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Privatanleger werden belastet - Sekundenhandel dagegen kommt ohne Steuer weg.
© Foto: Boris Rössler/dpa

Gutachten zur Aktiensteuer von Olaf Scholz: Belastung vor allem für Kleinanleger

Eine Bewertung der geplanten Aktiensteuer im Auftrag der FDP sieht vor allem Nachteile für Privatanleger: Denen geht über die Jahre Rendite verloren.

Berlin - Als Olaf Scholz vor einem Monat seine Version der Finanztransaktionssteuer offiziell vorstellte, prasselte viel Kritik auf den Bundesfinanzminister ein. Eine rein nationale Aktiensteuer sei das, lautete der Tenor der negativen Kommentare. Politiker der Union wie die Finanzfachfrau Antje Tillmann waren sich ausnahmsweise einmal mit Grünen und Linken einig: „Etikettenschwindel“ lautete unisono die Einordnung des Scholz-Vorhabens. Zu den positiven Stimmen aus der SPD kam immerhin auch Rückhalt aus dem Kanzleramt – Angela Merkel fand nette Worte, wohl weil sie das Projekt ebenfalls vor allem europapolitisch einordnet. Scholz hatte sich in den Verhandlungen mit den EU-Partnern letztlich gezwungen gesehen, einen Vorschlag zu machen, um das Projekt einer EU-Finanztransaktionssteuer am Leben zu erhalten. Was nun darauf hinausläuft, dass in Deutschland eine Besteuerung von Aktienkäufen eingeführt werden könnte, die es so ähnlich in Frankreich, Großbritannien oder Italien schon gibt. Für mehr war Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nicht zu haben. Um das Vorhaben schmackhafter zu machen, verband Scholz es mit der Finanzierung des von der SPD eingebrachten Koalitionsprojekts der Grundrente.

Steuersatz von 0,2 Prozent

Scholz führt praktisch die 1990 abgeschaffte Börsenumsatzsteuer wieder ein, bei der Aktienkäufe mit 0,2 Prozent belastet wurden. Dieser Steuersatz soll nun auch gelten, allerdings nur, wenn das Unternehmen eine Börsenkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Euro hat. Es gilt für alle Aktiengesellschaften aus EU- Ländern, die an der Steuer teilnehmen. Ein Teil der Einnahmen wird zwischen diesen Ländern umverteilt. Für Deutschland bliebe laut Scholz eine Summe von bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich.

Kritisch sieht das Unterfangen von Beginn an die FDP. Die Freien Demokraten glauben nicht an die Wirksamkeit einer Finanztransaktionssteuer, weil sie „nicht zwischen guten und schlechten Finanzprodukten unterscheidet“, wie die Finanzpolitikerin Bettina Stark-Watzinger sagt. Zudem würden Derivate ausgenommen, auch der Sekundenhandel werde nicht belastet. Und bei der nun geplanten reinen Aktiensteuer werde auch nicht vor allem die Finanzelite belastet, sondern „diejenigen, die nicht ausweichen könnten“. Und das sind nicht zuletzt Kleinanleger, ob sie nun direkt Aktien kaufen oder über Fonds.

Nur ein Bruchteil des Finanzmarkts

Um die Kritik zu unterfüttern, hat die FDP-Bundestagsfraktion bei den Ökonomen Hans-Peter Burghof und Robert Jung von der Universität Hohenheim ein Gutachten in Auftrag gegeben. Demnach erfasst die „Aktienerwerbsteuer“, wie Burghof das Modell nennt, vom gesamten Handelsvolumen in der EU in Höhe von 428 Billionen Euro nur etwa 2,2 Billionen. Damit gehe von der Aktiensteuer kein „Stabilisierungseffekt“ aus, was das eigentliche Ziel einer Finanztransaktionssteuer sei.

Bei den Kosten, die auf Privatanleger zukommen, ob nun direkt oder über Fonds, kommt es darauf an, wie aktiv gehandelt wird. Also auf die Umschlaghäufigkeit des Portfolios. Bei einem eher defensiven Anleger, der selber kauft und die Dividenden wieder anlegt, dürfte diese in der Regel etwas geringer sein. Sie könnte bei etwa zehn Prozent liegen. Bei gängigen Fonds, die auch mal umschichten, sind es laut Burghof zwischen 30 und 50 Prozent der Werte, die pro Jahr ausgetauscht werden. Sehr aktive Fonds kommen auf hundert Prozent oder mehr.

Auf den Umschlag kommt es an

Jede Transaktion aber wird mit der Aktiensteuer teurer. Und das summiert sich mit den Jahren, was die Rendite verringert. Burghof hat ausgerechnet, dass bei einer Anlagedauer von zehn Jahren und einer Umschlaghäufigkeit von zehn Prozent exakt 0,4 Prozent an Rendite verloren gingen – bezogen auf den dann aufgelaufenen Endwert. Wird häufiger gehandelt, also etwa ein Drittel des Portfolios umgeschichtet, sind es 0,8 Prozent. Bei hundert Prozent Umschlag landet Burghof bei 2,17 Prozent. Der Verlust durch die Steuer wächst, je länger ein Anleger mit den Aktien Geld zusammensparen will. Bei einer Anlagedauer von 25 Jahren sind es beim sehr defensiven Anleger 0,7 Prozent, beim sehr aktiven aber schon mehr als fünf Prozent. So können sich die Renditeverluste auf einige Tausend Euro addieren. Würde die Steuer höher liegen als 0,2 Prozent, kommt man schnell in andere Dimensionen.

Wird Anlegerverhalten verändert?

Damit lässt sich trefflich streiten, ob und wie das Anlegerverhalten durch die Aktiensteuer beeinflusst würde. Scholz ist der Meinung, dass sie kaum Auswirkungen hätte. Burghof gibt jedoch zu bedenken, dass die Aktiensteuer auf die ohnehin anfallenden Kosten für Transaktionen, die Verwahrung und die Verwaltungskosten für die Fondsmanager aufgeschlagen werde, was Aktienkäufe bisher schon belastet. Dazu kommt die Abgeltungsteuer auf Dividendenzahlungen und Aktiengewinne bei Veräußerung, die Scholz abschaffen will, um sie durch den in aller Regel deutlich höheren persönlichen Einkommensteuersatz zu ersetzen. Burghof geht davon aus, dass Kleinanleger im Gegensatz zu professionellen Investoren nicht auf Derivate ausweichen, um der Aktiensteuer zu entgehen. Und er nimmt an, dass die in Deutschland eher niedrige Quote der Aktienanleger von 16 Prozent durch die Einführung der Aktiensteuer nicht steigen werde.

Scholz gehört übrigens auch zu den Aktienmuffeln: Er hat gelegentlich durchblicken lassen, dass er sein Geld allein aufs Sparkonto einzahlt.

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