Bundesrat lehnt Verlängerung ab: Aus für die Ferkel-Kastration ohne Betäubung
16 Millionen männliche Ferkel werden jedes Jahr entmannt - ohne Narkose. Ab 2019 ist das verboten. Den Bauern geht das zu schnell.
Das Ferkel ist gerade einmal zwei oder drei Tage alt, da legt der Züchter Hand an. Der Bauer klemmt sich das kleine Tier zwischen die Beine, ritzt mit einem Skalpell zwei Schlitze in die Haut über die Hoden, zieht die Testikel heraus und durchtrennt die Samenleiter. Das Tier quiekt, denn der Eingriff erfolgt bei vollem Bewusstsein. Eine Betäubung gibt es nicht. Das ist legal - noch. Ab dem 1. Januar 2019 sieht die Sache anders aus. Dann darf der Eingriff nur noch unter Betäubung gemacht werden.
Bundesrat lehnt Verschiebung ab
Den Bauern geht das zu schnell. Sie hätten gern eine Verschiebung gehabt. Doch der Bundesrat, in dem sich Bayern für einen Aufschub um fünf Jahre stark gemacht hatte, hat sich am Freitag mehrheitlich dagegen ausgesprochen. Dennoch hoffen die Bauern noch auf einen Ausweg. "Jetzt ist der Bundestag gefordert, schnellstmöglich eine Lösung zu suchen, damit die deutschen Ferkelerzeuger eine Zukunft haben und im europäischen Wettbewerb mithalten können", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Vor allem kleine Betriebe seien überfordert, warnt der Bauernverband. Es sei zu befürchten, "dass viele Betriebe in Deutschland aufgeben müssen".
Seit fünf Jahren steht der Ausstieg fest
Dabei wissen die Landwirte schon seit langem, was auf sie zukommt. 2013, bei der Reform des Tierschutzgesetzes, hatte der Gesetzgeber beschlossen, dass am 1. Januar 2019 Schluss sein muss mit der Kastration ohne Betäubung. Die ist gang und gäbe in deutschen Ferkelzuchtanlagen. 16 Millionen männliche Ferkel werden entmannt, jedes Jahr. Denn Eber sind für die Landwirte ein Problem. Sie bekämpfen sich gegenseitig - vor allem in den engen Ställen der industriellen Tierhaltung. Zudem hat ihr Fleisch oft einen strengen Beigeschmack, der Verbrauchern nicht schmeckt und der sich in den Anlagen der Schlachthöfe festsetzt.
Betäubung wird Pflicht, aber welche?
Mit der Kastration verhindern die Bauern die Hormonentwicklung des Ferkels zum Eber. Sie soll auch weiter erlaubt sein, allerdings nur noch mit Betäubung. Höchstwahrscheinlich läuft das auf eine Vollnarkose hinaus, die dann der Tierarzt machen müsste. Zwischen fünf und 15 Euro pro Ferkel würde das kosten, viele Betriebe können und wollen das Geld nicht aufbringen. Denn sie bekommen vom Mäster, der das Jungtier übernimmt, gerade einmal 45 Euro, stecken aber selbst 40 Euro in die Aufzucht. Für Tierarztkosten ist da keine Luft mehr.
Welche Alternativen es gibt
Neben der Vollnarkose gibt es eine Hormontherapie. Zwei Spritzen - eine vom Züchter, eine vom Mäster - verhindern die Hormonbildung. Das Verfahren ist für die Tiere risikolos, die Bauern lehnen es aber ab. Zu kompliziert sei das Zusammenspiel von Züchter und Mäster, zudem haben die Schweinehalter Angst, dass der Handel ihnen das Fleisch nicht abnimmt. Und die Ebermast - der dritte Weg - ist für sie ebenfalls kein massentauglicher Weg. Stattdessen wollen die Landwirte die Ferkel unter lokaler Betäubung kastrieren, und das wie bisher selber tun.
Ministerin Klöckner will Aufschub
In der Politik stößt dieser Weg bisher auf wenig Sympathie. Dennoch ist Bundesagrarministerin Julia Klöckner insofern auf der Seite der Bauern als auch sie ihnen einen zeitlichen Aufschub gewähren will. Mit dem Beschluss des Gesetzgebers, die betäubungslose Ferkelkastration zu verbieten, sei ein großer Fortschritt für den Tierschutz besiegelt worden, sagte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel. Zu diesem Weg gebe es in der Sache keine Alternative. Allerdings wolle das Ministerium "praktikable Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration finden und realistische Ansätze unterstützen, die gleichzeitig den Strukturwandel in der Sauenhaltung nicht noch weiter beschleunigen", heißt es im Ministerium. "Was im Bundesrat keine Mehrheit gefunden hat, könnte jetzt der Bundestag im Zuge einer Fraktionsinitiative beschließen." Dazu müssten die Abgeordneten in den nächsten Tagen eine politische Entscheidung treffen. Der Tierschutzbund reagierte entsetzt und sprach von einer "Kampfansage" und lobte den Bundesrat. "Alle Anträge, die die Ferkelqual verlängern wollten, haben heute keine Mehrheit erhalten", freute sich der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder.
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