Auto-Show in Detroit: Groß ist nicht groß genug
Auf der größten Auto-Messe Nordamerikas in Detroit setzen die Autohersteller auf Geländewagen und Spritschlucker. Volkswagen fährt dem Markt hinterher, weil die passenden Modelle fehlen. Das soll sich nun ändern.
Zehn Millionen Autos: Selbst wenn man sie gedanklich in einer Reihe aufstellt, die sich locker um den Erdball winden würde, bekäme man kaum ein Gefühl dafür, wie viel zehn Millionen Fahrzeuge sind. Der Volkswagen-Konzern hat im vergangenen Jahr 10,14 Millionen verkauft – gut 400 000 mehr als 2013. Eine gigantische Zahl und ein Rekord. Dennoch spricht Volkswagen-Chef Martin Winterkorn nur von „einem Etappenziel“. Der Wolfsburger Autobauer hat noch mehr vor: Bis 2018 will er der größte Hersteller der Welt werden, vor Toyota. Viel fehlt nicht mehr. Die Japaner dürften 2014 nur ein paar tausend Fahrzeuge mehr abgesetzt haben als VW.
Dennoch muss Volkswagen für den Weltrekord noch hart arbeiten. Am Montag präsentierte Winterkorn auf der North American International Auto Show in Detroit (bis 25. Januar) ein Auto, das nicht recht ins Bild von der Erfolgsfahrt an die Weltspitze passen will. Denn die VW-Studie Cross Coupé GTE, ein fünfsitziger Geländewagen für den US- Markt, ist ein Symbol für Winterkorns größtes Problem: Auf dem nordamerikanischen Markt, dem nach China wichtigsten der Branche, fährt Volkswagen – gemessen an seiner Größe – seinen kleineren Wettbewerbern hinterher. „Wir stehen vor Herausforderungen auf diesem großen Markt“, sagte Winterkorn. Das ist nicht übertrieben.
Im vergangenen Jahr verkaufte die Marke VW in Nordamerika nur knapp 408 000 Autos – zehn Prozent weniger als im Vorjahr. BMW erzielte hingegen ein Plus von knapp vier Prozent (auf 481 000 Fahrzeuge), Mercedes legte sogar um rund sechs Prozent zu (373 000). Von den „Big Three“ General Motors (GM), Ford und Chrysler zu schweigen, die zusammen mit Toyota 60 Prozent des US-Marktes beherrschen. Volkswagen kommt auf 2,3 Prozent, Konzerntochter Audi auf 1,3 Prozent. „Wir müssen schneller sein – und das werden wir in Zukunft auch“, sagte Volkswagens US-Chef Michael Horn.
Schnell und vor allem groß sollen die Autos werden, mit denen VW bei den Amerikanern punkten will. Seitdem der Benzinpreis fällt – aktuell kostet ein Liter Sprit in den USA knapp 50 Euro-Cent – kaufen die Amerikaner wieder extra- große Geländewagen (SUV), Pick-ups und andere Spritschlucker. Volkswagen spricht denn auch von der größten SUV- Modelloffensive in der Geschichte der Marke. Das Cross Coupé GTE – noch eine Studie, kein serienfertiges Modell – soll voraussichtlich in Chattanooga vom Band rollen. Dort baut VW bereits einen extra für die USA entwickelten Passat.
Ein siebensitziges SUV baut VW von Ende 2016 an
Der GTE soll den als Hoffnungsträger angekündigten Cross Blue mit sieben Sitzen ergänzen, der ebenfalls in Chattanooga gebaut wird – von Ende 2016 an. Viel Zukunftsmusik für einen Markt, der gerade jetzt so stark ist wie noch nie. Und dynamischer als der chinesische Automarkt, der 2015 langsamer wachsen wird. Dort spielte Volkswagen bisher als Marktführer seine Stärken aus. In den USA dürften 2015 fast 17 Millionen Fahrzeuge verkauft werden. „America is back“, schreibt Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Institut der Uni Duisburg-Essen. Und: „Mit Ausnahme von VW sind die deutschen Autobauer in den USA gut aufgestellt.“
Der deutsche Autoverband VDA, der für alle Hersteller und Zulieferer spricht, sieht nach einem Rekordjahr 2014 weiter gute Perspektiven. „Die Zukunftsaussichten für das laufende Jahr und darüber hinaus lassen noch größere Chancen für unsere Industrie erkennen“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann am Montag zum Auftakt der Autoshow. Während politische Risiken andere Weltregionen belasteten, erwiesen sich die USA als Zentrum des Wachstums für die Branche. Zudem sei der niedrige Spritpreis ein „Turbo“ für die gesamte US-Wirtschaft.
Deutsche Pkw haben in den USA einen Marktanteil von 12,4 Prozent
2014 steigerten die deutschen Hersteller ihren US-Absatz insgesamt um zwei Prozent auf das Rekordniveau von knapp 1,4 Millionen Fahrzeuge. Damit blieben sie allerdings hinter dem Markt zurück, der um sechs Prozent zulegte. Im reinen Pkw-Segment (ohne die bei US-Kunden besonders beliebten leichten Nutzfahrzeuge) lag der deutsche Marktanteil bei 12,4 Prozent. 2014 verkauften die deutschen Hersteller allein in diesem Bereich wie im Vorjahr 953 000 Neuwagen.
Für Wissmann ist die Entwicklung der deutschen Autobauer auf dem riesigen Markt eine Erfolgsgeschichte: Sie haben ihren Absatz in den USA seit 2010 um mehr als die Hälfte gesteigert. 2015 traut der VDA dem US-Automarkt ein Plus von rund zwei Prozent auf 16,7 Millionen Neufahrzeuge zu. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2014 gut drei Millionen Neuwagen zugelassen, in China waren es gut 16 Millionen. „Die deutschen Hersteller werden mit dem Markt wachsen“, sagte Wissmann. „Mit Sicherheit wird die deutsche Autoindustrie ihre Präsenz im Autoland USA weiter verstärken.“
Auf den SUV-Trend setzen auch Daimler und BMW. Daimler-Chef Dieter Zetsche kündigte für dieses Jahr vier neue oder überarbeitete Geländewagen an. In Detroit zeigt Daimler den wuchtigen GLE Coupé. BMW stellt die neue 6er Serie vor und Audi den neuen Geländewagen Q7. Alternative Antriebe kommen nur am Rande vor. So will GM vor allem den Branchenpionier Tesla unter Druck setzen. Die Opel-Mutter stellte den Chevrolet Bolt vor, ein Elektroauto für den Massenmarkt mit einer Reichweite von gut 320 Kilometern. GM-Chefin Mary Barra sprach von einem „Elektroauto für jedermann“. mit dpa/rtr