zum Hauptinhalt
Früher Ernst & Young, heute EY - und mit einigen Vorwürfen konfrontiert.
© imago images/Arnulf Hettrich
Exklusiv

Trotz Verwicklung in Wirecard-Skandal: Bundesregierung will EY weiterhin öffentliche Aufträge ermöglichen

Die Wirtschaftsprüferaufsicht ermittelt gegen EY. Die Regierung sieht darin aber keinen Grund, nicht mehr mit dem Unternehmen zusammenzuarbeiten.

Die Bundesregierung will das Beratungsunternehmen EY trotz dessen Verwicklungen in den Wirecard-Skandal weiterhin beauftragen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linke-Fraktion hervor, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Derzeit ermittelt die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas gegen EY wegen der Prüfung der Wirecard-Bilanzen.

"Die Berufsaufsichtsverfahren im Zusammenhang mit den Jahres- und Konzernabschlussprüfungen bei der Wirecard AG sind aber noch nicht abgeschlossen", schreibt Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium in der Antwort. Die Einleitung eines solches Verfahrens allein stelle "noch keinen Anlass für die Prüfung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes durch die Bundesregierung vor der Vergabe öffentlicher Aufträge dar".

Alle EY-Testate seit 2015 werden geprüft

EY hat seit Jahren die Konzernbilanzen des insolventen Dax-Unternehmen geprüft und bis zu diesem Jahr keine Unregelmäßigkeiten festgestellt. Der Bundesregierung kam das seit Oktober 2019 suspekt vor. Nach einem Bericht der "Financial Times" wurde die Prüfung durch die Apas eingeleitet, wie das "Handelsblatt" berichtete. Sie soll demnach nun sämtliche Jahres- und Konzernabschlussprüfungen ab dem Jahr 2015 durch EY bei Wirecard "auf die Einhaltung der gesetzlichen und berufsrechtlichen Vorgaben" untersuchen.

Fabio de Masi sieht die Zusammenarbeit, vor allem ohne öffentliche Ausschreibung mit EY angesichts der Ermittlungen kritisch. "In Anbetracht des Wirecard-Skandals ist es nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung trotz Untersuchungen der APAS gegen EY freihändig Aufträge an diese Wirtschaftsprüfer vergibt", sagte der finanzpolitische Sprecher der Linken dem Tagesspiegel. "Der Umfang der freihändigen Vergaben an EY ohne Ausschreibung durch das Gesundheitsministerium weckt ungute Erinnerungen an den McKinsey Filz im Verteidigungsministerium."

Wissenschaftliche Dienst gibt Bundesregierung Recht

De Masi spielt damit darauf an, dass Jens Spahn (CDU) EY damit beauftragt hatte, die aus dem Ruder gelaufene Masken-Beschaffung zu managen - ohne öffentliche Ausschreibung. Der Bundesgesundheitsminister muss sich deshalb vor dem Bundeskartellamt rechtfertigen. Im Bundesverteidigungsministerium hatte die damalige Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) ebenfalls zahlreiche Berater engagiert, deren Beauftragung noch immer nicht abschließend aufgearbeitet ist.

[Die Coronavirus-Krise ist auch für die Politik eine historische Herausforderung. Jeden Morgen informieren wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer Morgenlage über die politischen Entscheidungen, Nachrichten und Hintergründe. Zur kostenlosen Anmeldung geht es hier.]

Ob EY nachhaltigen Schaden aus der Wirecard-Affäre davonträgt, hängt davon ab, ob die Apas zum Schluss kommt, der Firma sei eine "schwere, die Integrität des Unternehmens infrage stellenden Verfehlung" nachzuweisen. In diesem, in Paragraph 124 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen geregelten Fall könne EY von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einer von De Masi angefragten Stellungnahme mitteilt.

In dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es zudem, ein "bloßer Verdacht" genüge nicht für einen Ausschluss. Viel mehr müsse der öffentliche Auftraggeber die Verfehlung beweisen. Damit stützen die Juristen die Argumentation der Bundesregierung.

Allerdings muss für den Nachweis der Verfehlung dem Wissenschaftlichen Dienst zufolge nicht zwingend auf Urteile oder abgeschlossene Verfahren gewartet werden. Sollte man zum Schluss kommen, dass die "Verfehlung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit tatsächlich begangen wurde – belegt etwa durch den Erlass eines Haftbefehls oder durch eine Anklageerhebung", sei ein Ausschluss auch vor dem Urteil möglich.

Zur Startseite