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König Kunde.
© dpa

Rentner-Rundgang auf der Ifa: Her mit dem neumodischen Kram!

Kluge Fernseher, die zuhören, Handys, die an Pillen erinnern: Bei der Ifa gibt es einen Rundgang für ältere Menschen – ein Selbstversuch.

Punkt zehn, wenn die Schleusen öffnen und eine Sturmflut von Sehmännern und -frauen in die Ifa-Hallen strömt, versammeln sich am „Meeting Point“ hinter dem gläsernen Fahrstuhl einige ältere Herrschaften. Sie sind weniger betagt als rüstig und haben einen Rundgang nur für ihresgleichen gebucht. „Guided tour 60 +“ steht auf dem Schild, das unser Führer Andreas an einem blauen Besenstiel in die Luft hält. Wir scharen uns wie die Hühner um die Glucke, als erstes gibt’s eine Tüte vom Sponsoren, Profis wissen, dass dieses Gerät als Auffangbasis für tausend Prospekte äußerst praktisch ist.

Ungefähr 30 Rentner sind gekommen, einer bekennt, „null Ahnung von dem ganzen Kram“ zu haben, ein anderer möchte lernen, wie man mit diesen „Scheiß-Anleitungen“ fertig wird, die seien wie Apotheken-Beipackzettel, man verstehe nur Bahnhof oder noch weniger. Also: Kläret die Begriffe, und los geht’s mit unserem laufenden Volkshochschulkurs in Sachen digitaler Hightech der schönen, neuen, bunten Fernseh- und -sprechwelt.

Andreas sagt noch, unser zentrales Thema sei das Wohnen in der Zukunft, die Tour habe fünf Stationen und man sollte vor allem auf Tuchfühlung bleiben. Leichter gesagt als getan. Diese Menschenmassen, wie sie sich durch die Gänge quetschen, wundern, bewundern, gefühlte Millionen Produkte an sich vorüberziehen sehen und über Präsentationen staunen – „einfach geil“, sagt einer aus der Riege zwischen Kaffeeautomaten und weiße Ware mit Maschinen, die die Hemden nicht nur waschen, sondern auch noch bügeln. Wir aber eilen, ausgerüstet mit Kopfhörern, sogar auf frisch ondulierten Damenfrisuren, zu einem Fernseher für 7000 Euro.

„Aha, jetzt kommt die wichtigste Kundengruppe von morgen“, sagt einer gehässig, als ihm das geballte Rentneraufkommen seine Sicht auf die Flachbildschirme versperrt. Herr Merker von einem TV-Aussteller nimmt ein kleines Gerät in die Hand und befiehlt der 47-Zoller- Glotze, 4 K ultra HD, das Programm fünf zu zeigen. Und schwupps isses da. Ob laut oder leise, der Besitzer kann es seinem Fernseher flüstern wie einem Schoßhund, das Ding gehorcht. Es sei der Porsche oder Ferrari unter den Fernsehern, sagt Herr Merker, „wenn Sie gern Fußball gucken, müssen Sie Plasma nehmen.“ Der Fernseher kann eigentlich alles, nur das Fußball-Länderspiel vom Abend zeigt er jetzt am Vormittag noch nicht. Aber das kommt bestimmt irgendwann. „Plasma is besser als 3 D“, sagt einer aus der Runde, „ mit der blöden Brille kriegt man ja die Klatsche.“

Nun geht es flugs im Eilmarsch von Quality Pictures Smart Features (hier wird fast nur Englisch gesprochen!) zu einem Telefonanbieter, der uns auf Deutsch die Vorzüge seiner Produkte erklärt. Wir haben Zeit, mit Michael Berger zu plaudern, der, 63 Jahre alt und Diplom-Ingenieur, von der Rentner-Tour durchs Reich der Bilder und Töne sehr angetan ist. „Toll, die Entwicklung mitzuerleben“, sagt er. Wenn man eine Bedienung erst einmal drauf habe, sei es einfach. „Ich würde mir so einen klugen Fernseher kaufen, wenn er etwas billiger ist.“

Schon zieht die Karawane weiter, zum Sponsor „Emporia“ aus Linz, der uns mit Mozart-Kugeln verwöhnt und Handys vorführt, „die um 16 Uhr klingeln und sagen: Oma, die Pille nicht vergessen!“ Seniorengeräte mit großem Display, „hochwertiges Design vereint mit charmantem Understatement“. Rainer Kauffmann weiß, dass es in Germany 18,5 Millionen Kunden aus der Generation 55 + gibt, und „alle wollen ein Produkt, das auf ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten eingeht“. Unser Grüppchen scheint beste Erfahrungen mit Handys zu haben, also „ohne diesen neumodischen Kram“. Wir sind jene, die die Marktforscher als „Passive“ klassifizieren – Menschen, die sich auf die Grundfunktionen beschränken. Gut zu wissen, dass speziell für sie und ihre guten Verbindungen kluge Köpfe am Werk sind.

Die vorletzte Station lässt uns aufatmen, denn auch bei den Navigationsgeräten bleibt die Technik nicht stehen: Das Interesse an einem 300 Euro teuren Navi, das uns die Welt erklärt, zeigt, dass viele Senioren noch am Steuer sitzen – „nun brauche ich nur noch das Geld, alles andere ist okay“, sagt einer, und Andreas mit dem Besenstiel stellt seinen durch die Hallen trabenden Zuhörern am Ende ein gutes Zeugnis aus: Sie seien sehr wissbegierig und kämen gut vorbereitet zur Ifa, der Umgang mit Smartphones sei kein Problem, „willig ist jeder, die besten Produkte der Gegenwart zu begreifen“. Aber nicht alles möchte man haben, wenngleich sich die Hörgeräte-Industrie große Mühe gibt, uns ihre Hightech im Ohr ans Herz zu legen. „Nee, brauch ick noch nich“, sagt eine Seniorin und geht in die Halle 2 zum ARD-Büfett. Da reden sie über Rheuma.

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