Bundesgerichtshof: Bei alten Lebensversicherungen gibt's kein Geld zurück
Es war ein brisantes Pilotverfahren, über das der BGH zu entscheiden hatte. Ergebnis: Kunden haben keinen Anspruch auf volle Prämienzahlung bei alten Lebensversicherungen. Aufatmen können sie dennoch.
Rund 90 Millionen Lebensversicherungsverträge, die zwischen 1995 und 2007 nach dem sogenannten Policenmodell geschlossen wurden, sind gültig. Versicherte, aber auch die Versicherungen, können nicht Jahre später aus den Verträgen aussteigen und alle Leistungen zurückfordern. Das hat am Mittwoch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden. Nach Urteil des IV. Zivilsenats verstieß das früher praktizierte Policenmodell nicht gegen EU-Recht.
Es war ein brisantes Pilotverfahren, über das der BGH zu entscheiden hatte. 1998 hatte ein Kunde eine fondsgebundene Lebensversicherung nach dem Policenmodell abgeschlossen. Wie damals üblich, sendete die Deutsche Herold dem Kunden erst mit dem Versicherungsschein, also der Police, sämtliche Informationsunterlagen zu. Bei den Unterlagen befand sich auch die Widerrufsbelehrung, wonach der Kunde dem Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widersprechen kann.
Entscheidend war, wann der Vertrag geschlossen wurde
Im konkreten Fall widerrief der Versicherungsnehmer nicht, zahlte sechs Jahre lang seine Prämien, kündigte dann aber 2004 vorzeitig. Er erhielt 4600 Euro weniger zurück, als er an Beiträgen eingezahlt hatte. Jahre später bemerkte der Mann, dass sein Vertragsabschluss womöglich nicht in Einklang mit dem Europarecht stand. Denn in der europäischen Richtlinie war schon 1998 vorgeschrieben, dass der Kunde „vor“ Vertragsabschluss alle wesentlichen Informationen erhalten muss. Er hatte aber – wie beim Policenmodell üblich – die Unterlagen erst zusammen „mit“ dem Versicherungsschein bekommen. Sein Vertrag habe gegen das europäische Gemeinschaftsrecht verstoßen und sei deshalb ungültig gewesen, so seine Argumentation. Er klagte auf Rückabwicklung und hätte dann alle eingezahlten Beiträge zurückbekommen.
Landgericht und Oberlandesgericht wiesen seine Klage ab. Der BGH bestätigte die Entscheidungen jetzt in letzter Instanz. Die entscheidende Rechtsfrage war, wann der Vertrag rechtlich geschlossen wurde. War er bereits mit Zusendung des Versicherungsscheins unter Dach und Fach? Dann wäre das Informationsmaterial über die genauen Bedingungen zu spät gekommen, denn es muss ja „vor“ Vertragsschluss beim Versicherten sein. Oder war der Vertrag rechtlich erst nach der zweiwöchigen Widerrufsfrist verbindlich? Dann hätte er Informationsmaterial und Widerrufsbelehrung „vor“ Vertragsschluss erhalten.
Auch Versicherer könnten sich auf Unwirksamkeit berufen
Der Anwalt des Klägers forderte den BGH-Senat nachdrücklich auf, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg diese Frage klären zu lassen. Der zuständige BGH-Senat sah aber keinen Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen EU- Recht. Der Vertrag sei erst mit Ablauf der Widerrufsfrist zustande gekommen, der Kunde habe davor alle Unterlagen in Händen gehabt. Im Übrigen habe er sich widersprüchlich und treuwidrig verhalten, indem er auf Widerruf verzichtete, über Jahre Prämien zahlte und sich dann viel später auf Unwirksamkeit berief und Rückzahlung verlangte.
Der BGH verwies aber auch auf die Probleme, die viele Versicherte bei Ungültigkeit aller Alt-Verträge hätten. Denn auch die Versicherungen könnten sich dann noch nach Jahren auf Unwirksamkeit berufen, Kunden die eingezahlten Beiträge zurückzahlen, aber deren Gewinnanteile behalten. Die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen nannte solch ein Ergebnis „problematisch“. (Aktenzeichen Bundesgerichtshof IV ZR 73/13)
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