Wirtschaftsbeziehungen: Berliner Firmen bangen um China-Geschäft
Die Zahl der Berliner Firmen, die in China aktiv sind, steigt. Schwächt sich das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik tatsächlich ab, könnte sie das empfindlich treffen.
Als vor acht Jahren der Anruf aus China kam, waren die Mitarbeiter der Berliner Firma Triad überrascht. Schließlich waren sie bis dahin noch nie in der Volksrepublik aktiv gewesen. Triad entwickelt und baut für große Konzerne Messestände und Ausstellungsräume. Die Chinesen fragten, ob die Berliner einen Themenpavillon für die Weltausstellung 2010 in Schanghai gestalten wollten. „Anfangs war es schwierig, einzuschätzen, was uns dort erwartet“, sagt Sprecherin Melanie Kutscherauer. Doch im Nachhinein hätte der Berliner Firma kaum etwas Besseres passieren können.
Noch während sie am Expo-Pavillon in Schanghai arbeiteten, kamen weitere Anfragen. Nach der Weltausstellung hat der Mittelständler deshalb ein Büro in Schanghai aufgemacht – sein erstes überhaupt außerhalb Berlins. Waren für Triad anfangs drei Mitarbeiter in Schanghai, sind es heute bereits 25. „Wir sind in China sehr schnell gewachsen“, sagt Peter Wolkowicz, stellvertretender Geschäftsführer in Schanghai. Gerade hat die Firma zum Beispiel die Inneneinrichtung eines Luxus-Supermarktes in der Großstadt Harbin im Nordosten Chinas gestaltet.
Chinas Bedeutung für die Berliner Wirtschaft steigt
Wie Triad zieht es mittlerweile etliche Berliner Firmen nach China. Das Entsorgungsunternehmen Alba zum Beispiel sammelt und recycelt künftig in Hongkong Elektroschrott. Die Bundesdruckerei ist an einer Firma in Schanghai beteiligt, die chinesische Pässe herstellt. Die Deutsche Bahn will schon bald ein Büro in Peking aufmachen, um mehr Züge und Ersatzteile in China zu ordern. Die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin (KPM) verkauft ihr Geschirr in Peking, Schanghai und Habin. Auch der Arzneimittelhersteller Berlin Chemie ist mit einer Repräsentanz in Peking vertreten.
So ist die Bedeutung der Volksrepublik für die Berliner Wirtschaft in den vergangenen Jahren rasant gestiegen: Lag China auf der Liste der wichtigsten Handelspartner der Hauptstadt 2005 noch auf Platz 11, belegt die Volksrepublik heute bereits Rang fünf. Allein im vergangenen Jahr haben Berliner Betriebe Waren und Dienstleistungen im Wert von 635 Millionen Euro nach China exportiert. Von Januar bis Mai dieses Jahres sind die Berliner Ausfuhren in die Volksrepublik gegenüber dem Vorjahr um weitere elf Prozent gestiegen, berichtet die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK).
Unternehmer sorgen sich um die Konjunktur in China
Entsprechend besorgt hat so manch ein Unternehmer der Stadt allerdings wohl in den letzten Wochen die Nachrichten verfolgt. Erst war es der Crash an den chinesischen Börsen, der für Aufsehen sorgte. Vor wenigen Tagen dann war es die starke Abwertung der Landeswährung Yuan. Dazu kommen schwache Exportzahlen, die Experten daran zweifeln lassen, ob China in diesem Jahr noch das angepeilte Wirtschaftswachstum von sieben Prozent erreichen kann. Doch kühlt sich die Konjunktur in China tatsächlich ab, würde das auch Berliner Unternehmen hart treffen.
Einer, der sich Sorgen macht, ist Andreas Nitze, Geschäftsführer der Technologiefirma Berliner Glas. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Neukölln ist auf die Herstellung technischer Gläser spezialisiert, die zum Beispiel in medizinische Geräte, Computer oder Fernseher eingebaut werden. China ist für das Unternehmen ein wichtiger Markt. Seit 2008 hat die Firma ein Werk im chinesischen Wuhan mit 100 Mitarbeitern. „Wir können heute schwer einschätzen, wie stark die wirtschaftliche Abkühlung in China wirklich ist oder sein wird“, sagt Nitze. Doch bereits diese Unsicherheit könne zu „einer durch Vorsicht geprägten Zurückhaltung bei Geschäften führen“. „Leichte Umsatzrückgänge“ hält er für denkbar. Und nun kommt auch noch die Abwertung des Yuan dazu.
