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Die Integration der Geflüchteten kommt voran.
© dpa

Deutscher Arbeitsmarkt: Alle acht Minuten entsteht ein neuer Job in Berlin und Brandenburg

Weniger Hartz IV-Empfänger und mehr Jobs - so die Arbeitsmarktbilanz für 2018. Auch Geflüchtete und Langzeitarbeitslose profitieren. Trotzdem gibt es Kritik.

Das vergangene Jahr übertraf sämtliche Erwartungen. Auch im Dezember ist die Zahl der Arbeitslosen auf ein Rekordtief gefallen. Detlef Scheele, Chef der Arbeitsagentur, spricht deswegen von einer sehr guten Entwicklung. „Erfreulich sind besonders der Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit und die Fortschritte bei der Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen.“ Eine Analyse.

Wie viele Menschen haben keine Arbeit?

Rund 2,2 Millionen Menschen hatten im vergangenen Dezember keinen Job, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Freitag in Nürnberg mitteilte. Im Vergleich zum Vormonat waren das rund 23000 mehr. Die Arbeitslosenquote stieg leicht auf 4,9 Prozent. Grund dafür war der langsam beginnende Winter: auf manchen Baustellen wird bei Kälte und Frost nicht gearbeitet.

Im Gesamtjahr 2018 waren im Schnitt 2,3 Millionen Menschen erwerbslos – ebenfalls ein Rekord. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote sank um 0,5 Punkte auf 5,2 Prozent. Zählt man jene hinzu, die in einer Maßnahme des Jobcenters stecken, eine Weiterbildung machen, einen Ein-Euro-Job ausüben, in einem Sprachkurs sitzen oder älter als 58 Jahre sind, waren im Schnitt 3,3 Millionen Menschen arbeitslos.

Wie sieht es in Berlin-Brandenburg aus?

Alle acht Minuten ist 2018 irgendwo in der Region ein neuer Job entstanden. Zuletzt waren in Berlin 147.000 Frauen und Männer arbeitslos gemeldet. Die Quote betrug 7,6 Prozent und lag damit 0,8 Prozentpunkte niedriger als ein Jahr zuvor. Alexander Schirp, Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) kritisierte, dass die Hauptstadt trotz der vielen geschaffenen Stellen im bundesweiten Vergleich den vorletzten Platz einnehme. „Schuld daran ist die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit. Hier ist in erster Linie das Bildungssystem gefordert“, sagt er. „Noch immer ist die Zahl der jungen Menschen, die die Schule ohne Abschluss oder ohne Ausbildungsreife verlassen, viel zu hoch. Wir können es uns nicht leisten, dieses Potenzial zu verschenken.“ In Brandenburg zählten die Arbeitsagenturen zuletzt rund 79.000 Erwerbslose.

Was ist mit den Langzeitarbeitslosen?

Als langzeitarbeitslos gilt, wer seit mindestens einem Jahr erfolglos einen Job sucht. Die Zahl der Betroffenen lag im Durchschnitt des vergangenen Jahres bundesweit bei 813.000 – das waren 87.000 weniger als 2017. Der Rückgang insgesamt geht somit fast zur Hälfte auf Erfolge bei der Bekämpfung der langanhaltenden Arbeitslosigkeit zurück.

Seit Anfang dieses Jahres gilt zudem das sperrig klingende „Teilhabechancengesetz“. Arbeitgeber bekommen nun einen Lohnkostenzuschuss, wenn sie sehr schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose sozialversichert einstellen. Dazu zählen Personen, die mindestens 25 Jahre alt sind und seit mindestens sechs Jahren Hartz IV erhalten. Den Lohnkostenzuschuss gibt es für maximal fünf Jahre. Er beträgt in den ersten zwei Jahren 100 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns. Im dritten und den Folgejahren sinkt der Zuschuss jeweils um zehn Prozentpunkte. Den Jobcentern stehen bis 2022 vier Milliarden Euro für diese Maßnahme zur Verfügung.

