Neues Urteil: Für Klimasanierungen zahlt meist der Mieter
Der Mieterbund greift die Modernisierungspraxis des Wohnungskonzerns Vonovia und den Bund an. Finanzieren sozial Schwache wirklich die Klimawende?
So geht das: Renditen von knapp acht Prozent anpeilen durch die Bewirtschaftung und Modernisierung heruntergekommener Mietshäuser – ganz legal und vom Gesetzgeber belohnt. Dabei gilt: Je stärker die Immobilien abgewohnt sind, desto größer sind die Chancen auf satte Gewinne. Denn erstens zahlen die Bewohner die Zeche durch satte Mieterhöhungen. Und zweitens belohnen die Bilanzierungsregeln die Modernisierung, weil der Wert des Objekts anschließend kräftig erhöht werden darf – und das steigert wiederum den Gewinn der Firma.
Das sei die wirtschaftliche Logik hinter dem Geschachere mit Mietwohnungen in Deutschland, sagt der Wirtschaftsprofessor Stefan Kofner. Beauftragt mit der Untersuchung hatte ihn der Deutsche Mieterbund, um weitere Argumente für seine politische Forderung zu sammeln, die Umlage der Kosten für Modernisierungen auf Mieter von derzeit elf auf vier Prozent zu senken. Eine Kappung auf acht Prozent hatte Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt, zu wenig für Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Schon wegen der sozialen Unwucht der Regelung: Denn es seien die Ärmsten, die mit ihrer Miete den Preis fürs Erreichen der Klimaziele bezahlten. Das zeigten die Mietervertreter am Beispiel der Vonovia: Der Konzern hatte viele öffentliche und preiswerte Wohnungsbestände erworben, saniere diese nun mit Hochdruck, um sie dann teurer vermieten zu können.
Mieterhöhungen bei Sanierungen sind äußerst rentabel
„Wir sind nicht gegen energetische Sanierung, stellen aber eine Praxis infrage, die es den einen erlaubt, eine goldene Nase auf Kosten der anderen zu verdienen“, so Ropertz. Vonovia sei Deutschlands größter Vermieter und die Strategie des Primus stehe stellvertretend für die Branche. Wobei: Das Tempo, mit dem der Konzern „in kürzester Zeit seinen Bestand durchmodernisiert, stellt alles in den Schatten“. Innerhalb von zwei Jahren habe Vonovia die jährlichen Investitionen verdoppelt von 355 auf 788 Millionen Euro. Ziel sei es, rund 60 Prozent aller Wohnungen zu modernisieren. Vonovia-Sprecherin Nina Henckel sprach auf Anfrage von einer „Modernisierungsquote von fünf Prozent des Bestandes im Jahr“, politisch gefordert seien drei, nicht zuletzt um die Klimaziele zu erreichen.
Für Vonovia-Kunden, so die Mietervertreter, sei das eine schlechte Nachricht. Nach den Arbeiten zahlten die Mieter zwar weniger für die Wärme. Doch drei Mal höher als diese Einsparung sei der Aufschlag auf die Miete – „in Einzelfällen liegt das Verhältnis bei eins zu 10“. Bei Vonovia hieß es, rechnerisch würden 40 Cent pro Quadratmeter eingespart je Modernisierung – bei Umlagen von durchschnittlich 1,65 Euro. Allerdings erhöhten die Maßnahmen auch den Wohnwert. Ohnehin rechnet sich die Modernisierung für den Konzern glänzend: Um „150 Millionen Euro“ seien die Wohnungen im vergangenen Jahr im Wert gestiegen, so der Forscher. Von den „drei Mieterhöhungskanälen“ – Erhöhungen von Bestandsmieten, Erhöhungen bei Mieterwechsel und eben Sanierungen, seien Letztere die am besten planbaren und im Zeitalter der Niedrigzinsen von weniger als einem Prozent überaus rentabel.
Anbau von Balkonen ist besonders beliebt
Deshalb, so erklärten die Mieterschützer, investierten die Konzerne wenig in die Instandhaltung und dafür maximal in Modernisierungen, weil sie nur Modernisierungen auf die Miete umlegen könnten. Das Ergebnis: ein „unfassbares Tempo bei den Mietsteigerungen im Durchschnitt des Vonovia-Bestands um vier Prozent – weit oberhalb der Inflation“, so der Wirtschaftsprofessor. Bezahlen müssten das allein die Mieter – und zwar lebenslang. Denn die Investition wird nicht nur so lange auf die Miete umgelegt, bis das Geld „zurückgezahlt“ ist durch die Zusatzeinnahmen, sondern sie wird „nie wieder rückgängig gemacht“. Dagegen sagt Vonovia-Sprecherin Henkel: „Wir sparen nicht an Instandhaltung.“ 350 Millionen Euro habe der Konzern dafür 2017 eingesetzt, für energetische Modernisierung und Wohnwertverbesserung 500 Millionen, davon wiederum knapp die Hälfte Instandhaltung.
Die Mieterschützer zeigten ferner, warum in der Immobilienbranche der Anbau von Balkonen so beliebt ist: Diese zahlen sich doppelt aus, weil sie die Fläche der Wohnung erhöhen, was einen Mietaufschlag rechtfertigt. Hinzu kommt ein zweiter Aufschlag, weil der Balkon den Wohnwert erhöht.
Dass Modernisierungen eine Strategie zur Verdrängung von Mietern mit langjährigen, günstigen Verträgen sein können, beklagt auch der Berliner Mieterverein. Nach der Großdemonstration gegen „Mietenwucher“ hatte der Senat eine Bundesratsinitiative für mehr Mieterschutz gestartet. Zu den Forderungen zählt die Kappung der Umlage für Modernisierung auf vier Prozent und die zeitliche Begrenzung dieses Mietaufschlags bis zur Rückzahlung der Investition.
Verschärfung des Mietrechts kommt nicht infrage
Im Bund ist Widerstand sicher: Der Mietrechtsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Jan-Marco Luczak, weist den Vorstoß zurück: Der „Koalitionsvertrag hat Gültigkeit“, eine Verschärfung des Mietrechts komme nicht infrage. Im Koalitionsvertrag vereinbarten CDU/CSU und SPD nur eine geringfügige Kappung der Sanierungsumlage von elf auf acht Prozent.
Dass Mieterschutz bei geplanten Modernisierungen auch ohne Hilfe des Bundes möglich ist, zeigte sich diese Woche im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Dessen Bezirksstadtrat für Bauen, Florian Schmidt (Grüne), vereinbarte mit Berlins größtem Vermieter, der börsennotierten Deutsche Wohnen, eine Begrenzung der Modernisierungsumlage „auf maximal 1,79 Euro je Quadratmeter“, ganz unabhängig von Umfang und Art der Arbeiten. Mieter, die trotzdem durch die begrenzte Umlage mehr als 30 Prozent ihres Haushaltseinkommen für Miete bezahlen müssten, können sich auf soziale Härte berufen, um den überschüssigen Betrag nicht zahlen zu müssen.
Schmidt zufolge ist es „die dritte Vereinbarung in Folge mit der Deutschen Wohnen“. So seien Mieter von 2684 Wohnungen vor drastischen Mieterhöhungen geschützt worden, 1585 in der Otto-Suhr-Siedlung und 1099 in der Spring-Siedlung. Dabei handle es sich um 1,8 Prozent aller Wohnungen im Bezirk. Und die Beispiele zeigten, dass das Gesetz zum Schutz von Milieus in Gebieten mit besonders großer Wohnungsnot für die Politik ein gutes Werkzeug zum Schutz sozial schwacher Mieter sei.
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