Kommentar zur IG Metall: Alles Gute kommt von unten
Paradigmenwechsel der IG Metall: Anstelle eines flächendeckenden Branchentarifs sollen Vereinbarungen in den Betrieben getroffen werden.
Niemand kann Tarifpolitik so gut wie Jörg Hofmann. Manchmal ist er zu gut. Zum Beispiel vor zwei Jahren, als der Chef der IG Metall ein Wahlrecht für bestimmte Beschäftigtengruppen durchsetzte: Zeit oder Geld. Am Ende mussten die Arbeitgeber einen kompliziertem Tarifvertrag unterschreiben, den der Personalchef einer mittelständischen Gießerei im Remstal ohne juristischen Beistand nicht versteht. Und teuer war er auch. Im vergangenen Jahr und damit mitten in der Rezession der deutschen Metallindustrie bekamen die Beschäftigen noch gut vier Prozent mehr Geld auf Grundlage des Vertrags aus dem Frühjahr 2018. Viele Arbeitgeber stöhnen heute noch. Und es ist keineswegs ausgemacht, dass sie in ein paar Monaten wohlwollender auf das Wirken der Tarifpartner schauen werden.
Bescheidenheit für Arbeitsplatzsicherheit
Jörg Hofmann versucht jetzt die Rolle rückwärts und gibt die bewährte Methodik auf. Bislang verhandelt die IG Metall in einem Gewerkschaftsbezirk mit vielen Mitgliedern, also Baden-Württemberg, NRW oder Bayern, einen Pilotabschluss, der dann im Rest der Republik übernommen wird. In diesem Jahr dagegen soll es unter dem Dach eines flächendeckenden Tarifs "betriebliche Zukunftstarifverträge" geben mit folgender Gleichung: Betriebsräte und IG Metall halten sich zurück mit Einkommensforderungen, dafür verzichten die Arbeitgeber auf Kündigungen und investieren kräftig in die Zukunft der Betriebe und der Beschäftigten. Das klingt gut. Aber wie soll das "Moratorium", wie Hofmann seine Idee nennt, funktionieren?
Flächentarif stößt an Grenzen
"Betrieblicher Frieden und eine möglichst lange und verlässliche Planungssicherheit, das sind die beiden Assets, die Unternehmen eine freiwillige Mitgliedschaft in einem Tarifträgerverband eingehen lassen." Sagt Arndt Kirchhoff, Autozulieferer aus Westfalen, Arbeitgeberfunktionär und bevorzugter Tarifpartner der IG Metall, weil er nicht mit ideologischen Scheuklappen rumläuft. Die Arbeitgeber fordern seit Jahren mehr tarifpolitische Spielräume für die Betriebe, weil die Spannweite der ökonomischen Verfassung der Unternehmen immer größer wird. Gleichzeitig sollte es unter keinen Umständen eine Verlängerung des Tarifkonflikts auf die betriebliche Ebene geben. Eine Tariferhöhung für Tausende Betriebe, für den starken ebenso wie für den schwachen, ist ein Systemproblem des Flächentarifvertrags, das man aus Sicht der Arbeitgeber am besten mit niedrigen Tarifabschlüssen in den Griff bekommt. Die gut verdienenden Betriebe können ja dann freiwillig draufzahlen.
Weiterbildung ist entscheidend
Das passiert auch, und wird dennoch der Wirklichkeit nicht gerecht. Die IG Metall und andere Gewerkschaften befassen sich keineswegs nur mit Einkommen, sondern zunehmend mit flexibler Arbeitszeit, betrieblicher Altersvorsorge, Qualifizierung und Weiterbildung. In den Tarifverhandlungen ebenso wie in den Betrieben, wo es ausreichend Gewerkschaftsmitglieder gibt. Weiterbildung ist aus Sicht von Hofmann entscheidend für eine erfolgreiche Transformation der Industrie, die wegen der Gleichzeitigkeit von Digitalisierung und Dekarbonisierung enorme Auswirkung hat auf den Fahrzeug- und Maschinenbau.
Die Hälfte ohne Strategie
Rund die Hälfte der Unternehmen hat nach Aussage der Betriebsräte in der Metallindustrie keine Strategie für den Wandel. Diese Firmen adressiert Hofmann mit seinem Tarifmoratorium 2020 - und wird sie dennoch kaum erreichen. Viel Mittelständler machen, was sie wollen, gehören keinem Arbeitgeberverband an und interessieren sich nicht für Tarifverträge. In den Großbetrieben dagegen, wo die IG Metall stark ist, gibt es bereits Zukunftstarifverträge. Hofmanns Idee muss dennoch nicht ins Leere laufen: Der Druck steigt für Firmen und Verbände, die Unternehmen zukunftsfest zu machen und dabei auf Kündigungen zu verzichten. Dafür wird in die IG Metall für alle Tarifunternehmen die Belastung in diesem Jahr klein halten. Viel mehr als die Inflationsrate von 1,5 Prozent gibt es nicht.
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