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Christian Schmidt (CSU) geht, Julia Klöckner (CDU) kommt. Er sei jetzt ein "freier Mann", sagt Schmidt.
© Daniel Reinhardt/picture alliance / dpa

Wechsel im Agrarministerium: Christian Schmidt hat genug geackert, jetzt kommt Julia Klöckner

Die Erwartungen an die neue Ministerin sind riesengroß - von allen Seiten. Zeit zur Einarbeitung hat die CDU-Politikerin kaum.

Kofi Annan und Christian Schmidt haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Annan war neun Jahre lang Generalsekretär der Vereinten Nationen. Der Diplomat, in Ghana geboren, ist dunkelhäutig und ähnelt entfernt dem US-Schauspieler Morgan Freeman. Dass sich Christian Schmidt, der noch geschäftsführende Agrarminister, mit Annan verbunden fühlt, hat mit einer Anekdote zu tun, die ihm Annan einst erzählt hat. Und die geht so: Als seine Amtszeit vorüber war, zog sich Annan zurück, um Abstand zu gewinnen. Nach zwei Wochen totaler Ruhe besuchten er und seine Frau erstmals wieder ein Restaurant – und wurden prompt angesprochen. Ein Gast identifizierte den Diplomaten fälschlicherweise als Freeman. Annan nahm es sportlich. Ja, sagte er, er sei ein „free man“, ein freier Mann.

Mit Seehofer als Innenminister war das Agrarressort für die CSU verloren

Dass Christian Schmidt (CSU) diese Geschichte beim Abschied von seinen Mitarbeitern erzählt hat, sagt einiges über die Befindlichkeit des Franken aus. Vier Jahre lang war Schmidt im Kabinett für Agrar- und Ernährungsfragen zuständig. Er hätte gern weiter gemacht, doch mit dem Wechsel Horst Seehofers ins Innenministerium war das Landwirtschaftsressort für die CSU verloren. Nun sei auch er ein „freier Mann“, sagt Schmidt. Erleichterung schwingt da mit, aber auch ein wenig Ratlosigkeit, wie es denn nun weitergehen soll mit dem Parteisoldaten, der eigentlich immer ein Amt hatte. Erst Staatssekretär im Verteidigungs-, dann im Entwicklungshilfeministerium, dann Minister. Zuletzt auch noch geschäftsführender Verkehrsminister.

Christian Schmidt hat viel einstecken müssen

Vielleicht überwiegt aber doch die Erleichterung. Schmidt hat einstecken müssen. Für seinen Auftritt in der „heute Show“, wo er im Stil der Charlie Hebdo-Demonstrationen für deutsche Lebensmittel warb („Je suis Greußener Salami“) oder für sein Beharren auf Schweinefleisch in Kitas. Für seinen Alleingang beim Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat kassierte er gar Todesdrohungen. Bei Umweltschützern hat sich Schmidt nicht beliebt gemacht. „Christian Schmidt hat sich in Ankündigungen verloren, statt die gesellschaftlich geforderte Agrarwende weg von Massentierhaltung und Intensivackerbau engagiert anzugehen“, sagt Silvia Bender vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Von Frau Klöckner erwarten wir ein Ausstiegsprogramm für Glyphosat, damit das Totalherbizid innerhalb der nächsten drei Jahren tatsächlich vom Acker verschwindet“, betont die BUND-Abteilungsleiterin Biodiversität.

Was übersehen wird

Dass auch Schmidt den Glyphosat-Einsatz in Deutschland zurückdrängen wollte, geht unter. Genauso wie sein Einsatz für männliche Küken, die nicht länger nach der Geburt geschreddert werden sollen. Oder das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration, das am 1. Januar 2019 in Kraft tritt. Oder die Reduktionsstragie für Zucker, Fett und Salz, mit der Schmidt die Ernährungsindustrie kurz vor der Wahl schockte.

Julia Klöckner kennt das Haus

All das muss nun die Neue regeln. An diesem Mittwoch übernimmt die CDU-Politikerin Julia Klöckner. Sie kennt das Haus. Zwei Jahre lang war sie dort parlamentarische Staatssekretärin, bis sie nach Rheinland-Pfalz ging, um dort die Landtagswahlen zu gewinnen. Das hat nicht geklappt, gegen Kurt Beck nicht und auch nicht gegen Malu Dreyer. Nun kehrt sie nach Berlin zurück.

Was auf die neue Ministerin zukommt

Viel Zeit zur Einarbeitung wird sie nicht haben. Bereits am Montag muss sie nach Brüssel zum Ministerrat, der sich mit der Neuordnung der Agrarsubventionen beschäftigt. Für die Bauern ist das ein Topthema, sind die Milliarden aus der EU doch eine wichtige Einnahmenquelle. Kein Wunder also, dass der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, die Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für eine der vordringlichen Aufgaben Klöckners hält. „Das große Thema ist die Fortentwicklung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik und dabei steht an erster Stelle der Erhalt eines stabilen Budgets“, sagte Rukwied dem Tagesspiegel. „Außerdem muss die Digitalisierung und Gestaltung der ländlichen Räume angepackt werden“, meint der Verbandspräsident. Klöckner muss sich dabei mit Seehofer arrangieren, der das Thema Heimat im Ressorttitel trägt. Erster Erfolg: Die Finanzmittel aus der Gemeinschaftsausgabe bleiben in ihrem Etat.

Die Erwartungen sind groß und nicht unter einen Hut zu bekommen

Die Erwartungen an die Neue sind groß und widersprüchlich. Bauernpräsident Rukwied möchte, dass Klöckner den „Bauernfamilien in der öffentlichen Diskussion den Rücken stärkt“. Umweltaktivistin Bender hingegen drängt darauf, „dass nun Schluss ist mit der vom Deutschen Bauernverband diktierten Landwirtschaftspolitik, die nur der Agroindustrie nutzt, Artenvielfalt vernichtet, Umwelt und Tieren schadet und das Höfesterben billigend in Kauf nimmt.“ Und Christoph Minhoff von der Ernährungsindustrie hofft, dass Klöckner gemeinsam mit den Anbietern über Nährwertkennzeichnungen und neue Rezepturen nachdenkt. Immerhin, so Minhoff, seien Ernährungsindustrie, -handwerk und -handel wichtig für den ländlichen Raum. Und dem fühlt sich Klöckner persönlich verbunden, wie sie kürzlich der „Bild“ sagte: „Heimat ist sozusagen auch ein Stück Scholle“, erklärte die Winzertochter. Seehofer muss sich warm anziehen.

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