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Ziemlich dreckig: Das VW-Emblem eines Tiguan ist unter dem Schlamm kaum noch zu erkennen. Auch diese Baureihe gehört zu jenen vom Abgas-Skandal betroffenen Modellen.
© Uwe Zucchi/dpa
Update

Volkswagens Abgas-Skandal: Bundesregierung fordert Garantien deutscher Autohersteller

Renate Künast verlangt Schadenersatz für VW-Kunden. Während viele Anleger das Vertrauen in die Marke verloren haben, kauft die Porsche Holding weitere Volkswagen-Anteile auf.

Die Bundesregierung hat den Volkswagenkonzern zu rückhaltloser und schneller Aufklärung des Abgasskandals aufgefordert, um Schaden vom Wirtschaftsstandort Deutschland abzuwenden. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag": "Oberstes Ziel muss es sein, Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Das ist das Unternehmen nicht nur sich selbst, seinen Mitarbeitern und seinen Kunden schuldig, sondern auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland."

VW sei wie jeder große deutsche Automobilhersteller für das Image der deutschen Wirtschaft mitverantwortlich. "Es ist deshalb im deutschen Interesse, dass die Vorgänge bei Volkswagen aufgeklärt und die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Wir brauchen eine Garantie dafür, dass Autos deutscher Hersteller Normen einhalten, ohne dass manipuliert wird", sagte Altmaier. Die Bundesregierung werde alles tun, um Zweifel an der Seriosität und umweltpolitischen Glaubwürdigkeit deutscher Automobilbauer auszuräumen. In diesem Zusammenhang kündigte Altmaier schnelle Gespräche mit dem Management von VW an.

Künast: Bund muss mit VW über Entschädigungen sprechen

Unterdessen hat sich auch die Grünen-Politikerin und frühere Verbraucherministerin Renate Künast zu Wort gemeldet. Käufer von manipulierten VW-Dieselautos haben ihrer Ansicht nach auch in Deutschland ein Recht auf Schadenersatz. "Tatsache ist, dass Kunden ein Auto gekauft haben, das die zugesicherten Eigenschaften nicht hat", sagte Künast den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Samstag. Die betroffenen VW-Kunden sollten deshalb "eine ordentliche Entschädigung durch den Konzern erhalten", forderte die frühere Verbraucherschutzministerin. Die Bundesregierung müsse die Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen. "Wir dürfen die vielen Verbraucher nicht alleine lassen. Es muss deshalb in den nächsten Wochen eine juristische Vorklärung durch den Verbraucherminister geben", appellierte Künast an Bundesverbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD). Dieser müsse klären, welchen Rechtsweg betroffene Kunden einschlagen könnten.

Darüber hinaus müsse mit Volkswagen geklärt werden, welche Entschädigungsangebote der Konzern den Kunden freiwillig anbieten könne. Der Bund müsse klären, ob die betroffenen Autos nachgebessert werden, der Verbraucher eine Kaufpreisermäßigung erhalte oder den Kaufpreis für das Auto erstattet bekomme, sagte Künast. Zudem brauche Deutschland "dringend die Möglichkeit von Gruppenklagen", mit denen Kunden viel mehr Macht entwickeln könnten. Am Freitag hatte bereits der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärt, der VW-Abgas-Skandal zeige die Notwendigkeit von Gruppenklagen in Deutschland.

VW plant Rückrufaktion

Währenddessen plant das Unternehmen eine Rückruf-Aktion. Ein Volkswagen-Sprecher sagte der AFP am Samstag, der Konzern werde einen Maßnahmenplan präsentieren und "dann sagen, wann wir voraussichtlich eine Rückrufaktion starten". Es solle unter anderem ein Software-Update durchgeführt werden. VW arbeite derzeit an einen Katalog von Maßnahmen. "Wir sind mit Vollgas dran, das offenzulegen", sagte der Volkswagen-Sprecher. Die Fahrzeuge mit der manipulierten Abgas-Software seien identifiziert, nun müssten die Fahrzeugnummern ermittelt werden. Sobald anhand der Fahrgestellnummer festgestellt worden sei, wo sich die Autos befänden, könnten die Händler informiert werden, die wiederum Kontakt zu den Kunden aufnähmen.

