Kommunen bangen: Bundesverfassungsgericht überprüft die Grundsteuer
Am Dienstag wollen die obersten Richter den Streit um die zweitwichtigste Kommunalsteuer klären. Vor allem Berlin hat daran großes Interesse.
Margaretha Sudhof macht am Dienstag eine Dienstreise. Die Staatssekretärin von Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) muss nach Karlsruhe. Dort verhandelt das Bundesverfassungsgericht eine Sache, die für Berlin besonders wichtig ist: die Grundsteuer. Bei der bestehen schon lange verfassungsrechtliche Zweifel, aber erst 2014 entschied sich der Bundesfinanzhof, zur Klärung die Karlsruher Kollegen einzuschalten.
Es geht darum, ob die Steuer dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Dafür gibt es Anzeichen. Denn der Besteuerung der Grundstückseigentümer liegen uralte Maßstäbe zugrunde, die in vielen Fällen nicht dem tatsächlichen Wert entsprechen. Dazu kommt, dass die Bewertungen im Westen und im Osten auseinanderklaffen. In den Ländern der alten Bundesrepublik wird nach Einheitswerten von 1964 besteuert, während in den neuen Ländern die Wertverhältnisse von 1935 zugrunde gelegt werden.
So hat Sudhof zwei Gründe für die Fahrt zum Gericht: Es geht um die zweitwichtigste Kommunalsteuer und es geht darum, dass Berlin hier immer noch geteilt ist. Mit der Folge, dass die Grundsteuer in West-Berlin höher ausfällt als im Ostteil der Stadt. Aus Berliner Sicht ist eine Reform dringend nötig, „weil wir auf einem einheitlichen Territorium uneinheitliche Werte haben“, wie Sudhof sagt. Berlin hatte bisher keine Handhabe, den misslichen Zustand von sich aus zu beenden. Denn obwohl die Grundsteuer allein den Gemeinden zusteht und ursprünglich von den Ländern festgelegt wurde, zog der Bund die Gesetzgebung an sich.
Doch die Reform kam nicht. 2016 machten dann die Finanzminister der Länder einen Vorschlag, der Bundesratsvorstoß – dem nur Bayern und Hamburg nicht folgten – blieb aber im Bundestag hängen, auch wegen des Widerstands der CSU. Und so blicken alle politischen Verantwortlichen mal wieder hilfeheischend nach Karlsruhe. Edith Sitzmann, grüne Finanzministerin in Baden-Württemberg, nennt das „unglaublich ärgerlich, denn nun ist nicht mehr die Politik am Zug“. Im Sondierungsergebnis von CDU, CSU und SPD vom Freitag steht kein Wort zu einer Grundsteuerreform.
Alle Grundstücke und Gebäude müssten neu bewertet werden
Nach dem Ländervorschlag müssten alle Grundstücke und Gebäude in Städten und Gemeinden nach dem aktuellen Verkehrswert neu bewertet werden. Das sind 35 Millionen Einheiten. Dazu kommt, dass das Erfassungssystem veraltet ist und informationstechnisch modernisiert werden muss, damit künftig in regelmäßigen Abständen eine automatische Wertaktualisierung möglich ist. Fachleute gehen daher davon aus, dass die Umstellung zehn Jahren dauern wird. Zudem ist eine solche Neubewertung naturgemäß streitanfällig.
Auch aus diesem Grund empfiehlt eine ungewöhnliche Allianz vom Mieterbund über den Naturschutzbund bis zum arbeitgebernahen Institut der Wirtschaft in Köln eine Grundsteuerreform, bei der die Bemessung nur auf dem Bodenwert basiert. Die aufwendige Neubewertung der Gebäude entfiele, während die Bodenrichtwerte bundesweit bereits auf einem aktuellen Stand sind.
Die Höhe der Grundsteuer ergibt sich aus drei Komponenten: dem (veralteten) Einheitswert, der nach Nutzung unterschiedlichen Steuermesszahl und dem Hebesatz, den jede Kommune eigenständig festsetzen darf, weshalb die Grundsteuerbelastung von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich ist. Großstädte haben in der Regel höhere Hebesätze. Sie liegen zwischen gut 400 und mehr als 800 Prozent in Duisburg und Berlin. In westdeutschen Gemeinden liegen sie meist unter 400 Prozent, im Osten eher darüber, um so die geringeren Einheitswerte von 1935 auszugleichen. Die Grundsteuer (jährliches Volumen derzeit 14 Milliarden Euro) macht 10 bis 15 Prozent der Kommunaletats aus.
Kein Wunder, dass die Kommunalverbände angesichts des Karlsruher Verfahrens ein bisschen nervös sind. Würden die Richter die Steuer für verfassungswidrig erachten und nur eine kurze Frist für den Gesetzgeber setzen, kämen die Kommunen in die Bredouille. Städtetag, Landkreistag und Städte- und Gemeindebund fordern daher die künftige Bundesregierung auf, zügig zu handeln und den Bundesratsentwurf umzusetzen. Auch die Länder erwarten, dass Bundestag und Bundesregierung sich beeilen. „Ich bin weiterhin überzeugt, dass die Länder einen guten Vorschlag gemacht haben“, sagt Sitzmann. „Wie auch immer die Reform letztlich aussehen wird – wir müssen sie schnell angehen und dürfen auf keinen Fall noch mehr Zeit verlieren.“
Es gibt Befürchtungen, dass klamme Kommunen sich sanieren wollen
Viele Grundstücke werden nach einer Reform gemäß dem Ländermodell deutlich höher bewertet werden. Das soll mit geringeren Messzahlen und Hebesätzen aufgefangen werden. Ob damit Einzelfallgerechtigkeit gelingt, wird man abwarten müssen. Zudem gibt es Befürchtungen, klamme Kommunen könnten sich über eine höhere Grundsteuer sanieren wollen. Finanzsenator Kollatz-Ahnen baut vor: „Die Reform der Grundsteuer muss aufkommensneutral bleiben, sie darf also nicht eine höhere Einnahmenerwartung für den Staat begründen.“ Zumal die Steuer auf die Mietnebenkosten umgelegt werden darf.
Deutlich höhere Steuern könnten Mieter somit stärker belasten – gerade in Berlin keine schöne Aussicht. Das Problem ist sogar in der eher vermieterfreundlichen CDU/CSU-Bundestagsfraktion angekommen. Deren finanzpolitische Sprecherin Antje Tillmann sagt: „Eine weitere Verteuerung des Wohnens aufgrund eines dynamischen Anstiegs der Nebenkosten durch die Grundsteuer muss verhindert werden.“