Lufthansa-Chef Carsten Spohr: Chefsanierer auf Erfolgskurs
Ein Flugzeugabsturz und streikendes Personal: Es war ein hartes Jahr für Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Sein Unternehmen hat sich dennoch glänzend geschlagen.
Die Krawatte hat Carsten Spohr abgelegt. „Der Chef ist da“, flüstert eine Flugbegleiterin. Spohr, seit Juli 2014 Chef der Lufthansa, ist nach Chicago gejettet zum Treffen des Luftfahrtbündnisses Star-Allianz. Jetzt geht es mit Flug LH 431 zurück nach Frankfurt. Der 49-Jährige schüttelt Hände, begrüßt freundlich die Stewardessen. Dann eilt er aufs Oberdeck des Jumbos. Auch im Cockpit schaut Spohr vorbei: Den Airbus-Piloten interessiert, was in der Schaltzentrale des Jets passiert. Vor allem aber sitzen dort diejenigen, mit denen er es schwer hat, die ihm auch deshalb besonders wichtig sind: Die Piloten. Viele der rund 5000 Lufthansa-Flugzeugführer sind nicht gut auf den Chef zu sprechen. Seit Jahren ringt die Piloten-Vereinigung Cockpit (VC) um Tarifverträge und die Strategie der Lufthansa im Wettbewerb mit Billigfliegern und arabischen Airlines. Die Notwendigkeit zum Umsteuern sehen die Piloten, was Spohr macht geht ihnen aber zu weit. Sie fürchten auch um gute Gehälter und die großzügige Übergangs- und Altersvorsorge.
Spohr wirbt bei den Piloten um Verständnis für seinen Kurs
Der Lufthansa-Chef spricht mit Kapitän und Co-Pilot, wirbt um Verständnis für seinen Kurs. „Mein Verhältnis zu einzelnen Piloten ist gut“, sagt Spohr. Mit VC ist das nicht so einfach. 13 Streiks seit April 2014, ein vor Gericht erwirktes Streikverbot, eine Schadenersatzklage haben Spuren hinterlassen. Spohr lässt sich nicht beirren. „Wir müssen mit den Kosten runter“, sagt er. Dass es so schwer würde gerade bei den Piloten hätte er nicht gedacht. „Die Heftigkeit der Arbeitskämpfe habe ich so nicht erwartet. Ich dachte es sei sehr offensichtlich, dass sich etwas ändern muss.“ Verurteilen will er VC nicht. „56 Jahre lang ist Lufthansa gewachsen, seit vier Jahren nicht mehr. Das trifft auch die Piloten. Ich habe schon ein wenig Verständnis, dass es für VC schwierig ist. Ich bin niemandem böse. Aber wir müssen einen Weg finden.“ Dabei sei die Bereitschaft bei den Mitarbeitern zur Veränderung größer als bei den Gewerkschaften, glaubt Spohr.
2015 war für die Fluggesellschaft ein schwieriges Jahr
2015 war für ihn und Lufthansa ein schweres Jahr. Der Konflikt mit VC wirkt vor dem Hintergrund eines Ereignisses aber wie eine Lappalie: Der Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 am 24. März, offensichtlich verursacht durch einen depressiven Piloten. 150 Menschen starben. „Das war der schwärzeste Tag unserer Geschichte.“ Viele sagen, dass Spohr in den Tagen und Wochen danach den richtigen Ton traf und angemessen auf die Katastrophe reagierte. Lufthansa war schnell zu großzügigen Entschädigungen bereit. Einige Anwälte halten das für zu wenig, wollen in den USA klagen. Seit dem Absturz müssen immer zwei Personen im Cockpit anwesend sein, die Gesundheitschecks der Piloten werden intensiviert, sollen auch zufällig stattfinden. „So etwas darf nie wieder passieren“, ist sich Spohr mit allen Lufthanseaten einig.
