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Milchkühe bei der Arbeit: Die Bauern bekommen jetzt über 30 Cent für den Liter Milch.
© Arno Burgi/dpa

Wer verdient an der Milch?: Kampf um jeden Cent

Die Milchpreise sind gestiegen, die Bauern reden aber weiter von Krise. Schuld sind auch die Molkereien, sagt das Bundeskartellamt.

Das Allerschlimmste scheint vorbei: Die Zeiten, in denen Milch billiger war als Marken-Mineralwasser, liegen hinter den deutschen Milchbauern. Derzeit bekommen sie – je nach Region – von den Molkereien zwischen 30 und 33 Cent pro Liter Milch und damit deutlich mehr als jene 24 Cent, die im vergangenen Jahr viele Landwirte die Existenz gekostet haben. Rund 4000 Milchbauern mussten 2016 ihre Milchkühe abschaffen, sagt Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), zahlreiche Landwirte hätten ihre Höfe an Investoren verkaufen müssen – Opfer einer verhängnisvollen Spirale von Preisverfall und Überproduktion auf dem Milchmarkt. Doch trotz der inzwischen gestiegenen Erzeugerpreise befinde sich die Branche noch „immer im Krisenmodus“, sagte Foldenauer dem Tagesspiegel. Das Geld reiche gerade, um die alltäglichen Kosten zu decken. Investitionen und das Tilgen von Schulden seien nicht möglich.

Agrarminister Schmidt: "Bloß kein neues Produktionsfeuerwerk"

Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) befürchtet, dass die Bauern – angelockt vom steigenden Milchpreis – wieder in den altbekannten Teufelskreis rutschen könnten. „Steigende Milchpreise dürfen nicht zu einem neuen Produktionsfeuerwerk führen“, sagte der Minister dem Tagesspiegel. Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten hatten die Milchbauern im vergangenen Jahr finanziell unterstützt, nachdem der Milchpreis abgestürzt war. Ein Teil der Hilfen war an Produktionskürzungen geknüpft, um das Überangebot auf dem Markt zu beseitigen. Das hat funktioniert. Die Rohmilchproduktion liege derzeit um vier Prozent unter dem Vorjahreswert, heißt es im Agrarministerium auf Anfrage. Es sei gut, dass so viele Milchbauern Verantwortung übernehmen und ihre Milchmenge konstant halten wollen, meint Schmidt. „Aber: Der Preisaufschwung hat die Reformbemühungen der Branche bereits gebremst“, warnt der Minister. „Die notwendigen Strukturanpassungen im Milchmarkt sind nach wie vor offen. Es liegt jetzt in der Hand der Branche, zu einer fairen Verteilung der Risiken und zu zukunftsfähigen Marktstrukturen zu kommen.“

Bundeskartellamt: Molkereien agieren unfair

Zu den Strukturproblemen gehört nicht nur nach Meinung Foldenauers auch das Verhältnis zu den Molkereien. Rückendeckung bekommen die Landwirte jetzt vom Bundeskartellamt. Die Wettbewerbshüter untersuchen derzeit die Bedingungen auf dem Milchmarkt. Am Montag haben sie eine erste Einschätzung vorgelegt und gehen hart mit den Molkereien ins Gericht. Üblich seien Verträge mit langen Laufzeiten und Kündigungsfristen sowie Exklusivvereinbarungen, nach denen der Bauer seine Milch nur an eine Molkerei liefern dürfe. „Es gibt so gut wie keine Wechsel der Molkerei“, kritisierte Kartellamtschef Andreas Mundt. Hinzu kommt: Was der Bauer für seine Ware bekomme, erfahre er erst nach der Lieferung. Das Amt stützt sich auf die Befragung von 89 privaten und genossenschaftlichen Molkereien, diese decken 98 Prozent des Marktes ab.

Milchverband: Vorschläge sind weltfremd

Mundt fordert kürzere Kündigungs- und Lieferfristen sowie die Festlegung der Preise vor der Lieferung. Der Milchindustrie-Verband (MIV) wies diese Vorschläge jedoch umgehend als „weltfremd“ zurück. Die langen Vertragslaufzeiten würden den Bauern Sicherheit geben, betonte der Verband. Auch der Deutsche Raiffeisenverband warnte vor Unsicherheiten für alle Akteure. Die Deutsche Milchkontor GmbH, gegen die das Kartellamt ein Musterverfahren führt, sieht gar das Ende der bäuerlichen Erzeugergenossenschaften. Die Milchbauern haben dazu eine komplett andere Auffassung. Die Vorschläge des Kartellamts gingen in die richtige Richtung, sagt Foldenauer. Gefragt sei aber die Politik: „Sie muss Änderungen vorgeben.“

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