Aufsichtsratsspitze: Chaostage bei der Lufthansa
Auf der Hauptversammlung der Lufthanse ist die Verwirrung spürbar. Am Ende stimmen die Aktionäre doch für Mayrhuber als Aufsichtsratschef - gegen alle Kritik.
Das für einen Dax-Konzern beispiellose Hickhack um die Besetzung der Aufsichtsratsspitze dürfte Europas größte Fluggesellschaft Lufthansa noch eine Weile beschäftigen. Das Unternehmen habe die Verwirrungen nicht zu verantworten, sagte der scheidende Aufsichtsratschef Jürgen Weber am Dienstag bei der Hauptversammlung in Köln. Der Chefkontrolleur und künftige Ehrenvorsitzende griff ohne Namensnennung die US-Beratungsgesellschaft Institutional Shareholder Services (ISS) an. Sie hatte die Wahl des ehemaligen Vorstandschefs Wolfgang Mayrhuber aus rechtlichen Gründen abgelehnt.
„Wir haben große Anstrengungen unternehmen müssen, um (...) rein formalistische Kriterien einer blinden Corporate- Governance-Auslegung durch ein trotziges Beratungsunternehmen wieder ins rechte Licht zu rücken“, sagte Weber. Es sei bedauerlich, dass fremde Muster als hierzulande bindend angesehen würden und Schaden anrichten könnten.
Am Vortag hatte Mayrhuber zunächst seine Kandidatur zurückgezogen, da ihm eine Abstimmungsniederlage drohte. Nach intensiven Gesprächen mit wichtigen Investoren nahm er sie am späten Abend wieder auf. ISS, die vor allem ausländische Investoren berät, hatte sich an der angeblich zu kurzen Abkühlzeit zwischen Mayrhubers Vorstandszeit bis Ende 2010 und seiner Aufnahme ins Kontrollgremium gestört. Die Fristen sind im andersartigen US-System deutlich länger. Die Lufthansa-Oberen erklärten ISS- Vertretern, dass Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand hierzulande viel strenger voneinander getrennt sind als Mitglieder eines Verwaltungsrats (Board) im angelsächsischen Raum.
Und doch wurde am Dienstag deutlich, dass die Wahl nicht nur an der „Trotzigkeit“ oder Unkenntnis der ausländischen Investoren fast gescheitert wäre. Ingo Speich, Fondsmanager der Fondsgesellschaft Union Investment, die etwa ein Prozent der Papiere hält, fragte: „Wie kann es sein, dass sich Ihre Einstellung zur Lufthansa innerhalb des gestrigen Tages zweimal grundlegend ändert, Herr Mayrhuber?“ Morgens der Rücktritt, abends der Rücktritt vom Rücktritt. „Das wirft bereits jetzt einen Schatten auf Ihr zukünftiges Amt“, sagte er. Der Union-Investment-Vertreter hielt Mayrhuber zudem strategische Fehler aus dessen Zeit als Unternehmenschef vor: „Die Altlasten der Ära Mayrhuber drücken den Kranich zu Boden, teure Fehlkäufe statt dringend notwendiger Flottenerneuerung sind der Lufthansa nicht gut bekommen.“
Mayrhubers Verteidigung übernahm sein Nachfolger auf dem Chefsessel, Christoph Franz. Mayrhuber habe in seiner Zeit an der Spitze des Unternehmens Herausragendes geleistet. Er sei der Erfinder der Strategie mit mehreren Marken und Drehkreuzen. „Wolfgang Mayrhuber hat ihre Lufthansa zur Nummer eins in Europa gemacht“, sagte er zu den Aktionären. Zugleich verlangte Franz ihnen trotz eines Gewinns von 990 Millionen Euro in 2012 einen Verzicht auf die Dividende ab. Begründung: „Unsere Branche ist unter Druck, besonders in Europa.“ Er wolle die Ergebnisse nicht beschönigen: „Sie sind nicht ausreichend, um auch in Zukunft nachhaltig zu wirtschaften.“ Zur Besänftigung der Anleger wolle der Vorstand, ähnlich wie bei Air Berlin, auch selbst einen Beitrag zum Sparprogramm leisten und für die Laufzeit bis Ende 2014 auf fünf Prozent seiner Grundvergütung verzichten. (mit dpa)