IW-Studie: Berlin schmälert deutsche Wirtschaftskraft
In sämtlichen Ländern Europas beflügelt die Wirtschaftskraft der Hauptstadt die des ganzen Landes. Die Ausnahme von dieser Regel ist Berlin.
In der Regel ist es in Europa so, dass die Hauptstädte als Wirtschaftsmotor des Landes wirken. Denn dort befinden sich Regierung und Parlament, Verkehrsknotenpunkte und Industriestandorte. Die Ausnahme von der Regel ist Berlin. Würde man die Bundeshauptstadt samt der Bewohner herausrechnen, wäre das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner um 0,2 Prozent höher, heißt es in einer aktuellen Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Die mit Blick auf die Nationalökonomie wichtigste europäische Hauptstadt ist laut der IW-Analyse Athen: Ohne Athen fiele das BIP pro Kopf in Griechenland um ein Fünftel niedriger aus. Die Wirtschaftsleistung in der Slowakei würde ohne Bratislava um 18,9 Prozent schrumpfen; in Frankreich ohne Paris um 14,8 Prozent. Ähnliche Werte nennt das Institut für Tschechien, Dänemark, Finnland, Portugal und Schweden. Auch Großbritannien verlöre ohne London erheblich an Wirtschaftskraft: Die Leistung pro Einwohner sänke im Vereinigten Königreich um gut elf Prozent. Für seine Berechnung verwendete das IW Daten des Europäischen Statistikamtes Eurostat aus dem Jahr 2015. Aktuellere Zahlen lagen nicht vor.
Die starken Zentren sind woanders
„In vielen EU-Staaten ist die jeweilige Hauptstadt ein unverzichtbares wirtschaftliches Zugpferd – nicht so in Deutschland“, schreiben die Autoren. Die schwache Position Berlins erklären sie mit dem föderalistischen deutschen Staat mit vielen Wirtschaftszentren – wie zum Beispiel Wolfsburg (VW), Frankfurt am Main (Banken), Ingolstadt (Audi), München (Siemens, BMW) – und zahlreiche Mittelständler im ländlichen Raum. Rom sei noch am ehesten mit Berlin zu vergleichen. Die italienische Hauptstadt drücke das BIP je Einwohner nur geringfügig nach oben. Auch dort befinde sich das industrielle Zentrum nämlich woanders – hauptsächlich im Norden rund um Mailand und Turin.
Die dezentrale Wirtschaftsstruktur in Deutschland ist historisch gewachsen, und die anderen Hauptstädte waren nie geteilt. Sie waren über die vergangenen hundert Jahre vielmehr durchgehend das Zentrum ihres Landes. Die wirtschaftliche Situation und Bedeutung Berlins wären heute anders, wenn es Weltkriege und die Teilung von Stadt und Land nicht gegeben hätte. Nach dem Krieg wanderten Banken und Börsenhandel nach Frankfurt am Main ab, die Industriebetriebe gründeten sich in anderen Regionen der Republik neu – und infolge der Wiedervereinigung vollzog Berlin einen Strukturwandel hin zur Dienstleistungsstadt.
2021 könnte Berlin kein Bremser sein
Weil die Menschen im Handel, Gastgewerbe und Gesundheitswirtschaft sowie im wachsenden Start-up-Bereich aber nicht so viel verdienen, und keiner der großen börsennotierten Konzerne hier seine Zentrale hat, sind die „Löhne in Berlin nicht gerade hoch“, erklärte Matthias Diermeier vom IW.
Allerdings würde sich die deutsche Hauptstadt positiv entwickeln: Die Arbeitslosigkeit sinkt, der Zuwachs an Erwerbstätigen ist bundesweit am höchsten und auch beim Wirtschaftswachstum hängt Berlin mittlerweile Bayern und Baden-Württemberg ab. Wann könnte es also soweit sein, dass Berlin kein Bremser mehr ist? „Wenn wir die BIP- pro-Kopf-Wachstumsraten von 2014 und 2015 unterstellen, dann holt Berlin Deutschland 2021 ein“, sagte Diermeier.
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