Bundesagrarminister: Christian Schmidt: „Die Milchkrise ist nicht vorbei“
Die Milchpreise sind gestiegen, aber 32 Cent pro Liter reichen noch immer nicht. Landwirtschaftsminister Schmidt fordert eine Qualitätsoffensive zugunsten der Bauern.
Eigentlich wollte Agrarminister Christian Schmidt (CSU) am Donnerstag die Ergebnisse des zweiten Milchgipfels verkünden. Doch eine Sache brennt dem CSU-Politiker vorher dann doch gewaltig auf den Nägeln: „Es erfüllt mich mit großer Sorge, wenn Weltklimapolitik durch innenpolitische Fehlinterpretationen in den USA gefährdet wäre“, sagt der Minister zur Klimapolitik des US-Präsidenten Donald Trump. „Es gibt nicht einen Bauern, der nicht unter den Folgen des Klimawandels leidet“, betont Schmidt. Wenn die USA aus dem Klimaabkommen aussteigen, wäre die Ernährungsproduktion der große Verlierer, warnt der Minister. „Unsere“, aber auch die amerikanische.
32 Cent statt 20 Cent für den Liter Milch
Dabei haben die Ernährungsproduzenten schon genug Sorgen, vor allem die Milchbauern. Auch wenn es nicht mehr so schlimm ist wie vor einem Jahr, als die Landwirte für den Liter Milch von den Molkereien ruinöse 20 Cent bekamen und viele Familienbetriebe vor dem Aus standen: „Die Krise ist nicht vorbei“, sagt Schmidt am Donnerstagnachmittag. Am Morgen hatte sich der Minister mit den Spitzen der landwirtschaftlichen Verbände, des Handels und dem Präsidenten des Bundeskartellamts getroffen, um Bilanz zu ziehen, ob die finanziellen Hilfen des Bundes und der EU gewirkt haben und wie es um die Branche steht.
Mehr als 600 Millionen Euro sind an die Milcherzeuger geflossen, ein Teil des Geldes aber mit der Auflage, weniger zu produzieren. Das sollte den Preis in die Höhe treiben. Die Rechnung ist aufgegangen. Die Milchproduktion in Deutschland liegt unter dem Niveau des Vorjahres, weiß Schmidt. Das zahlt sich aus.
Proteste in Berlin
Heute bekommen die Bauern im Schnitt zwischen 32 und 33 Cent pro Kilogramm. Zufrieden sind sie damit aber noch lange nicht. Das Geld reiche zwar zum Überleben, aber nicht, um Darlehen zurückzuzahlen oder Rücklagen aufzubauen, kritisiert der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Der Verband fordert den Aufbau eines europäischen Sicherheitsnetzes, nach Meinung der Milchbauern geht das nicht schnell genug.
Deshalb ziehen sie vor Sitzungsbeginn mit einer überdimensionierten Schnecke durch die Wilhelmstraße. Allerdings ist das deutlich weniger dramatisch als die Protestaktion zum Milchgipfel vor einem Jahr, als die Bauern eine lebendige Kuh und zahlreiche herrenlose Gummistiefel aufgeboten hatten, um gegen den Verlust ihrer Existenzen zu demonstrieren.
Den Rückgang der Betriebe hat das nicht verhindern können. Knapp 70 000 gibt es jetzt noch in Deutschland, dafür werden die Höfe immer größer. 61 Kühe hält jeder Betrieb im Schnitt, und die Tiere geben immer mehr Milch. Waren es 1970 noch 3280 Kilo pro Jahr, liefert eine Milchkuh heute 7440 Kilo ab – ein Problem. Denn der deutsche Markt ist gesättigt. „Jede zusätzlich produzierte Milch muss in den Export“, sagt Schmidt. Doch die Konkurrenz auf den Weltmärkten ist groß, die Absatzlage ungewiss.
Statt auf Masse sollten die Molkereien daher lieber auf Klasse setzen, empfiehlt der Minister. Mit Qualitätsangeboten wie Heu-, Weide- oder Bergbauernmilch lasse sich nun mal mehr Geld verdienen als mit Milchpulver. Zumal davon 400.000 Tonnen noch auf EU-Rechnung in den Lagern gebunkert sind und darauf warten, peu à peu verkauft zu werden – für den Milchpreis ist das nicht gut. Große Preissprünge sieht Schmidt für die Bauern daher nicht, bestenfalls eine „leichte Aufwärtsbewegung“.
Fairere Vertragsbeziehungen zu den Molkereien
Aber zumindest könnten die Landwirte fairere Vertragsbeziehungen zu den Molkereien bekommen, meint der CSU-Politiker. Ein Thema, das vor allem dem Präsidenten des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, sehr am Herzen liegt. Die Behörde liegt deshalb mit der größten deutschen Molkerei, dem Deutschen Milchkontor, über Kreuz, das – wie im genossenschaftlichen Sektor üblich – zwar alle Milch seiner Mitglieder abnimmt, diesen aber erst im Nachhinein sagt, was die Genossen dafür bekommen.
Nicht nur Mundt findet das ungerecht. Die Lieferbeziehungen sollen die Genossenschaften selbst neu regeln, meint Schmidt. Sicherheitshalber will er sich aber auf EU-Ebene die nötigen gesetzgeberischen Mittel in die Hand geben lassen, doch einzuschreiten, falls die Wirtschaft das nicht selbst hinbekommt.
"Das Glas Milch ist halbvoll", sagt Schmidt
Dabei sind die Molkereien selbst Getriebene. 124 Anbieter stehen den vier großen Einzelhandelskonzernen Edeka, Rewe, Aldi und der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) gegenüber. Die Machtverhältnisse sind für die Milchverarbeiter schwierig. Deshalb ermahnt Schmidt die Branche, sich enger zusammenzuschließen und einen Branchenverband zu gründen, der zwar nicht Mengen und Preise absprechen soll, aber etwa für eine bessere Vermarktung der Milchprodukte werben könnte. Der Dialog mit Bauern, Molkereien, dem Handel und der Politik soll auf jeden Fall fortgesetzt werden, verspricht Schmidt. „Das Glas Milch ist halb voll“, meint er. Mal sehen, ob sich das im nächsten Jahr ändert – und wenn ja, wie.
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