Spohr konnte die Gewerkschaft Ufo zu einer weiteren Schlichtung bewegen
Trotz der Katastrophe hat er in seinen Anstrengungen zum Konzern-Umbau nicht nachgelassen. Nicht immer hat der 49-Jährige glücklich agiert, sich zu spät in schwierige Verhandlungen eingeschaltet. Im Sommer scheiterte die Schlichtung mit der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo. Aber Spohr hat es nach dem einwöchigen Streik der Flugbegleiter im November - der heftigste überhaupt bei Lufthansa - geschafft, dass Ufo zu einer zweiten Schlichtung unter Leitung von Matthias Platzeck, Ex-Regierungschef von Brandenburg, bereit ist. Mitte Januar soll es losgehen. Die Streiks haben viele Kunden verärgert. Der Lufthansa-Chef weiß: 2016 muss die Einigung mit VC und Ufo her. „Ein zweites solches Jahr überlebt Spohr an der Spitze nicht“, sagt ein Manager der Fluggesellschaft.
Die Fluggesellschaft wird einen Rekordgewinn einfliegen
Spohr indes sieht sich auf Kurs, auch mit dem Billigableger Eurowings, der Lufthansa in Deutschland und Europa erstmals seit neun Jahren wieder schwarze Zahlen beschert. Die jüngst begonnenen Eurowings- und Lufthansa-Flüge zu touristischen Zielen wie Kuba oder Mauritius zahlten sich aus. Die Buchungslage sei gut, sagt Spohr. Der Konzern wird im ersten vollen Jahr mit ihm als Chef mit einem Gewinn von bis zu 1,95 Milliarden Euro einen Rekord einfliegen - trotz der Streiks und dank des billigen Kerosins. „Die Kunden halten zu uns, die Auslastung der Jets ist gut wie nie, die Zahl der Passagiere auf Höchststand“, freut sich Spohr. Die Aktionäre sollen eine Dividende erhalten, die 119000 Beschäftigten am Erfolg beteiligt werden.
Der Aufsichtsrat hat Spohrs Gehalt erhöht
Dass der Aufsichtsrat in der Phase, in dem die Kosten sinken müssen, das Gehalt von Spohr nach acht Jahren Pause kurz vor Jahresende kräftig erhöht, trifft aber auf wenig Begeisterung, auch wenn Arbeitnehmervertreter zugestimmt haben sollen. Sein Gehalt steigt ab 2016 von zwei auf 2,3 Millionen. Er habe „nie um eine Anhebung gebeten“, behauptet Spohr. Es sei eine Entscheidung von Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber. Piloten glauben dies nicht. Mayrhuber, sagen andere, habe die Erhöhung gerade jetzt durchgeboxt, um Spohr in schlechtes Licht zu rücken. Das Verhältnis zwischen beiden gilt als nicht ideal, nur zögerlich hatte der Chef-Aufseher der Berufung von Spohr zugestimmt. Sowohl Mayrhuber, von 2003 bis 2010 Lufthansa-Chef, als auch Christoph Franz, Spohrs direkter Vorgänger, haben das Thema der Piloten-Gehälter, die jedes Jahr automatisch um drei Prozent steigen, und der Übergangs- und Altersversorgung schleifen lassen. Spohr darf es ausbaden.
Spohr ist konsequent, aber freundlich
Als er das Cockpit der Lufthansa-Maschine verlässt, wird er von der Crew ebenso freundlich verabschiedet wie er begrüßt worden war. Die Beschäftigten wissen, dass der jugendlich wirkende Manager, der seit 1994 für das Unternehmen arbeitet, ein überzeugter Lufthanseat ist - konsequent, aber im Ton verbindlicher und viel freundlicher als Franz. Und sie glauben, dass Geld für Spohr nicht alles ist. Er liegt unter den 30 Dax-Konzernen auf Platz 28, weit entfernt von der skandalträchtigen Deutschen Bank.
Einige Mitarbeiter kritisieren, dass das Personal kürzen treten soll
Dennoch: Manche Lufthanseaten und Aktionäre halten Spohr einen „verdammt schlechten Job“ vor und werfen ihm vor „einen dicken Schluck aus der Pulle“ zu nehmen, während die Mitarbeiter kürzer treten sollen. Jener kritische, seit 40 Jahren für Lufthansa fliegende Jumbo-Pilot gibt aber zu, dass es an seinem Gehalt und seiner Pension nichts zu mäkeln gebe. Mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte sich Lufthansa Ende November geeinigt, die Gehälter der 30000 Mitarbeiter am Boden 2016 und 2017 um je 2,2 Prozent anzuheben. Darüberhinaus bezahlt das Unternehmen einmalig 2250 Euro. Auch das gehört zu Spohrs Bilanz 2015.