Finanzierung: Biotech-Branche forscht und bettelt
Für die deutschen Biotechnologie-Firmen wird die Finanzierung schwieriger. 2011 hat die Branche dennoch mehr umgesetzt.
Rund 45 Mitarbeiter entwickeln und produzieren bei der Biotechnologie-Firma Epigenomics in Berlin-Mitte Tests zur Früherkennung von Krebs. Seit 1998 gibt es das Diagnostik-Unternehmen, das in diesem Jahr seinen ersten Test in Europa auf den Markt brachte. Wie viele andere Firmen der Branche ist Epigenomics darauf angewiesen, sich am Kapitalmarkt mit frischem Geld zu versorgen. „Die Entwicklung von Produkten im Medizinbereich ist kapitalintensiv und langwierig“, sagt Finanzvorstand Thomas Taapken. „Wir sehen die derzeit größere Risikoaversion der Investoren kritisch.“
Diese Entwicklung bestätigt auch der deutsche Biotechnologie-Report 2012, den die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young am Montag in Frankfurt am Main vorstellte. Demnach haben die deutschen Biotech-Firmen ihre Umsätze 2011 zwar weiter gesteigert und ihre Verluste reduziert. Mittel- und langfristig drohen den Unternehmen aber Probleme, weil frisches Geld immer zäher fließt und damit die Mittel für die Entwicklung neuer lukrativer Wirkstoffe und Medikamente knapp werden. Im vergangenen Jahr flossen der Studie zufolge 130 Millionen Euro in die knapp 400 deutschen Biotech-Firmen, 2010 waren es noch 441 Millionen Euro. „Die Branche leidet nach wie vor unter erheblichen Finanzierungsproblemen“, sagt Ernst & Young-Experte Siegfried Bialojan.
Bildergalerie: Die größten Kapitalvernichter - Epigenomics ist dabei
Seit mittlerweile fünf Jahren hat es hierzulande zudem keinen Börsengang einer Biotech-Firma mehr gegeben. Vor diesem Hintergrund sei es bemerkenswert, dass die Umsätze um zehn Prozent auf knapp 1,1 Milliarden Euro gesteigert worden seien. Allerdings stecken die Firmen mit derzeit rund 10 000 Mitarbeitern weiter tief in den roten Zahlen. Die Verluste summierten sich 2011 auf 437 Millionen Euro, 28 Millionen Euro oder fünf Prozent weniger als ein Jahr zuvor.
Die Unternehmen leiden Bialojan zufolge unter dem Rückzug vor allem klassischer Risiko-Kapitalgeber, die sogenanntes Venture Capital (VC) zur Verfügung stellen. Nur zum Teil werde die Finanzierungslücke durch neue private Investoren geschlossen. Dazu gehörten sogenannte Family Offices, die große Privatvermögen verwalten, sowie Fonds und Stiftungen. Viele Firmen setzen auch auf Fördergelder von EU, Bund und Ländern.
In Berlin zumindest ist die Zahl der Firmen stabil geblieben. Einer jährlichen Umfrage des Bundesforschungsministeriums zufolge gibt es 58 reine Biotechnologie-Firmen in der Hauptstadt, eine mehr als noch 2010. Sie beschäftigen 1400 Mitarbeiter (Vorjahr: 1320). In Brandenburg liegt die Zahl der Firmen wie schon 2010 bei 31, sie beschäftigen 642 Mitarbeiter.
Wegen der Finanzierungsengpässe hätten viele Firmen bereits ihr Geschäftsmodell geändert, sagt Bialojan. Statt auf die teure Erforschung von Wirkstoffen zu setzen, konzentrierten sie sich zum Beispiel stärker auf Entwicklungen im Diagnostikbereich und auf Dienstleistungen, sagt Bialojan. 2011 war dieser Trend aber noch kaum spürbar, die Zahl der Wirkstoffe in der Medikamentenentwicklung bei deutschen Biotech-Firmen sank minimal von 304 auf 301. Und 2011 wurde erstmals seit zwei Jahren wieder ein neues Mittel einer deutschen Biotech-Firma – ein Hautkrebs-Präparat der Leverkusener Biofrontera – von der EU- Kommission zur Vermarktung freigegeben.
Nicht nur die deutsche, auch die europäische Biotech-Branche droht der Studie zufolge wegen der Finanzprobleme vor allem gegenüber den USA weiter zurückzufallen. Während in Europa 2010 rund 2,85 Milliarden Euro in die Branche flossen, waren es 2011 nur noch 2,05 Milliarden Euro. In den USA dagegen konnte die Branche im vergangenen Jahr umgerechnet 29,8 Milliarden Euro einsammeln nach 21,5 Milliarden Euro ein Jahr zuvor. Der Staat sei deshalb gefordert, die Rahmenbedingungen für Investitionen in risikoreichere Innnovationen eher zu belohnen als Investoren mit weiteren Auflagen wie etwa höheren Eigenkapitalanforderungen zu bestrafen, sagte Bialojan.
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