Tarifkonflikt vor der entscheidenden Phase: Chaos im öffentlichen Dienst
Bedingungen für Tarifverhandlungen werden immer schwieriger. Mehr Geld für das Krankenhauspersonal, weniger für Sparkassen angestrebt.
Heute ist der Nachwuchs dran. Mit einem bundesweiten Warnstreik der Azubis im öffentlichen Dienst werben die Gewerkschaften für ihre Tarifforderung. Von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr wird dazu auch die Mühlendamm-Schleuse in Berlin-Mitte bestreikt. „Der Warnstreik wurde für nur vier Stunden angesetzt, damit die ohnehin stark Corona-belastete Fahrgastschifffahrt nicht zu sehr belastet wird“, teilte Verdi mit. Im aktuellen Tarifkonflikt möchten die Gewerkschaften eine Erhöhung der Entgelte um 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro/Monat, sowie eine Erhöhung der Azubivergütung um 100 Euro durchsetzen. 2,3 Millionen Beschäftigten bei den Kommunen und beim Bund fallen unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD).
Verhandlungen trotz Übernachtungsverbot?
Jetzt beginnt die heiße Vorbereitungsphase auf die entscheidende Verhandlungsrunde, die am 22. Oktober im Potsdam ansteht. So wurde das jedenfalls vor Monaten vereinbart. Normalerweise kommen die Gewerkschafen inklusive diverser Gremien mit rund 200 Personen nach Potsdam in das Kongresshotel am Templiner See. Auf der Seite der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), die ihre Mitglieder aus den Bundesländern vor Ort hat, sind etwas weniger Tarifexperten dabei. Doch ob und wie diese normalerweise mehrere Tage und Nächte umfassende Verhandlung stattfinden kann, ist offen. Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke etwa lebt in Berlin und fällt unter das Beherbergungsverbot in Brandenburg.
Angebot noch diese Woche?
Die Gewerkschaften – neben Verdi sind die Gewerkschaften der Polizisten und Lehrer sowie der Beamtenbund beteiligt – bemühen sich seit Wochen mit Warnstreiks um Druck auf die Arbeitgeber. Das wird sich diese Woche fortsetzen und in der nächsten Woche unmittelbar vor Beginn der Verhandlungen verstärken. Es sei denn, die Arbeitgeber signalisieren eine Kompromisslinie, wie hier und da auf Seiten der Gewerkschaften erhofft wird: Am kommenden Freitag könnte die VKA bereits ein Angebot öffentlich machen, über das dann am 22. Oktober verhandelt wird.
Sparkassensonderzahlung im Blick
Mit einem solchen Angebot wird indes erst gerechnet, wenn die so genannten Sondertische abgeräumt sind. In separaten Verhandlungen möchten die Gewerkschaften für den Pflegebereich deutlich höhere Einkommen durchsetzen und die Arbeitgeber wiederum für die schwächelnden Sparkassen eine Entlastung bei den Personalkosten erreichen. Es gibt für die Sparkassenmitarbeiter eine Sonderzahlung mit zwei Bestandteilen. Der fixe oder garantierte Anteil beträgt derzeit 88,77 Prozent eines Monatseinkommens. Der variable Teil setzt sich je zur Hälfte aus einem individuellen und einem unternehmenserfolgsbezogenen Teil zusammen. Dabei beträgt die Höhe des unternehmenserfolgsbezogenen Anteils 50 Prozent des Monatsgehalts und die Höhe des individuell-leistungsbezogenen Anteils 64 Prozent. Diese Sonderzahlung möchten die Arbeitgeber in diesen Niedrigzinszeiten, unter denen auch die Sparkassen leiden, stutzen.
300 Euro für Pflegepersonal gefordert
Für das Pflegepersonal in kommunalen Krankenhäusern und Altenheimen fordert Verdi eine Pflegezulage von 300 Euro/Monat, einen Samstagszuschlag von 20 Prozent sowie eine Arbeitszeitverkürzung um 2,5 Wochenstunden. Die Arbeitszeit von Rettungssanitätern soll auf 45 Wochenstunden begrenzt werden. Allein für den Pflegebereich mit rund 500 000 Beschäftigten wären das zusammengefasst Mehrkosten von rund zehn Prozent. Trotzdem sind die Arbeitgeber zu Zugeständnissen bereit, weil in kaum einem anderen Beruf der Fachkräftemangel so groß ist wie in der Pflege.
Nahverkehr vor weiteren Streiks
Ein besonders Problem ist in diesem Pandemieherbst das zeitliche Zusammentreffen der großen Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst mit der relativ kleinen im öffentlichen Personennahverkehr mit knapp 90 000 Beschäftigten. Für die Bus- und Bahnfahrer werden die Entgelte im Prinzip regional in den Bundesländern verhandelt. Doch Verdi möchte nun bundesweit einheitliche Regelungen in Fragen wie Nachwuchsförderung, Entlastung sowie den Ausgleich von Überstunden und Zulagen für Schichtdienste. Die VKA lehnt bereits die Verhandlungen darüber ab, weil sie von ihren regionalen Mitgliedern kein Mandat dazu habe. Deshalb hat Verdi zuletzt die Warnstreiks ausgeweitet, unter anderem fuhren in Berlin am vergangenen Freitag 24 Stunden lang weder Busse noch Bahnen.
Eine Entspannung ist in diesem Konflikt nicht in Sicht. „Die Gewerkschaften müssen endlich akzeptieren, dass wir keine Berechtigung haben, Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Nahverkehr aufzunehmen“, sagte Niklas Benrath, Hauptgeschäftsführer der VKA, am Montag auf Anfrage. „Daher bleibt es wie zuvor, die Gewerkschaften verhandeln auf Länderebene.“ Oder sie forcieren die Streiks.
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