Zwischen Wut und Hoffnung: Amtsgericht stoppt Prokon-Gründer Rodbertus
T-Shirt, Jeans und Zigarillo - bei der Gläubigerversammlung hat Ex-Prokon-Chef Rodbertus einen bizarren Auftritt. Gleich zu Beginn der Veranstaltung erlebt er eine herbe Niederlage.
Die Nachrichten-„Bombe“ platzt kurz vor Beginn der Gläubigerversammlung des insolventen Windkraftunternehmens Prokon: Mit einer Handbewegung weist Firmengründer Carsten Rodbertus – er trägt ein orangefarbenes Prokon-T-Shirt, Blue Jeans, braune Sandalen und raucht ein Zigarillo – auf drei Anwälte: „Da spielt jetzt die Musik.“ Die Anwälte berichten, die zuständige Rechtspflegerin vom Amtsgericht Itzehoe habe gerade die Vertretung von 15.000 Genussrechte-Inhabern verworfen und deren Stimmrechte auf Null gesetzt.
Für Rodbertus ist dies eine herbe Niederlage. Denn die 15.000 Vertretungsvollmachten hat – so die Auffassung der Rechtspflegerin – ein Strohmann für ihn gesammelt. Und das bedeute einen Interessenkollision. „Rodbertus ist Geschäftsführungsorgan und darf nicht Gläubiger im Insolvenzverfahren vertreten“, sagt Rechtsanwalt Daniel Vos von der Kanzlei Göddecke in Siegburg, die einige Gläubiger vertritt.
Rodbertus wehrte sich gegen den Sanierungskurs
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ergänzt, Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin prüfe Schadenersatzansprüche gegen Rodbertus wegen Pflichtverletzungen. „Die von dem Geschäftsführer zu verantwortenden Schäden könnten in hunderten Millionen Euro zu messen sein.“ Rodbertus habe damit ein überragendes finanzielles Interesse daran, das Insolvenzverfahren selbst zu beherrschen.
Doch das ist ihm nun nicht mehr möglich. Stattdessen bestätigt die Gläubigerversammlung den Kurs von Insolvenzverwalter Penzlin. Er soll den Sanierungsplan nun weiter ausarbeiten. Auch der vorläufige Gläubigerausschuss ist mit 96,2 Prozent bestätigt. Mit diesem Abstimmungsergebnis habe Prokon „wieder eine echte Chance“, sagt DSW-Vizepräsident Klaus Nieding.
Rodbertus hatte einen anderen Sanierungskurs als den von Penzlin vorgeschlagenen durchsetzen wollen. „Sie wollen Prokon fit für den börsennotierten Kapitalmarkt machen, was jedoch nie Philosophie von Prokon war“, kritisierte Rodbertus kürzlich. Dem Insolvenzverwalter warf er vor, ihn von Anfang als Feindbild öffentlich projiziert und eine Schlammschlacht eröffnet zu haben.
Aus ganz Deutschland sind die Gläubiger angereist
Etwa hundert Menschen warten schon am Dienstagmorgen, ehe sich um acht Uhr die Tore für eine der größten Gläubigerversammlungen der deutschen Wirtschaftsgeschichte öffnen. Bis zum Versammlungsbeginn, drei Stunden später, strömen Tausende aufs Messegelände. Das Amtsgericht Itzehoe hat 13.000 Stühle aufstellen lassen – schließlich hat Prokon 75.000 Gläubiger. Sicherheitsbeamte kontrollieren die Menschen, tasten sie ab wie am Flughafen. An 90 Schaltern melden sich die Gläubiger an, Justizbeamte aus Schleswig-Holstein und Hamburg sind im Einsatz, die Straße vor dem Messegelände ist abgesperrt.
Aus ganz Deutschland sind Gläubiger gekommen, viele im Rentenalter, die Erspartes für den Lebensabend gut anlegen wollten. Anwälte und Bankenvertreter fallen mit ihren feinen dunklen Anzügen in der Masse der Freizeithemden-, Jeans- und Sandalenträger auf. 14 Stunden ist Josef Stahl (67) aus Gottmadingen im Kreis Konstanz angereist, um sich zu informieren. Er zeigt wie andere gewissen Fatalismus; denn die Wut ist schon längst verraucht. „Das wäre für mich eine gewisse Altersvorsorge gewesen, aber das ist in die Hose gegangen.“
Die Umwelt schützen bei acht Prozent Rendite
Viele Anleger wollten sich am Ausbau erneuerbarer Energien beteiligen und zugleich Zinsen von bis zu acht Prozent kassieren. Das Geschäft mit dem subventionierten Ökostrom schien sicher. Viele loben auf dem Messegelände Rodbertus’ Idee, halten ihn für authentisch – aber auch für einen Mann, der nicht wirtschaften kann. „Der hat ja keine Buchführung gehabt“, sagt eine 54-jährige Ex-Bankerin aus Hamburg, die ihre Abfindung in Prokon investiert hat.
Unisono ist der Wunsch zu hören, dass Prokon weitergeführt wird. Penzlin hatte bereits in Aussicht gestellt, dass Gläubiger 30 bis 60 Prozent ihres Geldes zurückbekommen könnten. „Das wäre sehr viel, denn im Durchschnitt fließen bei Insolvenzen in Deutschland nur drei bis fünf Prozent zurück“, erklärt ein Experte. Die Gläubigerversammlung dauerte zum Redaktionsschluss noch an. dpa
A. Kipp, M. Hoenig
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