Flughafen Tegel: Berliner Wirtschaft will die Schließung
Weil Flächen in der Stadt knapp werden, wird das Gelände für Gewerbe und Wissenschaft gebraucht. Für die Industrie stünden rund 80 Hektar zur Verfügung.
Industriepolitik hat es in den vergangenen Jahren mit der CDU-Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer nicht gegeben. Sehr zum Verdruss von Wirtschaft und Gewerkschaften. Ramona Pop will das jetzt anders machen. „Der Masterplan Industrie muss wieder den strategischen Rahmen für die Industriepolitik in der Stadt bilden“, sagte die Grünen-Politikerin dem Tagesspiegel. Dazu hat sie am kommenden Dienstag „die Industrieakteure der Stadt“ eingeladen. „Zentrale Themen werden die Digitalisierung, die Flächensicherung, aber auch die Nachnutzung von Tegel sein“, kündigte Pop an. Tatsächlich rückt ein Thema zunehmend in den Fokus: Es gibt zu wenig Flächen. Um so wichtiger wäre die baldige Inbetriebnahme des BER, damit das Gelände des Flughafens Tegel nach dem bereits vor 2013 verabschiedeten Masterplan entwickelt werden kann.
"Es wäre bitter, wenn Tegel nicht geschlossen würde"
„Der Standort ist hervorragend“, sagt Stefan Franzke über Tegel. „Welche Großstadt hat schon die Chance, mitten in der Stadt so ein große Fläche entwickeln zu können?“ Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Berlin Partner bekommt mehr oder weniger täglich den Flächennotstand mit. „Das Problem ist riesig“, sagte Franzke dem Tagesspiegel. Die aktuell auf dem Markt insgesamt verfügbaren 300 Hektar erschlossener Industrieflächen „sind viel zu wenig“. Der für das verarbeitende Gewerbe vorgesehene Platz auf dem alten Flughafen könnte helfen. „Der Industriepark in Tegel wäre mit 80 Hektar ungefähr so groß wie der Clean-Tech-Park in Marzahn“, sagt der Wirtschaftsförderer. „Es wäre bitter, wenn Tegel nicht für Wirtschaft, Wissenschaft und Wohnen genutzt werden würde.“
"Tegel schließen, Zukunft öffnen"
Das sehen Wirtschaftsvertreter und Gewerkschafter genauso. Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK, findet es „atemberaubend“, wie derzeit offenbar aus Wahlkampfmotiven für den Weiterbetrieb Tegels getrommelt wird. Zwar sei auch rund ein Drittel der Vollversammlung der Kammer für den Weiterbetrieb, doch insgesamt sei die IHK „klar committed“ für die Nachnutzung des Flughafens durch Wirtschaft und Wissenschaft und Wohnbebauung. „Tegel schließen, Zukunft öffnen“, formuliert der Berliner IG Metall-Chef Klaus Abel. Für ihn ist „skandalös“, wie CDU und FDP parteipolitischen Profit aus der Tegel-Debatte zu ziehen versuchen. „Wir haben ja bald Bundestagswahl“, sagt Abel.
"Der BER steckt in der Warteschleife fest"
Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) und der CDU verbunden, hat es nicht leicht in diesen Tagen. „Wir müssen um jede Fläche kämpfen“, beschreibt er die aktuelle Situation, wenn Industriebetriebe sich ansiedeln oder ihren Standort erweitern möchten. Zu Tegel „hat die Unternehmerschaft ja keine einheitliche Meinung“, doch „mit Tegel hätten wir eine tolle Industriefläche“, sagte Amsinck auf Anfrage. Die aktuelle Situation sei deshalb so schwierig, „weil der BER in der Warteschleife steckt“. Ende nicht absehbar.
Das belastet auch die Arbeit der Wirtschaftsförderung. Franzke und seine Mitarbeiter sind schon seit Jahren mit Investoren im Gespräch, die Interesse an einer Ansiedlung in Tegel haben. Doch „das Produkt braucht einen Zeitpunkt des Markteintritts, um es optimal verwerten zu können“. Den Netzwerkkonzern Cisco, der Tegel im Auge hatte, haben die Berlin Partner inzwischen auf dem Euref in Schöneberg untergebracht. „Für Unternehmen, die in drei bis vier Jahren nach Berlin kommen wollen, wäre Tegel womöglich der ideale Ort“, meint Partner- Chef Franzke, der demnächst die Halbjahresbilanz der Wirtschaftsförderung vorstellt. „Die Zahlen sind hervorragend, wir erreichen überall Rekordwerte.“
"Digitalisierung ist Berlins Chance"
Die industrielle Basis Berlins ist teilungsbedingt nicht besonders stark. Doch es verändert sich etwas. „Wir haben seit ein bis zwei Jahren den Trend, dass namhafte Industrieunternehmen nach Berlin kommen, um Digitalisierungs- oder Innovationseinheiten hier zu entwickeln“, sagt Wirtschaftssenatorin Pop. Und der Berliner Siemens-Chef und UVB-Präsident Frank Büchner glaubt sogar, dass „der Wandel in die digitale Welt hier am besten funktionieren kann“. Dazu braucht es Fachkräfte, Start-ups, Wissenschaftler, industrielle Anwender – und Platz. „Wir müssen höher bauen“, meint Franzke. Amsinck, Eder und Abel erinnern an eine mehr als zwei Jahre alte Verabredung mit dem Senat, wonach alle größeren Industrieflächen erfasst werden sollen. Für Amsinck wäre das „ein ganz wichtiges Preissignal“. Eine entsprechende Zusage erwarten die Herren am kommenden Dienstag von Ramona Pop.
Ob der 2010 vom linken Wirtschaftssenator Harald Wolf mit der Wirtschaft entwickelte Masterplan Industrie neu belebt werden kann, hängt auch ab von einer Arbeitsstruktur, die gewährleistet, dass die vereinbarten Projekte angepackt werden. Das war in den vergangenen Jahren nicht der Fall. Pop erwartet am Dienstag „konkrete Verabredungen, welche Themen wir mit der Weiterentwicklung des Masterplans angehen“.