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Abwarten. Am Montag erklärt die GDL, was sie plant – wahrscheinlich wird sie vielerorts den Zugverkehr lahmlegen.
© dpa

Deutsche Bahn und Lokführer: Auf Kurs in Richtung Chaos

Fieberhaft versucht die Bahn, die Folgen eines Streiks zu begrenzen. Bei Güterzügen könnte das klappen – im Personenverkehr kaum.

Die kommende Woche wird ungemütlich für Kunden der Eisenbahn. Wie sehr, entscheidet sich an diesem Wochenende. Da hängen Claus Weselsky, der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, seine Vorstandskollegen sowie die sieben Leiter der Bezirksverbände an der Strippe. Bei einer Telefonkonferenz wollten sie besprechen, wie es im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn weitergeht. Vermutlich werden sie schon die konkrete Strategie für den Ausstand festlegen. Alles andere wäre eine faustdicke Überraschung.

Denn durch die Urabstimmung der rund 16.000 Lokführer fühlt sich die GDL-Führung in ihrem Kurs bestätigt. 91 Prozent der Mitglieder befürworteten einen Arbeitskampf. „Absolut überzeugend“ sei das Ergebnis, freute sich Weselsky. „Die DB provoziert bewusst Arbeitskämpfe, um eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit zu rechtfertigen.“ Streiks seien nun „sehr wahrscheinlich“. An diesem Wochenende sei damit allerdings noch nicht zu rechnen.

Auch bei Tarifeinheit könnte GDL mächtig bleiben

Beim Gespräch der Gewerkschafts-Oberen wird auch ein offener Brief der Bahn auf dem Tisch liegen. Das achtseitige Schreiben von Verhandlungsführer Werner Bayreuther ist der letzte Versuch, einen Streik abzuwenden. Der Kern: Die Bahn sichert der GDL zu, weiterhin für die Lokführer Tarifverträge abschließen zu können, selbst wenn das ein Gesetz zur Tarifeinheit eigentlich verhindern würde. Die Regelung wird gerade im Haus von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ausgearbeitet. Das Ziel: Nur die stärkste Gewerkschaft in einem Unternehmen soll Tarifverträge aushandeln dürfen. Außerdem soll der aktuelle Konflikt ausgesetzt werden, bis das Gesetz unter Dach und Fach ist, samt einer möglichen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Auf Begeisterung stößt die Idee bei der Gewerkschaft  bislang nicht. „Wir wären nicht die GDL, wenn das eine Option wäre“, sagte Frank Nachtigall, Vorsitzender des mächtigen Bezirks Berlin-Sachsen-Brandenburg, dem Tagesspiegel. „Man weiß ja, wie lange solche Prozesse und Verfahren vor dem Verfassungsgericht dauern.“ Auf eine solche Entscheidung könne man nicht jahrelang warten.

Die Bahn will vorbereitet sein

Die GDL ist mit umfangreichen Forderungen in die Verhandlungen gezogen. Die Löhne sollen um fünf Prozent steigen, die Wochenarbeitszeit und die Überstunden reduziert werden. Vor allem aber will die GDL nicht nur für die Lokführer verhandeln, sondern auch für das Zug-Servicepersonal und die Ausbilder. Das Problem: Die Mehrheit dieser Berufsgruppen ist bei der konkurrierenden Bahn-Gewerkschaft EVG organisiert, die von ihrer Macht kein Stück abgeben will. Die Bahn wiederum fürchtet Konflikte in ihren Reihen, wenn es unterschiedliche Tarifverträge gibt – und damit eine unterschiedliche Bezahlung für den gleichen Job.

Der Staatskonzern versucht nun, sich auf einen Streik vorzubereiten. Personal-Vorstand Ulrich Weber kündigte Gespräche mit Beschäftigten an, auch von der EVG, um die Lücken in den Einsatz- und Schichtplänen zu füllen. Man arbeite an einem „Notfahrplan“ und Informationskonzepten für die Fahrgäste, ergänzte ein Bahn-Sprecher. Busse sollen, wo das möglich ist, als Ersatz eingesetzt werden, und Führungskräfte gestrandete Reisende informieren. Pro Tag nutzen rund fünf Millionen Menschen hierzulande die Eisenbahn. Betroffen wären wohl auch die Züge der ODEG in der Hauptstadtregion. Dort streiken die Lokführer zwar nicht. Es könne aber Behinderungen geben, wenn ein DB-Zug die Gleise blockiere, erklärte das Unternehmen.

Zulassung und Streckenkenntnis sind unerlässlich

Die Bahn-Manager machen sich aber keine Illusionen – gegen die Macht der GDL werden sie nicht viel ausrichten können. Das haben die zwei jeweils dreistündigen Warnstreiks in den vergangenen Wochen gezeigt. Jetzt wollen die Lokführer den Druck erhöhen. „Wir werden Härte zeigen durch eine Erhöhung der Streikzeiten“, kündigte Bezirkschef Nachtigall an. Wahrscheinlich sei, dass man sowohl den Güter- als auch den Personenverkehr treffen werde. Nur unbefristete Streiks werde es nicht geben, versicherte er.

Zwar sind rund 5000 Lokführer bei der Deutschen Bahn Beamte. Sie dürfen aber nicht als Streikbrecher eingesetzt werden, wenn zuvor ein angestellter Kollege die Arbeit niedergelegt hat. Auch auf Personal aus dem Ausland wird der Konzern nicht zurückgreifen können, da meist die nötige Zulassung und die Streckenkenntnis fehlt. Andererseits rechnet die Bahn damit, wichtige Güterzüge in jedem Fall auf die Reise schicken zu können. Sie sind, je nach Fracht, in Kategorien zwischen eins und fünf eingeteilt. Priorität haben stets Transporte für Stahlwerke oder für Kraftwerke – sollte dort der Brennstoff ausgehen, wären die Folgekosten enorm. Bislang ist dieses Konzept aufgegangen. „Das hat bislang immer geklappt, selbst beim drei Tage dauernden GDL-Streik im Jahr 2007“, berichtet ein führender Manager stolz.

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