Berufsverbot als Dauerzustand: Altmaiers Corona-Politik? Ludwig Erhard dreht sich im Grabe um
Der Minister will per Beschwichtigungsgipfel die Empörungswelle brechen. Doch im Amt ist er nur noch, weil Merkel einen ihrer Gegner stoppen will. Ein Kommentar.
Peter Altmaier ist ein umgänglicher und freundlicher Mann mit Humor. Er stuft sich als „geländegängig“ ein, wenn es um die Anforderungen im Amt geht. Das klingt nach Anpacken und Lösungskompetenz. Ob Altmaier ein guter Wirtschaftsminister ist, beantworten an diesem Dienstag 40 Verbandsvertreter.
Deren Reaktionen auf die jüngsten Lockdown-Beschlüsse der Ministerpräsidentenrunde lassen nichts Gutes ahnen: Verzweiflung und Verbitterung prägen immer größere Bereiche der Wirtschaft.
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Altmaiers Gäste werden ihren Groll abladen und sich wieder einmal seine Hilfszusagen anhören. Das ist der Zweck des Beschwichtigungsgipfels: die Empörungswelle brechen. Altmaier ist auch deshalb noch im Amt, weil Angela Merkel ihren langjährigen, treuen „Alleskönner“ braucht, um Friedrich Merz als Wirtschaftsminister zu verhindern.
Die Notwendigkeit von Corona-Schutzmaßnahmen stellen selbst die am stärksten Betroffenen nicht infrage. Um das Berufsverbot zu überstehen, bedarf es staatlicher Hilfe. Und einer Perspektive. Im vierten Lockdown-Monat ist jedoch nicht erkennbar, was im fünften möglich sein könnte.
Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie
Der Durchhaltewille im Einzelhandel, im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Reisebranche und der Kreativwirtschaft schwindet langsam.
Und Ludwig Erhard dreht sich im Grabe um. Ein paar Lehrsätze des Wirtschaftswunderministers hätten im Ministerbüro für den Nachfolger aufgehängt werden sollen. Zum Beispiel: Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie. Wenn Unternehmen investieren oder Verbraucher konsumieren, hängt das auch von der Stimmung ab.
Dazu ist Planungssicherheit wichtig: Größere Ausgaben tätigen sich leichter, wenn es eine Vorstellung von der Zukunft gibt. An der Stimmung zu arbeiten, ist Aufgabe von Wirtschaftspolitik.
Stattdessen drücken Politiker auf die Stimmung, wenn sie noch vor der Fastenzeit Schlagzeilen produzieren über die Unmöglichkeit eines Osterurlaubs und das Berufsverbot quasi als Dauerzustand ausrufen. Angesichts solcher Plappereien wäre auch Erhard machtlos.
Verständnis und Mitgefühl vermissen in diesen Wochen Hunderttausende Unternehmen und Soloselbstständige. Die Maschine Merkel spult ihr Programm runter und vermittelt den Eindruck, als seien vier oder fünf oder mehr Monate Lockdown unvermeidlich. Das wiederum macht ganze Branchen fassungslos und lässt Betriebe aufgeben. Trotz der Bazooka, die Finanzminister Olaf Scholz mit Hilfsmilliarden geladen haben will.
Verzögerte Novemberhilfe zeigt Organisationsversagen
Das war nicht nur Propaganda. Bis jetzt sind 80 Milliarden Euro durch Bund und Länder bewilligt worden. Hinzu kommen fast 25 Milliarden Euro Kurzarbeitergeld. Die reguläre Auszahlung der Novemberhilfe läuft jedoch erst seit Mitte Januar und ist damit das berüchtigtste Beispiel für ein Organisationsversagen, das nicht nur Oppositionspolitiker dem Wirtschaftsministerium vorwerfen.
Manches, was gut gemeint war, wird nicht gut gemacht. Das Konjunkturpaket zum Beispiel: Im Juni legte die große Koalition zwei Milliarden Euro für Modernisierungs- und Qualifizierungsprojekte in der Autoindustrie ins Paket. Im November hieß es im Hause Altmaier, die Förderrichtlinie würde „demnächst“ veröffentlicht.
Aktueller Stand: „Demnächst“ kommt die Richtlinie. Demnächst klappt es dann vielleicht auch mit einer Politik, die Selbstständigen und Unternehmen Zuversicht vermittelt.