Neuzulassungen und Pkw-Weltmarkt: Autopräsident Wissmann warnt vor „Partylaune“
Die Neuzulassungen im ersten Halbjahr sind gestiegen, der Auto-Export brummt. Dennoch bleibt der deutsche Autoverband ungewöhnlich vorsichtig bei seiner Prognose.
Es sieht gut aus für die deutsche Autoindustrie – auf den ersten Blick. Im ersten Halbjahr stieg die Zahl der Neuzulassungen hierzulande um gut fünf Prozent auf 1,6 Millionen. Im Juni sprang der Markt sogar um 17 Prozent an. Auch die Unternehmen investieren und kaufen Firmenwagen. Der Export brummt, die großen Automärkte – USA, China, Westeuropa – wachsen. „Wir haben unsere globale Präsenz weiter gefestigt“, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA, am Donnerstag in Berlin. „Wir sind auf allen wichtigen Wachstumsmärkten gut positioniert.“
Doch der zweite Blick offenbart Schwächen und Risiken, die 2015 zu einem eher schwachen Autojahr machen könnten. Das räumt auch Wissmann ein. Der VDA hat die Wachstumsprognose für den Weltautomarkt 2015 halbiert, von zwei auf ein Prozent. „Wir sollten uns nicht in Partylaune begeben“, sagte Wissmann. Der russische Markt ist stärker eingebrochen als erwartet, in Japan und im Mercosur-Raum schrumpfen die Automärkte. Der niedrige Ölpreis, die niedrigen Zinsen – auch diese günstigen Rahmenbedingungen „tragen nicht auf Dauer“, warnte der VDA-Präsident. Zudem stehe angesichts der Griechenlandkrise und des ungewissen Verbleibs Großbritanniens in der EU die Zukunft Europas auf der Tagesordnung.
53 Prozent Marktanteil in Großbritannien
Vor allem die britischen Autokäufer sind für die deutschen Hersteller sehr wichtig: Der Marktanteil deutscher Marken beträgt auf der Insel 53 Prozent, Großbritannien ist das wichtigste Pkw-Exportland der Deutschen. Rund ein Fünftel (820 900 Neuwagen) des Pkw-Exports ging 2014 dorthin. „Großbritannien in der EU zu halten, ist viel wichtiger als Griechenland“, sagte Wissmann. Die Griechen dürften nicht „koste es, was es wolle“ in der Eurozone gehalten werden. Das Land hat nur einen Anteil von 0,3 Prozent an den deutschen Autoexporten. „Das ist kein Markt, der alles verändert, wenn er schlecht bleibt“, sagte Wissmann.
Schwächer, als die nackten Zahlen es ausdrücken, hat sich auch der heimische Automarkt entwickelt. Peter Fuß von der Unternehmensberatung EY sagte, viele Hersteller und Händler lockten nach wie vor mit hohen Rabatten. Privatpersonen hielten sich bei Neuwagenkäufen weiter zurück, führte der Autoexperte aus. Bereinigt um Kalendereffekte – statt 23 Verkaufstage wie im Vorjahr hatte der Juni in diesem Jahr 25 Verkaufstage – sei die Zahl der auf private Halter zugelassenen Pkw im Juni wie auch im ganzen ersten Halbjahr gesunken. Das Plus bei den gewerblichen Zulassungen sei zumindest teilweise „auf die stark gestiegene Zahl sogenannter taktischer Zulassungen“ zurückzuführen, also auf die Eigenzulassungen von Herstellern und Händlern. Diese Autos werden als „junge Gebrauchte“ mit hohem Preisnachlass verkauft. Auch VDA-Präsident Wissmann räumte ein, dass Privatkäufer sich vor allem auf diesem Markt umschauten: „Das ist auch eine Frage des Geldbeutels.“
Große und kleine SUV sind besonders beliebt
Anders beim Trend zum SUV, den besonders beliebten großen und kleinen Geländewagen. Hier verdienen die Hersteller besonders hohe Margen, zum Ärger von Umweltverbänden: „SUV und Klimaschutz: Der Widerspruch kann nicht größer sein“, sagte Andreas Hagenkötter, Mitglied im Bundesvorstand des ökologischen Verkehrsclubs VCD. „Die Autoindustrie muss endlich begreifen, dass sich mit Spritfressern keine Klimaschutzziele erreichen lassen.“
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