Überwachung wegen Covid-19: Auch in Deutschland überwachen Drohnen die Corona-Maßnahmen
Im Vergleich mit anderen EU-Ländern ist der Einsatz zwar überschaubar. Doch etwa in Düsseldorf fordern Drohnen Passanten auf, die Straße zu verlassen.
„Manchmal greifen Vögel die Drohnen an“, berichtet Didier Lallement, Sprecher der Pariser Polizei. Ansonsten funktioniere der Flugbetrieb störungsfrei. „Drohnen ersetzen keine Polizisten, helfen uns aber, Informationen zu sammeln.“
Die kleinen Fluggeräte kreisen über die Boulevards und Plätze der französischen Metropole und anderer Städte wie Nizza, auch um die Ausgangsbeschränkungen zu überwachen. „Achten Sie auf den Sicherheitsabstand“ oder „Verlassen Sie das Haus nur, wenn es absolut nötig ist“, lauten die Lautsprecher-Botschaften.
Die französische Polizei ist nicht allein. Auch Italien, Großbritannien, Belgien, Spanien und andere EU-Länder setzen Drohnen in der Coronakrise ein, ebenso wie beispielsweise Indien, Indonesien, Malaysia, die Vereinigten Arabischen Emirate und natürlich China.
Videos aus der Volksrepublik, in denen Drohnen Passanten auffordern, nach Hause zu gehen oder Masken zu tragen, wurden noch im Februar zum Internet-Hit. Heute gibt es solche Aufnahmen aus der halben Welt.
Drohen mit Desinfektionsmittel
Je nach Ausstattung der Drohne überfliegen diese Straßen und Plätze und senden Bilder an die Polizei, die diese dann auswertet – teils automatisiert mit einer KI oder manuell. Lautsprecher, oft nachträglich angebaut, können zudem Ansagen machen und etwa über die Ausgangsbeschränkungen informieren.
Das Video aus China hatte auch deshalb für Aufmerksamkeit gesorgt, weil der Drohnen-Pilot offenbar gezielt einzelne Menschen ansprach. Zumeist sind die Durchsagen aber automatisiert und ertönen in Dauerschleife. Einige Exemplare sind zudem mit Sprinklern ausgestattet und können Desinfektionsmittel versprühen. Das zeigen etwa Aufnahmen aus indischen Slums.
Auch in Deutschland fliegen Drohnen
Der Einsatz der Technologie polarisiert. In Großbritannien wurde die Polizei in den vergangenen Tagen für den Umgang mit den Drohnen-Bildern scharf kritisiert. So wurden Aufnahmen veröffentlicht, die Spaziergänger zeigen und mit dem Hinweis „not essential“ markiert waren – eine Art digitaler Lockdown-Pranger. Wer sich öfter bei „nicht notwendigen“ Ausflügen erwischen lässt, muss bis zu 1000 Pfund Strafe zahlen, warnt die Polizei.
In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit, eine Drohne im Corona-Einsatz zu sichten, äußerst gering. Erste Bundesländer testen die Technologie aber. In Nordrhein-Westfalen setzt die Polizei in Dortmund und Düsseldorf ihre Drohnen ein – „auch zur Information über die Gesundheitsgefahren bei Nichteinhalten des Kontaktverbots“, wie ein Sprecher des Innenministeriums Tagesspiegel Background bestätigte.
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„Kleinere Personengruppen wurden an beliebten Treffpunkten über in den Drohnen verbaute Lautsprecher zum Verlassen der Plätze aufgefordert“, heißt es weiter. Die Einsatzerfahrung mit den Drohnen sei positiv.
Bayern lässt die Fluggeräte abheben, um die durch die eingeführten Grenzkontrollen entstandenen Staus zu beobachten: „Aktuell sind Drohnen zur Lagebewertung wie in den Rückstaugebieten an den Grenzen als Ergänzung zum Hubschrauber im Einsatz“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. „Lautsprecherdurchsagen werden jedoch nicht mit Drohnen durchgeführt.“
Berlin hat nur zwei Drohnen
Andere Bundesländer planen dagegen aktuell keine Corona-Einsätze in der Luft. „Bei der Durchsetzung der Rechtsverordnung geht es um schnelles, präsentes Handeln. Dies kann vor allem durch physische Bestreifung gewährleistet werden“, heißt es etwa in Baden-Württemberg. So ähnlich klingt das in Berlin: „Kontrollen der Eindämmungsmaßnahmen erfolgen stets im persönlichen Gespräch durch die eingesetzten Dienstkräfte der Polizei.“ Diese hat aktuell allerdings ohnehin nur zwei Drohnen zur Verfügung - insgesamt. Auch Hamburg, eigentlich ein Vorreiter bei innerstädtischen Drohnenflügen, winkt ab. Ein Corona-Einsatz werde nicht erwogen, heißt es aus der Innenbehörde.
Besonders in Asien übernehmen Transport-Drohnen in der Coronakrise zudem Lieferungen – etwa von Medikamenten, so dass ältere Menschen sich nicht auf den Weg zur Apotheke machen müssen. Auch Krankenhäuser werden in China teilweise so versorgt: Drohnen sind oft schneller als Lieferwagen.
„Der Transport von Schnelltests und vielen anderen medizinischen Produkten wäre ebenfalls denkbar. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielschichtig und könnten für Millionen Menschen große Erleichterung schaffen und Leben retten“, sagte Gernot-Rüdiger Engel dem Tagesspiegel Background. Der Rechtsanwalt der Kanzlei Luther ist Mitglied im Drohnenbeirat des Bundesverkehrsministeriums (BMVI).
„Drohnen könnten in dieser Ausnahmesituation Unterstützung zur Lösung der extremen Versorgungsprobleme leisten. Ich denke an Drohnenflüge mit dringend benötigten Bedarfsgütern direkt bis zum Wohnzimmerfenster, ohne dass ein Lieferant Keime in die heimischen vier Wände trägt“, sagt Engel. Doch während die Polizei Drohnen einsetzen darf, ist es für Lieferanten nicht so einfach.
Bei ersten Einsätzen von Drohnen im Gesundheitssektor habe sich gezeigt, dass das „gerade im urbanen Raum auf rechtliche Hürden stößt und der regulatorische Rahmen in Deutschland häufig noch enger ist, als die EU-Vorschriften für Drohnen es erfordern“, sagt Cornelia Yzer, bei Luther für Health Care zuständig. Daran ändere selbst ein Katastrophenfall nur wenig.
Felix Wadewitz