Talanx-Finanzchef Querner im Interview: "Bei Aktien halten wir uns bewusst zurück"
Talanx ist die drittgrößte deutsche Versicherungsgruppe. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht Finanzchef Querner über Lebensversicherungen und die Suche nach guten Geldanlagen in Zeiten der Niedrigzinsen.
Herr Querner, als Finanzvorstand eines großen Versicherers kennen Sie sich mit den Finanzmärkten aus. Was sollte jemand tun, der jetzt 10.000 Euro anlegen möchte?
Das hängt davon ab, wie lange man sein Geld anlegen möchte und welche Risiken man bereit ist einzugehen. Wenn man das Geld langfristig anlegen möchte, kann es für Privatanleger attraktiv sein, einen Teil ihres Vermögens in Aktien zu investieren. Das erhöht die Renditechancen. Außerdem gibt es für diesen Anlagebetrag so recht nicht viele Alternativen. Risikoarme Staatsanleihen bringen ja kaum etwas.
Wie haben Sie bei der Talanx Ihr Kapital angelegt?
Wir sind mit Blick auf unsere langfristigen Zinsversprechen hauptsächlich in festverzinslichen Wertpapieren investiert, aber auch in Immobilien sowie Private Equity, also Firmenbeteiligungen, und wir finanzieren Infrastrukturprojekte.
Den Börsenboom haben Sie verschlafen?
Wir haben wenig in Aktien investiert, aber das ist eine bewusste Entscheidung. Als wir vor gut zwei Jahren an die Börse gegangen sind, haben wir uns gefragt, welches Risikoprofil wir unseren Aktionären anbieten wollen. Versicherungsunternehmen haben üblicherweise zwei Risikoquellen, die sich in der Aktie niederschlagen. Die Versicherungstechnik – also etwa die Gefahr von Großschäden – und Kapitalmarktrisiken. Da es in den Portfolien unserer Aktionäre nicht an potentiellen Kapitalanlagerisiken mangelt, haben wir uns auf der Kapitalanlageseite für risikoarme Anlagen entschieden und streuen unsere Investitionen breit. Bei Aktien halten wir uns zurück.
Wie hoch ist Ihre Aktienquote?
Die Quote liegt bei etwa einem Prozent. Zusätzlich haben wir zwei bis drei Prozent in Private Equity-Fonds investiert – mit nachhaltig gutem Erfolg.
Welche Verzinsung schaffen Sie mit Ihren Anlagen?
Wir müssen den überwiegend langfristigen Verpflichtungen, die wir gegenüber unseren Kunden haben, zeitlich passgenaue Anlagen gegenüberstellen. Deshalb halten wir viele lang laufende festverzinsliche Wertpapiere. 2013 haben unsere Kapitalanlagen insgesamt vier Prozent Zinsen gebracht, das ist ein gutes Ergebnis. Bei den Neuanlagen haben wir in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Konzern immerhin rund drei Prozent geschafft, bei unseren Lebensversicherungstöchtern sogar 3,6 Prozent.
Rechnen Sie damit, dass die Zinsen im Euro-Raum niedrig bleiben?
Ja, alles andere ist zumindest kurz- bis mittelfristig wenig wahrscheinlich. Allerdings sehe ich das sehr kritisch. In Europa wird jetzt eine Jugend groß, die nicht gelernt hat, dass Sparen eine Tugend ist und sich lohnt, weil Sparen an sich derzeit mit einem realen Vermögensverlust einhergeht. Das ist bedenklich. Außerdem sendet die Europäische Zentralbank mit ihrer Politik des billigen Geldes auch makroökonomisch falsche Signale aus. Indem ständig neues Geld nachgeschoben wird, werden bestimmte Euro-Krisenländer aus der Haftung gelassen. Dass Risiken derzeit nicht mehr angemessen bepreist werden, ist ebenso eine große Gefahr für das Finanzsystem.
Investieren Sie noch in Staatsanleihen der Euro-Krisenländer?
Wir haben italienische und spanische Staatsanleihen gekauft, in Spanien sind darunter aber auch Schuldscheine, die nach deutschem Recht behandelt werden und die mit einem deutschen Gerichtsstand versehen sind. Die Zinsen sind gut, das Risiko ist übersichtlich. Wir haben solche Papiere in ganz kleinem Umfang übrigens auch noch aus Griechenland und damit gute Erfahrungen gemacht. Diese Titel haben die Krise unbeschadet überstanden.
Wie hoch sind Ihre Kapitalanlagen insgesamt?
Rund 100 Milliarden Euro.
Und wie viel steckt davon in den Euro-Krisenstaaten?
Knapp zwei Prozent, inklusive Irland, wobei man insbesondere bei Irland vielleicht besser von einem sogenannten Krisenland sprechen sollte.
Was ist mit Portugal?
