Neue Strategie für den Schienenkonzern: Bahn-Chef Grube greift an
Die Bahn will kundenfreundlicher und effizienter werden – und stellt sich auf langsameres Wachstum ein.
Das Zahlenwissen von Rüdiger Grube ist legendär. Auch am Donnerstag ließ es der Bahn-Chef bei der Präsentation der Geschäftszahlen für das vergangene Jahr aufblitzen. „Bei uns stimmt’s im Kopf“, sagte der 63-Jährige, der den Schienenkonzern seit sechs Jahren führt. „Wir wollen gewinnen.“
Gemeint war damit freilich weniger das Zahlenwerk – 39,7 Milliarden Euro Umsatz, 988 Millionen Euro Gewinn, 2,03 Milliarden Zugreisende in zwölf Monaten –, sondern eine strategische Neuausrichtung der Bahn. Gewonnen hat der Vorstand 2014 vor allem die Erkenntnis, dass die Bahn ihre Kunden nicht aus dem Blick verlieren darf. Zwar stieg die Zahl der Zugreisenden um 14 Millionen, wie Grube berichtete. Doch die Ansprüche der Reisenden sind gewachsen und der Wettbewerb ist härter geworden: Fernbusse erschließen mit kostengünstigen Angeboten die Republik, Bahnkunden steigen im Fernverkehr auf den Bus um, Bahn-Tickets sind im Vergleich deutlich teurer. Finanzchef Richard Lutz spricht von der „veränderten Preiswahrnehmung unserer Kunden“.
Billiges Benzin macht Autofahren attraktiver
Nach wie vor sei der Wettbewerber Nummer eins das Auto, fügte Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg hinzu. Die stark gesunkenen Benzinpreise verstärkten diesen Trend. „Das schlägt direkt auf die Nachfrage durch.“ Am Mittwoch hatte Homburg die neue Strategie im Fernverkehr vorgestellt, die mehr und modernere Züge vorsieht, ein größeres Streckennetz, kürzere Taktzeiten, attraktivere Preise. In den ersten Monaten des laufenden Jahres sei der Fernverkehr wieder gewachsen, sagte Homburg, wenn auch nicht zu zufriedenstellenden Preisen.
Doch es sind nicht nur Fernbusse und Benzinpreise, die die Bahn umtreiben. Hinzu kommt die Digitalisierung aller Geschäftsfelder, die den Konzern „vor den größten Umbruch seit der Bahnreform von 1994“ stellt, wie Grube sagte. Und es sind die „materiellen Risiken“, die der Bahn im vergangenen Jahr das Geschäft verdorben haben: Tarifverhandlungen und Unwetter. Allein die Streiks der Lokführer belasteten das Ergebnis mit 166 Millionen Euro. Die Schäden, die das Sturmtief „Ela“ hinterließ, rissen ein Loch von 60 Millionen Euro. Die Schäden, die der anhaltende Tarifkonflikt mit den Gewerkschaften GDL und EVG verursacht, sind nachhaltig. „Allein die Unsicherheit über mögliche Streiks führt dazu, dass verlorene Kunden noch nicht längerfristig mit uns planen wollen“, sagte Finanzvorstand Lutz. Dies gelte vor allem für den Schienengüterverkehr, der ohnehin unter Druck steht. Streikbedingt habe die Bahn „viele Verkehre an die Straße verloren“.
Grube will Treiber und nicht Getriebener sein
Klar ist: Die Bahn muss mit ihren weltweit 310 000 Beschäftigten an vielen Stellschrauben drehen, wenn wahr werden soll, was Rüdiger Grube sich wünscht: Treiber und nicht Getriebener zu sein. Dabei muss ein Spagat gelingen. Einerseits stemmt die Bahn das größte Investitionsvolumen der Unternehmensgeschichte – 35 Milliarden in den kommenden fünf Jahren. Andererseits muss sie schlanker, kostengünstiger, effizienter werden – und dabei den Eigentümer Bund glücklich machen, der 2014 rund 700 Millionen Euro des Gewinns kassierte.
„Allein die Konzernleitung wird in den kommenden fünf Jahren eine Einsparung von 600 Millionen Euro realisieren“, sagte Grube, der zugleich gestiegene Bonuszahlungen an die sechs Vorstände rechtfertigte. Laut Geschäftsbericht haben sie insgesamt – nach gut 6,1 Millionen im Vorjahr – 10,4 Millionen Euro erhalten. Wesentliche Kennzahlen hätten sich verbessert, erklärte Grube dazu.
Die Wachstumsziele werden bescheidener
Bescheidener ist der Vorstand bei den Wachstumszielen geworden. In diesem Jahr will der Staatskonzern die Marken von 41 Milliarden Euro Umsatz und 1,1 Milliarden Euro Gewinn übertreffen. Das war schon 2014 das Ziel, doch die Bahn verfehlte es. „Natürlich hätten wir gern mehr gehabt“, sagte Grube und bekräftigte: „Wir werden angreifen.“ Das langfristige Wachstumsziel korrigierte er allerdings nach unten. Eigentlich sollte der Umsatz bis 2020 auf 70 Milliarden Euro steigen, wovon Zukäufe 14 Milliarden Euro einbringen sollten; das Ziel hatte Grube vor drei Jahren ausgegeben. „Es steht nicht in Abrede, dass sich seit 2012 die Welt gravierend verändert hat“, sagte er. Die neue Vorgabe lautet, bis 2020 mehr als 50 Milliarden Euro zu erreichen und Unternehmen nur zu kaufen, wenn sich finanzieller Spielraum ergibt. „Wir werden keine finanziellen Abenteuer eingehen.“
Die Bahn (DB) „erkennt endlich, dass die Fahrgäste und ihre Bedürfnisse mit verantwortlich sind für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens“, kommentierte Heidi Tischmann vom ökologischen Verkehrsclub VCD die Äußerungen Grubes. André Schwämmlein, Geschäftsführer von MeinFernbus FlixBus sagte: „Wir bedauern, dass Herr Grube uns Fernbusanbieter wiederholt zu Unrecht als Sündenbock dafür missbraucht, dass die DB regelmäßig ihre Wachstumsziele verfehlt.“ Fernbusreisende stiegen vornehmlich nicht um, sondern seien Neukunden im öffentlichen Fernverkehr.