neuen Messechef hatte einen klaren Sieger: Christian Göke. Doch unmittelbar vor der Bestellung durch den Aufsichtsrat legte sich die Obernitz-Nachfolgerin Yzer quer und votierte für den Zweitplatzierten, einen Mann aus dem Lufthansa- Konzern. Aufsichtsratschef Kamp war genauso fassungslos wie Aufsichtsratsmitglied Eder, dessen Chef, IHK-Präsident Eric Schweitzer, eine halbe Nacht mit Telefonaten verbrachte. Am Ende pfiff Henkel, den Fall von Obernitz noch in den Knochen, Yzer zurück. Göke wurde im Sommer 2013 Chef der Messe und bekam einen Dreijahresvertrag.
Rund um den Jahreswechsel 2013/2014 gab es den nächsten Streit. Es ging um das Profil der Funkausstellung (Ifa) und in dem Zusammenhang überhaupt um die Zukunft der Ifa, die zu den fünf Berliner Leitmessen gehört; neben der Ifa sind das Grüne Woche, Tourismusbörse ITB, die Schienenverkehrsmesse Innotrans sowie die Fruit Logistica. Bei der Auseinandersetzung um die Verlängerung der Ifa für weitere fünf Jahre in Berlin ging es weniger um die Funkausstellung als um Yzer und Kamp. Die Ifa wird veranstaltet von der Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (gfu), Aufsichtsratschef der gfu ist Hans-Joachim Kamp.
Die Senatorin will den Aufsichtsrat umbesetzen
Kamp hat sich, so kolportiert es das Umfeld der Senatorin, mit einem unsittlichen Angebot unbeliebt gemacht: Wenn Yzer seinen Vertrag als Aufsichtsratschef der Messe verlängert, verlängert Kamp den Ifa-Vertrag. Yzer, so heißt es, informierte darüber Henkel und Wowereit und holte sich von beiden das Einverständnis, Kamps Vertrag nicht zu verlängern. Die Version aus dem Umfeld Kamps klingt so: Yzer ist sauer, weil Kamp Göke gegen ihren Willen durchsetzte. Deshalb soll Kamp weg. Und überhaupt will Yzer den Aufsichtsrat nach ihren Wünschen neu formieren.
Klaus Mittelbach, Geschäftsführer des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), kennt Cornelia Yzer aus früheren Verbandszeiten, Yzer arbeitete in Berlin für den Pharmaverband VFA, Mittelbach für den BDI. Ende Januar schreibt Mittelbach an seinen Vorstand in Sachen Messe Berlin: „Der ZVEI als Mitgesellschafter wird von der Wirtschaftssenatorin Yzer gebeten, aus seinen Reihen einen geeigneten Nachfolger für den bisherigen Amtsinhaber, Herrn Kamp, vorzuschlagen.“ Mittelbach hilft gern, zumal auch er eine Rechnung mit Kamp offen hat. Kamp, damals Vizepräsident des ZVEI, bekam vor einem Jahr einen anonymen Brief, in dem Mittelbach beschuldigt wurde, ein Verhältnis zu einer Frau zu haben, die eine leitende Position im ZVEI bekam. Als die Sache nicht nach Kamps Vorstellung aufgearbeitet wurde, trat er als Vizepräsident zurück. Mittelbach sagt auf Anfrage, er habe kein Verhältnis gehabt und die Stellenbesetzung sei einwandfrei gelaufen.
Mittelbach ist inzwischen fündig worden: Auf Empfehlung des ZVEI soll der Ulmer Unternehmer Georg Walkenbach, Geschäftsführer der Firma Beurer, in den Aufsichtsrat der Messe rücken – allerdings nur als normales Mitglied, Walkenbach will keineswegs Kamp beerben. Und das gilt wohl auch für die beiden anderen Personen, die Yzer offenbar in den Aufsichtsrat holen will: die Deutschlandchefin von Schneider Electric, Rada Rodriguez, und den Berliner Start-up-Unternehmer Christophe Maire. Diese beiden und Walkenbach ersetzen vermutlich die Kölner Ute Biernat (Grundy Light Entertainment), den Tourismusexperten Jean-Claude Baumgarten und Catherine Mühlemann; sie alle sind mehr oder weniger verärgert, weil Yzer sie nicht so über das Auslaufen ihrer Mandate informiert hat, wie es üblich ist. Das kümmert die Wirtschaftssenatorin wenig – sie sucht immer noch einen Nachfolger für Kamp. Wohl auch mithilfe von Mittelbach.
Der bekommt inzwischen Post aus den eigenen Reihen: „Mit Unverständnis und großer Sorge“ verfolge man „die Debatte zur Neubesetzung des Aufsichtsrates der Messe Berlin GmbH“, heißt es in einem Schreiben der Landesstelle Berlin des ZVEI an Mittelbach. Weil der Aufsichtsrat „in jeder Hinsicht erfolgreich“ sei, plädiert man für die „erneute Besetzung des Vorsitzes des Aufsichtsrates durch Herrn Hans-Joachim Kamp“. Ähnlich argumentiert der Fachverband Consumer Electronics im ZVEI: „Herr Kamp hat als Mitglied des Aufsichtsrates der gfu entscheidend mitgewirkt, die Ifa als weltgrößte Leitmesse für Consumer Electronics und Elektro-Hausgeräte zu positionieren.“
Kurzum: Kamp, seit zehn Jahren im Aufsichtsrat, ist aus Sicht mancher Branchenvertreter unverzichtbar. Yzer braucht eine überzeugende Alternative. Und zwar bald: Am 3. Juni trifft sich die Gesellschafterversammlung, um die Aufsichtsräte für die nächsten fünf Jahre zu nominieren. Am 7. Juli kommt der Aufsichtsrat zusammen, um die oder den Vorsitzende(n) zu wählen. Für ZVEI-Chef Mittelbach ist das eine „ganz wichtige Entscheidung für den Wirtschaftsstandort Berlin“. Für Kamp und Göke auch.