Die Abwertung des Yuan macht Berliner Produkte in China teurer
Indem die Zentralbank in Peking den Wert der Landeswährung drückt, werden chinesische Produkte im Ausland günstiger. Die Hoffnung ist, dass das Land dadurch wieder mehr Waren in alle Welt verkaufen kann. Die Kehrseite ist jedoch, dass deutsche Produkte in China teurer werden. „Bei der aktuellen Abwertung der chinesischen Währung müssen Berliner Exporteure entweder einen sinkenden Absatz hinnehmen oder sie müssen ihre Preise in chinesischer Währung senken“, sagt eine Sprecherin der Berliner IHK.
Auf der sicheren Seite sind nur Unternehmen, die vorgesorgt haben. Wie zum Beispiel das Berliner Unternehmen Epigenomics. Die Biotech-Firma hat ein Testverfahren zur Früherkennung von Darmkrebs entwickelt, das ein chinesisches Partnerunternehmen mittlerweile auch in der Volksrepublik vertreibt. Von der Yuan-Abwertung seien sie nicht betroffen, sagt Vorstandschef Thomas Taapken. „Unsere Verträge laufen auf Dollar-Basis.“ Auch dürfte eine Konjunkturabschwächung sie nicht so stark treffen. „In China steigt die Zahl der Krebserkrankungen“, sagt Taapken. Langfristig kann er sich daher vorstellen, mit dem chinesischen Partner Biochain noch enger zu kooperieren – zum Beispiel bei der Forschung und Entwicklung.
Wirtschaftssenatorin Yzer hält China weiter für einen Wachstumsmarkt
Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) hört das gerne. Sie glaubt weiter an die Chancen, die der chinesische Markt für Berliner Firmen birgt. „Berlin und China verbinden robuste wirtschaftliche Beziehungen“, sagt sie. „Auch wenn die wirtschaftliche Dynamik derzeit nachlässt, bleibt China nach derzeitigem Stand mittel- und langfristig ein Wachstumsmarkt.“
Davon ist auch das Brandenburger Unternehmen McPhy Energy überzeugt, das in Prenzlau ein Hybrid-Kraftwerk betreibt: Es nutzt überschüssigen Strom aus der Windenergie, um Wasserstoff herzustellen, der bei Bedarf wieder in Strom zurückgewandelt werden kann. Was in Brandenburg gut funktioniert, soll nun auch in der chinesischen Provinz Hebei zum Einsatz kommen. Im Umland von Peking baut McPhy ein Hybrid-Kraftwerk nach Prenzlauer Vorbild. Mit einem Geschäftsvolumen von über sechs Millionen Euro ist das ein großer Auftrag für den Mittelständler. Und es soll nicht der einzige aus China bleiben. Die Volksrepublik sei für McPhy ein Schlüsselmarkt, sagt Vertriebsleiter Tristan Kretschmer. „Ich glaube, dass China im Bereich erneuerbarer Energien ein großes Potenzial hat und dass China dies nutzen wird.“ Über die wirtschaftliche Entwicklung Chinas macht er sich noch keine Sorgen. „Wir spüren aktuell keine Dämpfer.“
Der Dienstleister Dussmann ist bereits seit 20 Jahren in China
Ähnlich sieht man das bei der Berliner Dussmann Group. Das Dienstleistungsunternehmen ist seit fast 20 Jahren in China aktiv und beschäftigt heute an fünf Standorten in der Volksrepublik mehrere tausend Mitarbeiter. In Peking, Schanghai, Shenyang, Nanjing und Guangzhou reinigen sie Gebäude, stellen den Sicherheitsdienst, kümmern sich um die Haustechnik und betreiben Kantinen. Neben dem Mittleren Osten sei China für Dussmann „die wichtigste Wachstumsregion“, sagt Vorstandschef Dirk Brouwers.
Gleichzeitig hält der Dussmann-Chef Wirtschaftsreformen im Land allerdings für unerlässlich. „China wird seinen Reformkurs konsequenter verfolgen müssen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen“, sagt Brouwers. Nur wenn es den chinesischen Konzernen gelinge, ihre Produktivität zu steigern, könnten sie das langsamere Wirtschaftswachstum und die steigenden Löhne im Land kompensieren. Und nur dann wird China auch langfristig für Berliner Firmen ein Wachstumsmarkt bleiben.