In Portugal haben wir uns – vorbehaltlich der behördlichen Genehmigungen – im Rahmen unserer Infrastrukturinvestitionen an einem Wasserunternehmen beteiligt.
Wie lohnenswert Windkraftanlagen als Investition sind
Haben Sie noch weitere Infrastrukturprojekte im Ausland finanziert?
Mit Ausnahme Luxemburgs, so gut wie keine. Man muss sich genau anschauen, in welchen Ländern Investitionen regulatorisch sicher sind und in welchen nicht. Wir können nicht riskieren, dass der Staat eingreift und im nachhinein die Regeln ändert, wie es etwa in Spanien und Norwegen passiert ist. Wir konzentrieren unsere Investitionen in Infrastrukturprojekte derzeit auf Deutschland und Luxemburg. In Luxemburg sind wir am Gas- und Elektrizitätsnetzwerk beteiligt.
Wo noch?
Windkraftanlagen sind ebenfalls ein interessantes Feld.
Auch Offshore?
Bei Windanlagen auf dem offenen Meer würden wir unter bestimmten Voraussetzungen eher als Kreditgeber auftreten, Eigenkapital würden wir dort wegen der hohen technischen Komplexität nicht investieren.
Wie viel von Ihren 100 Milliarden Euro steckt schon in Infrastrukturprojekten?
Ein knappes halbes Prozent, aber wir wollen das ausbauen. Allerdings geht das nicht über Nacht. Wir haben ein Team von Fachleuten, das sich alle Projekte sehr genau anschaut.
Bei wie vielen Projekten, die Sie prüfen, steigen Sie später auch wirklich ein?
Die Quote liegt im einstelligen Prozentbereich.
Sie versuchen, möglichst risikoarme Investments zu finden. Wie passt das zu den Infrastrukturprojekten. Dort weiß man doch nie, was kommt: Maut, Förderung von erneuerbaren Energien – nichts ist sicher!
Die Regulierung ist eine wichtige Einflussgröße. Das merken wir etwa bei den Stromnetzen. Wir sind am Netzbetreiber Amprion beteiligt, weil wir eine lang laufende, sichere Anlage suchten. Aber wir müssen uns nun damit auseinandersetzen, wie die Durchleitungsgebühren für das Netz berechnet werden. Die sind nämlich nicht für alle Zeiten garantiert, sondern unterliegen einem komplizierten Berechnungsverfahren, das nach Ablauf einer Regulierungsperiode ein gesunkenes Zinsumfeld auf die Investoren überwälzt. Versicherer, die sich an Infrastrukturmaßnahmen beteiligen, brauchen hier gerade wegen der Langfristigkeit ihrer Zinsversprechen mehr Sicherheit – oder ein risikoangemessenes Kompensat.
Welche Infrastrukturprojekte könnten Sie sich vorstellen?
Wir konzentrieren uns im Moment auf Strom-, Wasser- und Gasnetze. Wir könnten uns aber auch soziale Infrastrukturbereiche in Public-Private-Partnership vorstellen, etwa Autobahnen.
Die Talanx-Aktie ist mit 18,30 Euro an die Börse gekommen und steht heute – trotz Börsenbooms – bei 25 Euro. Sind Sie damit zufrieden?
Ja, wenn man die Dividenden dazu nimmt, war das Engagement für die Erstzeichner sehr erfolgreich. Außerdem haben wir jenseits der Aktie drei liquide und ebenfalls börslich gehandelte Unternehmensanleihen ausgegeben. Wir sind nunmehr sehr flexibel, wenn es darum geht, sich Kapital an den Märkten zu beschaffen.
Was wird aus Ihrem Lebensversicherer, der HDI Leben?
Die HDI Leben steht wie andere Lebensversicherer in Deutschland vor großen Herausforderungen, durch die Regulierung, durch die Niedrigzinsphase und weil sie relativ viele Verträge aus Zeiten hat, in denen der Garantiezins bei vier Prozent lag, dies gilt insbesondere für vor gut zehn Jahren marktüblich nachreserviertes Rentenversicherungsgeschäft. Produkt- und Vertriebspolitik müssen sich darauf einstellen. Gut ist, dass HDI Leben einen hohen Anteil an fondsgebundenen und Berufsunfähigkeitspolicen sowie inzwischen ein sehr tragfähiges Bestandsführungssystem hat. Ich bin sicher, dass das Unternehmen mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden im Geschäftsbereich auf dem richtigen Weg ist. Wir packen den Stier bei den Hörnern – das heißt aber auch: Das Geschäft muss und wird sich weiter verändern.
Immo Querner (51) ist seit 2006 Finanzvorstand der Talanx AG. Der gebürtige Berliner hat ein Wirtschaftsingenieur- und Philosophiestudium absolviert, hat promoviert und ist dann erst zu McKinsey gegangen und dann zum Versicherungskonzern Gerling. Gerling ist 2006 in der Talanx-Gruppe aufgegangen.
Das Interview führte Heike Jahberg.
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