Anders als viele Kunden demonstriert die Porsche Automobil Holding Vertrauen in den VW-Konzern und nutzt den eingebrochenen Börsenkurs der Aktie um seine Anteile zu erhöhen. Das Unternehmen teilte am Samstag mit, Suzuki außerbörslich 1,5 Prozent der VW-Stammaktien abgekauft zu haben. Porsche Holding machte keine Angaben zum Preis. Der japanische Verkäufer betonte allerdings, einen Sondergewinn von umgerechnet rund 271 Millionen Euro zu verbuchen. Nach dem Suzuki-Deal hält Porsche Holding 52,2 Prozent der VW-Stammaktien und ist insgesamt mit 32,4 Prozent am gezeichneten Kapital beteiligt. Die Transaktion sei ein klares Bekenntnis zu dem Investment, hieß es von der Stuttgarter Tochter.

Sorgen um Tricksereien bei anderen deutschen Automarken

An der Börse waren zuletzt Sorgen aufgekommen, dass auch andere Hersteller getrickst haben könnten, was die Unternehmen aber zurückwiesen. “Wir halten uns grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und haben keinerlei Manipulationen an unseren Fahrzeugen vorgenommen“, sagte Daimler -Chef Dieter Zetsche der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ laut Vorabbericht. Auf die Frage, ob alle Hersteller Betrüger seien, sagte er: “Klare Antwort: Nein!“

Von dem Abgas-Skandal sind weltweit allein rund fünf Millionen Fahrzeuge der Marke Volkswagen Pkw betroffen, wie der Vorstandsvorsitzende der Marke Volkswagen Pkw, Herbert Diess, am Freitagabend in Wolfsburg mitteilte.

Eine interne Auswertung habe ergeben, dass Fahrzeuge bestimmter Modelle und Baujahre betroffen seien, wie zum Beispiel der VW Golf der sechsten Generation, der VW Passat der siebten Generation und die erste Generation des VW Tiguan. Diese seien ausschließlich mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestattet, erklärte Diess nach der Aufsichtsratssitzung. Alle Neuwagen der Marke Volkswagen Pkw, die über die europaweit gültige EU6-Norm verfügten, seien nicht von der Abgas-Manipulation betroffen, betonte Diess. Dies gelte unter anderem für die aktuellen Golf-, Passat- und Touran-Modelle.

EU und USA wollen schärfere Emissionstests einführen

Die Motoren wurden auch in Modellen der tschechischen VW-Tochter Skoda und der spanischen Konzern-Tochter Seat verbaut, wie schon zuvor bekannt geworden war. Die US-Umweltbehörde EPA hatte in der vergangenen Woche aufgedeckt, dass bei VW-Dieselfahrzeugen in den USA die Abgastests manipuliert worden waren. Mit Hilfe einer speziellen Software wurden im Testbetrieb deutlich weniger gesundheitsschädliche Stickoxide gemessen als im regulären Betrieb. Die Software ist laut VW in insgesamt elf Millionen Fahrzeugen des Konzerns weltweit verbaut. In Deutschland sind 2,8 Millionen Fahrzeuge betroffen, wie Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Freitag bekannt gab.

Als Konsequenz aus der Affäre war Martin Winterkorn am Mittwoch als Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns zurückgetreten. Zu seinem Nachfolger wählte der Aufsichtsrat am Freitag den bisherigen Porsche-Chef Matthias Müller.

In Reaktion auf den VW-Abgasskandal wollen die Behörden in den USA und Europa zudem die Emissionstests für Autos verschärfen. Die US-Umweltbehörde EPA wies in einem Schreiben an die Hersteller darauf hin, dass sie zusätzliche Prüfungen verlangen könne. In diesen würde dann untersucht, ob die Abgasnormen unter normalen Fahrbedingungen auf der Straße erfüllt werden – und nicht nur in Testlaboren. “Wir werden ihnen nicht erzählen, was für Tests dies sind. Das brauchen sie nicht zu wissen“, sagte EPA-Vertreter Chris Grundler am Freitag vor Journalisten.

Bis zu 40 Mal höhere Werte als im Labor

Auch EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska kündigte ein konsequentes Vorgehen an. “Unsere Botschaft ist klar: strenge Befolgung der EU-Regeln und null Toleranz bei Betrug.“ Die EU hat Emissionstests entwickelt, die Autos im Straßenverkehr überprüfen. Sie sollen ab Januar eingeführt werden. Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte allerdings, die Brüsseler Behörde gebe nur den regulatorischen Rahmen vor, für die Umsetzung seien die Mitgliedsländer zuständig.

Vor einer Woche hatte die EPA bekanntgegeben, dass VW in Diesel-Modellen eine Software zur Umgehung von Emissionskontrollsystemen verbaut habe. Das Programm erkennt, ob das Auto auf einem Teststand läuft, und reguliert dann den Motor so, dass Grenzwerte eingehalten werden. Im Normalbetrieb liegen die Werte jedoch bis zu 40 Mal höher als vorgegeben. (afp/Reuters)

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