IG-Metall-Chef Jörg Hofmann: Blitzgescheit an der Spitze
Jörg Hofmann ist am Dienstag für weitere vier Jahre zum Vorsitzenden der IG Metall gewählt worden. Was kommt jetzt? Ein Kommentar
Ob Jörg Hofmann IG-Metall-Chef kann? „Klar“, lästerte einst Klaus Zwickel, „wenn er Hochdeutsch lernt“. Vier Jahre Hofmann sind vorbei, und jetzt ist der Mann aus dem schwäbischen Remstal für weitere vier Jahre gewählt worden. Nix da mit „Rente mit 63“ – Anfang Dezember wird Hofmann 64 Jahre alt. Ist er der richtige Mann, um die größte deutsche Gewerkschaft durch den überall und ständig thematisierten Transformationsprozess zu führen? Im kommenden Frühling steht wieder eine Tarifrunde an - mitten im Abschwung. Wird die IG Metall da ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung gerecht?
Autogewerkschaft unter Druck
Digitalisierung und Dekarbonisierung verändern die Welt und die Industrie und vor allem die Autobranche und die Autogewerkschaft IG Metall. Hofmann, der auch im Aufsichtsrat von VW sitzt, hat zeitig geworben für saubere Autos, für die Elektromobilität und die damit zusammenhängenden neuen Wertschöpfungsketten inklusive Batteriezellenfertigung und -recycling. Gemeinsam mit Umweltschützern reklamiert der Metaller ein forscheres Handeln der Politik zum Klimaschutz und sendet in die eigenen, 2,3 Millionen Mitglieder umfassenden Reihen: Das E-Auto ist im nächsten Jahrzehnt nicht zu stoppen – obwohl zur Produktion viel weniger Leute gebraucht werden als beim Verbrennungsmotor. Und die Unternehmen fordert er auf, mehr Tempo zu machen bei der Digitalisierung – weil es nur mit den neuen Technologien in die Zukunft geht.
Transformation der Industrie
Hofmann ist nicht nur ein erfahrener und blitzgescheiter Tarifpolitiker, sondern er hat auch ein Verständnis von Wirtschaft und Gesellschaft im nächsten Jahrzehnt. Von wegen Betonkopf. Er ist der Richtige für die Transformation und für eine Tarifpolitik, bei der es nicht allein um Geld geht, sondern auch um Bildung und Qualifizierung. Die IG Metall ist in einem guten Zustand – und wird doch viel Engagement brauche, um im Abschwung nicht viele Mitglieder zu verlieren. Die Industrie ist die Basis des Wohlstands in Deutschland, ohne erfolgreiche Maschinen- und Autobauer wären Mütterrente und gebührenfreie Kitas nicht möglich. Die Industrie war entscheidend für die unglaublich schnelle und fast schmerzfreie Bewältigung der Finanz- und Konjunkturkrise 2008. Damals funktionierte die Sozialpartnerschaft perfekt und das berühmte Modell Deutschland trug die Republik ohne Massenentlassungen durch die Krise: Gewerkschaften, Arbeitgeber und Politik agierten abgestimmt und im Ergebnis unerwartet erfolgreich.
Sozialpartnerschaft in der Krise
Gut zehn Jahre liegt das zurück. Heute gibt es Zweifel, ob die Sozialpartnerschaft noch trägt. Das erbärmlicher Verhalten der Metall-Arbeitgeber, die sich über anderthalb Jahre nicht auf einen Stufenplan zur Angleichung der Arbeitszeit im Osten bis 2031 (!) eingelassen haben und in den unzähligen Verhandlungsrunden die IG Metall auflaufen ließ, lässt nichts Gutes erwarten für das kommende Frühjahr, wenn die Tarifrunde für das ganze Land ansteht. Konfrontation passt aber gerade überhaupt nicht. Um die Menschen in der Transformation mitzunehmen, um Digitalisierung und Klimaschutz so zu gestalten, dass es nur wenige Verlierer gibt, bedarf es demokratischer Prozesse in den Betrieben und Branchen. Dafür braucht es Betriebsräte und Gewerkschaften und Arbeitgeber, die den Wert der Mitbestimmung kennen. Und es bedarf eines IG-Metall-Chefs, der mit seiner Tarifpolitik die Betriebe nicht überfordert, sondern Instrumente entwickelt, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitgeber gewährleistet bleibt und sich die Qualifikation der Arbeitnehmer entwickelt. Jörg Hofmann kann das.
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