Grundsteuerreform: Kostenwert statt Einheitswert
Die Grundsteuer soll reformiert werden. Neues Modell wirkt sich aber frühestens 2027 aus.
Mit einer zügigen Reform der Grundsteuer wollen die Bundesländer einem drohenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zuvorkommen und die Einnahmen für sich sichern. Das machte der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) diese Woche bei der Vorstellung des Reformentwurfs deutlich. Die Grundsteuer sei mit 13 Milliarden Euro jährlich für die Kommunen sehr wichtig. „Einen Ausfall kann kein Mensch verkraften. Wer abwartet, was das Gericht tut, spielt mit dem Feuer“, sagt Schneider.
Druck haben die Länder, weil die Grundsteuer in Deutschland nach einem jahrzehntealten Einheitswert erhoben wird. Im Westen wurde er zuletzt 1964 festgelegt, im Osten 1935. Wertsteigerungen von Immobilien wurden seitdem nicht mehr erfasst.
Das ist ungerecht und deshalb wahrscheinlich sogar verfassungswidrig. Jedenfalls hat der Bundesfinanzhof dem Bundesverfassungsgericht das Thema zur Kontrolle vorgelegt. Wann genau das Gericht entscheidet, ist aber nicht bekannt: „Die Verfahren sind in Bearbeitung; ein Entscheidungstermin ist nicht absehbar“, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage.
Und so könnte die Grundsteuer in Zukunft erhoben werden: Unbebauten Grundstücken soll der Bodenrichtwert zugrunde liegen. Basis für den Richtwert sind die Preise aus Verkäufen in der näheren Umgebung.
Wertermittlung für Gebäude wird komplizierter
Bei bebauten Grundstücken würde die Bruttogeschossfläche des Gebäudes mit den pauschalen Herstellungskosten multipliziert, deren Höhe sich nach der Art des Gebäudes richtet. Das ergäbe dann den sogenannten Kostenwert. Davon würde je nach Alter des Gebäudes ein Nachlass gewährt, der aber nicht höher als 70 Prozent sein soll.
Die tatsächliche Höhe der Steuer berechnet sich dann aus der Multiplikation mit der sogenannten Steuermesszahl und dem Hebesatz der Gemeinden. Hier wird eine zusätzliche Ebene eingezogen: Während die Messzahl bisher nur vom Bund festgelegt wird, soll es den Ländern künftig freistehen, mit einer eigenen Landesmesszahl auf die Höhe der Grundsteuer einzuwirken.
Der Bodenrichtwert ist bei den Katasterämtern für nahezu jedes Grundstück in elektronischer Form hinterlegt. Für unbebaute Grundstücke wäre die Steuer also schnell ermittelt.
Bei der Wertermittlung für die Gebäude wird es komplizierter. Sie lückenlos und korrekt zu erfassen, werde zwei bis drei Jahre dauern, schätzt Thomas Schäfer. In den Jahren 2022 und 2023 würden die Bürger aufgefordert, die notwendigen Angaben zu machen.
Erst 2025 sollen die Mitarbeiter der Finanzverwaltungen mit der Neubewertung fertig sein. 2027 dann könnten die Bürger zum ersten Mal einen Steuerbescheid auf Grundlage der neuen Berechnungen bekommen. Dabei wird es Gewinner und Verlierer geben. Für Immobilien mit großen Wertsteigerungen wird sie steigen, für andere sinken. Insgesamt aber soll sie aufkommensneutral sein.
Der Vorschlag macht Mietsteigerungen möglich
14 Bundesländer haben sich auf dieses neue Modell geeinigt. Gestern brachten sie den Gesetzesentwurf in den Bundesrat ein. Nicht mit dabei sind Bayern und Hamburg. Peter-Jürgen Schneider hofft aber, dass später der Bundestag „in seiner Gänze Einsicht zeigt“ und dem Vorschlag zustimmt.
Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund sieht mit dem Vorschlag eine Mehrbelastung auf die Mieter zukommen, denn die Grundsteuer kann auf die Miete umgelegt werden. Diesen Befürchtungen trat Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund bei der Vorstellung des Reformentwurfs entgegen.
„Wir wollen nicht den Wohnungsbau verteuern und die Mieten nach oben treiben. Dass die Grundsteuer auf die Miete umgelegt werden kann, ist keine Selbstverständlichkeit, darüber kann man reden“, sagte Landsberg. Geregelt sei die Umlage ohnehin in der Betriebskostenverordnung, nicht im neuen Gesetz.
Mögliche Mietsteigerungen waren für Hamburg ein Grund gewesen, dem Ländervorschlag nicht zuzustimmen. Bayern hatte sich mit dem Argument dagegengewandt, grundsätzlich gegen Steuererhöhungen zu sein.
Der Kostenwert sei ein "abenteuerliches Konstrukt"
Kritik am Entwurf kommt von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immobilienwirtschaft in Deutschland (BID): „Der Gesetzentwurf könnte eine bürokratische und administrative Lawine lostreten. Der sogenannte Kostenwert ist unnötig kompliziert und kaum praktikabel“, sagt BID-Vorsitzender Andreas Ibel.
Der Vizepräsident des Naturschutzbundes NABU, Thomas Tennhardt, nennt den Kostenwert ein „abenteuerliches Konstrukt“. Er führe zu nicht hinnehmbaren Ungleichbehandlungen, etwa zwischen Neubauten und gleichwertigen, modernisierten Altbauten und somit auf gefährliches verfassungsrechtliches Glatteis. „Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz und das steuerrechtliche Prinzip der Leistungsfähigkeit bleiben mit diesem Gesetz ungelöst“, sagte Tennhardt.
Vom Tisch dürfte mit dem vorgestellten Modell eine Grundsteuer als reine Bodensteuer sein, für die sich NABU, Mieterbund und das Deutsche Institut für Wirtschaft ausgesprochen hatten. Ziel wäre gewesen, das spekulative Zurückhalten von Grundstücken zu verteuern. Denn wenn Gebäude nicht besteuert würden, wäre eine Grundsteuer auf Boden bei einer aufkommensneutralen Gestaltung entsprechend höher.
Die Aktenzeichen für die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Normenkontrollklagen lauten 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14 und 1 BvL 1/15. Mehr zum Modell einer reinen Bodensteuer gibt es unter www.grundsteuerreform.net
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