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Auch in Berlin zu Hause: Die Moabiter Schlange ist eines der Vonovia-Objekte in der Hauptstadt.
© Sophia Kembowski/dpa

Deutschlands größter Wohnungskonzern: Am Ende zahlen die Mieter

Der Immobilienkonzern Vonovia rechnet sich reich, kritisiert die Linke. Am Freitag lädt die Kanzlerin zum Wohngipfel.

Wohnungsnot ist im hessischen Wahlkampf das große Thema der SPD. Auch die CSU umwarb beim Parteitag am Wochenende die durch Mieterhöhungen etwa in München verunsicherte Mittelschicht mit landeseigenen Geldspritzen, die Bayern "on top" zum Baukindergeld des Bundes zahlen will. Mit dem "Wohngipfel" am Freitag leistet Angela Merkel Schützenhilfe von ganz oben. Eine "offensichtliche Show-Veranstaltung" nennt Caren Lay das – und die Linken-Politikerin wollte am Montag am Beispiel der Firma Vonovia aufzeigen, warum der Wohnungsmarkt den Mietern so an die Substanz geht.

Dazu hatte die Bundestagsfraktion der Linken dem Wirtschaftswissenschaftler Heinz-J. Bontrup den Auftrag erteilt, die Geschäfte des börsennotierten Wohnungskonzerns zu durchleuchten. Das Ergebnis der Expertise: Der Konzern mit Sitz in Bochum ist in Wahrheit ein "Finanzinvestor". Die Immobilien sind nur Beiwerk. Im Kern gehe es um die Rendite und die lasse sich durch Aufwertungen in der Bilanz hochtreiben. Dabei komme den Finanzjongleuren das wohlwollende deutsche Mietrecht entgegen - einen "politischen Skandal" nennt das Bontrup.

Denn die hemmungslose Erhöhung der "Buchwerte" von Wohnhäusern bei der Vonovia ist im deutschen Aktienrecht gar nicht vorgesehen, sondern nur im europäischen. Die so bilanzierten Firmen rechnen sich gleichsam reich. Doch wegen ihrer hohen Verschuldung sind sie Bontrup zufolge extrem anfällig für Konjunkturschwankungen. Stark steigende Zinsen könnten sie in ihrer "Substanz" gefährden. Dasselbe gilt für einen Rückgang der Wohnungsnachfrage.

Beides ist noch nicht wirklich absehbar und deshalb verdient die Vonovia kräftig: rund 14 Milliarden Euro zwischen 2012 und 2017. Der Bund sei der "größte Profiteur", weil er Gewerbesteuern in Höhe von vier Milliarden Euro bekomme. Bontrup kritisiert das. Die sprudelnden Steuereinnahmen durch die blühende Immobilienwirtschaft erklären aber auch, dass sich der starke Wirtschaftsflügel der CDU entschieden gegen Eingriffe ausspricht. Die Senkung der Modernisierungsumlage auf die Miete von elf auf acht Prozent, trotzte die SPD ihrem Koalitionspartner ab. Aber das ist aus Sicht der Linken und Mieterschützern viel zu wenig. Zumal die Modernisierungsumlage das wichtigste Werkzeug zur Aufwertung von finanzgetriebenen Konzernen wie Vonovia ist. Deshalb führten diese notfalls auch "unsinnige" Modernisierungen durch, wenn es der Aufwertung dient.Dagegen investierten sie nur enig in Sanierung und Erhaltung von Wohnungen, weil das eben nicht den bilanziellen "Wert" der Wohnungen erhöht.

Das würde die vielen Beschwerden von Mietern des Konzerns erklären, die in Lays Bundestagsbüro landen: auf der einen Seite "aggressive" Mieterhöhungen, wenn modernisiert wird, was viele zwingt auszuziehen. Oder eben schlechter Service und hinausgezögerte Instandhaltungsmaßnahmen in jenem Teil des Bestands, der erst runtergewohnt werden muss, bis er modernisierungsreif ist.

Die Vonovia weist das zurück: "Kurzfristige Wertsteigerung ist nicht unser Ziel", sagt ein Sprecher. Modernisierungen dienten dazu, den Bestand langfristig auf aktuellen Standard zu bringen durch sinnvolle Maßnahmen. "In der Regel liegen wir bei unter acht Prozent bei der Umlage auf die Mieten". Im Übrigen sei die Vonovia kein Finanzinvestor sondern ein Immobilienunternehmen, was an etwa 10000 Beschäftigten ersichtlich sei, auch Handwerker und Objektbetreuer.

"Die modernisieren sich reich auf Kosten der Mieter", sagt dagegen Katalin Genburg von der Linken-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. "Das grenzt doch schon fast an Wirtschaftskriminalität", sagt sie und es schwingt Klassenkampf mit, nachdem Bontrup das krasse Missverhältnis zwischen den schlecht bezahlten Vonovia-Mitarbeitern und dem Sechs-Millionen-Euro-Salär des Vorstands aufspießt. Wobei der Ökonom den Skandal eher darin sieht, dass in Deutschland solche wackeligen Bewertungstricks von Firmen zulässig sind. So oder so: Für die Linke ist klar, dass Wohnen "ein Grundrecht" ist und keine Ware zur Erzielung von Renditen. Deshalb müsse der Handel von Wohnungen an der Börse verboten werden. Die Modernisierungsumlage müsse stärker gesenkt oder besser noch abgeschafft werden muss. Auch alle anderen Ausnahmeregelungen gehörten aus der Mietpreisbremse gestrichen und die Mieten grundsätzlich "gedeckelt".

Und Merkels Einladung zum Wohngipfel? Die Opposition muss draußen bleiben. Christina Deckwirth von Lobby-Control sagt dazu: "Das ist eher ein Immobiliengipfel als ein Wohngipfel". Auf der Gästeliste, die dem Tagesspiegel vorliegt, ist die Immobilienwirtschaft tatsächlich klar in der Mehrheit. Die Linke macht deshalb ihre eigene Veranstaltung: den "Alternativen Wohngipfel" samt Demonstration vor dem Kanzleramt am Freitag. Gut möglich, dass sich auch die Klimaschützer und Anbieter von Öko-Technologien dazu gesellen. Denn auch sie ärgern sich, dass sie übergangen wurden: Deutsche Umwelthilfe, die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz, der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle, der Bundesverband Wärmepumpe und der Verband für Wärmelieferung kritisieren, dass die Bundesregierung die Energiewende und Klimaschutzziele im Gebäudesektor vernachlässigt.

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