Debatte um Exportüberschüsse: Bloß nicht patzig werden
Der hohe Exportüberschuss liegt auch an den niedrigen Importen. Dies ist ein Ausweis der Investitionsschwäche unseres Landes. Ein Kommentar.
Streber kann niemand leiden. Das ist schon in der Schule so, und in der Weltwirtschaft läuft es nicht anders. Auf der globalen Weltwirtschaftsbühne heißt der Streber Deutschland. Die größte Volkswirtschaft der EU ist Exportmeisterin – bereichere sich dabei aber auf Kosten ihrer Handelspartner, heißt es. Besonders laut ist die Kritik aus Frankreich und aus den USA.
Das ist kein Zufall. Im Handel mit beiden Staaten ist die Schere zwischen deutschen Exporten und Importen besonders groß. Hinzu kommen hausgemachte Probleme. Frankreichs Wirtschaft wächst nur zögerlich, und am Sonntag wird dort gewählt. Donald Trump muss in den USA endlich Erfolge liefern und zeigen, dass er sein Wahlversprechen, US-Firmen und deren Arbeitnehmer zu schützen, einhalten kann. Dass die deutschen Unternehmen deutlich mehr Waren in den USA verkaufen, als es US-Firmen in Deutschland schaffen, passt nicht ins Bild. Der US-Präsident spekuliert daher laut über unfaire Handelspraktiken und denkt über Strafzölle jenseits der schon sanktionierten Stahlindustrie nach.
Man könnte es sich leicht machen und den Kritikern zurufen: Na, dann werdet halt besser! Dass deutsche Waren in aller Welt beliebt sind, ist ein Ausweis von Qualität und Wettbewerbsfähigkeit. Erfolg hat Neider, was kümmert’s uns? So etwa sieht die Verteidigungsposition der deutschen Regierung aus, die sich in diesen Tagen auf heftige Diskussionen einstellen muss – beim Treffen der Finanzminister der 20 größten Industrie- und Schwellenländer am Donnerstag und bei der Tagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds am Wochenende.
Richtig ist: Der Exporterfolg kommt nicht von selbst. Er ist erkauft worden mithilfe der jahrelangen Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer, er ist Folge der Hartz-Reform, die einen riesigen Niedriglohnsektor nach sich gezogen hat. Aber nicht nur die Arbeitnehmer zahlen die Zeche, sondern die gesamte Gesellschaft. Über Grundsicherung und Lohnzuschüsse für Junge und Alte, die mit ihrem Verdienst oder der Rente nicht über die Runden kommen, leisten die Steuerzahler ihren Beitrag zum deutschen Wirtschaftswunder. Das wird in der globalen Wirtschaftsdebatte gern verschwiegen.
Die Sparsamkeit ist gefährlich
Dennoch sollte man die Kritik aus dem Ausland nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn ein „Weiter so“ bringt Deutschland in Schwierigkeiten. Der hohe Exportüberschuss, den die Wirtschaft erzielt, liegt eben nicht nur an den hohen Exporten, sondern auch an den vergleichsweise niedrigen Importen, die wir uns leisten.
Diese Sparsamkeit ist gefährlich. Sie ist Ausweis der Investitionsschwäche unseres Landes. Der Staat investiert selbst in den aktuell wirtschaftlich guten Zeiten zu wenig in die Infrastruktur, die Unternehmen stecken zu wenig Geld in die Digitalisierung und die Modernisierung der Produktion. Auch das ist eine Folge der niedrigen Löhne. Sie entlasten die Unternehmer davon, Produktivitätsfortschritte zu erzielen.
Die Exportüberschüsse, über die sich die deutsche Wirtschaft und die Politik freuen, sind daher nur vordergründig ein gutes Zeichen. Wann, wenn nicht jetzt, wollen Politik und Wirtschaft das Land nach vorne bringen? Die guten Zeiten muss man nutzen, um für die weniger guten vorzusorgen. Mehr Investitionen und damit auch mehr Importe würden nicht nur die Kritik unserer wichtigsten Handelspartner verstummen lassen, sie würden auch unsere Wirtschaft zukunftsfähig machen.
Den aktuellen Krawall könnte und sollte die Politik daher zum Vorteil des Wirtschaftsstandorts Deutschland nutzen. Denn die guten Zeiten werden nicht ewig anhalten. Die alternde Bevölkerung und der Mangel an Fachkräften werden der Wirtschaft schon bald zusetzen und die Wachstumsdynamik bremsen. Umso wichtiger ist es, die Firmen jetzt zu ermuntern, in neue Technologien und wettbewerbsfähige Produkte zu investieren – auch mit staatlicher Unterstützung. Damit sich Deutschland auch in Zukunft über Exporterfolge freuen kann.