Wie gut sind die Geflüchteten integriert?

Arbeitnehmer ausländischer Herkunft haben nach Worten von Scheele maßgeblich zum Beschäftigungsaufbau hierzulande beigetragen. Das liege an der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union (EU), aber auch an der Zuwanderung von Flüchtlingen. Im Herbst haben fast 300000 Menschen aus den acht Haupt-Asylländern Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia einen sozialversicherungspflichtigen Job gehabt. Das waren knapp 95000 mehr als ein Jahr zuvor. „Wer hätte vor drei Jahren gedacht, dass wir mal solche Zahlen verkünden“, sagte Scheele. Dennoch sei die Integration weiterhin ein Langstreckenlauf.

Wahr ist auch: Es haben zunächst jene Flüchtlinge einen Job gefunden, die recht gut ausgebildet waren und denen es nicht so schwerfiel, deutsch zu lernen. Das ist aber nicht die Mehrheit. Befragungen zeigen, dass drei von vier Flüchtlingen keine Ausbildung vorzuweisen haben. Ein Viertel hat keine oder nur eine Grundschule besucht. Nur 40 Prozent gingen auf eine weiterführende Schule. Der größte Teil der Flüchtlinge hätte also selbst dann große Probleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt, wenn es keine Sprachbarrieren geben würde. Von daher waren im Dezember 175000 Geflüchtete arbeitslos gemeldet. 603000 erwerbsfähige Flüchtlinge bezogen Hartz IV-Leistungen.

Wie viele leben insgesamt von Hartz IV?

Erstmals seit der Schaffung des politisch umstrittenen Hartz IV vor 14 Jahren lag die Zahl der sogenannten Bedarfsgemeinschaften im November knapp unter der Drei-Millionen-Marke. Im Dezember waren aktuellen Zahlen der BA zufolge 2,995 Millionen Haushalte auf Grundsicherung angewiesen. Das sind 5,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor und 17 Prozent weniger als 2008. Insgesamt lebten gut 5,9 Millionen Menschen in den Bedarfsgemeinschaften. Der Chef der Bundesagentur wertet den Rückgang als Erfolgsbeleg für das System.

Mit der Einführung von Hartz IV wurden 2005 unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe zusammengeführt. In der Debatte über die Zukunft der Grundsicherung hatte Scheele, der ebenfalls der SPD angehört, zuletzt für Reformen plädiert. Er hatte sich aber zugleich deutlich gegen Forderungen aus der SPD nach einer kompletten Abschaffung gewandt.

Was bemängeln Kritiker?

Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik bei den Grünen, kritisiert, dass trotz der sinkenden Zahlen mehr als 1,1 Millionen Erwerbstätige „ihr geringes Einkommen mit Hartz IV aufstocken müssen“. Prekäre Beschäftigung sei nach wie vor weit verbreitet.

Johannes Vogel (FDP) meinte, dass der Arbeitsmarkt für die digitale Zukunft fit gemacht werden müsse, „etwa durch ein flexibleres Arbeitszeitgesetz, das mehr Freiheiten ermöglicht, wann wir wie und von wo arbeiten“. Außerdem brauche es angesichts des Fachkräftemangels „ein echtes Einwanderungsgesetz mit Punktesystem nach dem Vorbild erfolgreicher Einwanderungsländer“. Der Gesetzentwurf der Koalition dazu sei „viel zu wenig“.

Im Jahresdurchschnitt wurden 796.000 offene Stellen bei der BA gemeldet. Trotz der sehr hohen Nachfrage spricht die Behörde trotzdem nicht von einem umfassenden Fachkräftemangel. Es gebe Engpässe in manchen Regionen und in bestimmten Branchen – wie etwa in der IT und der Energietechnik, in Bau- und Ausbauberufen sowie bei Gesundheits- und Pflegeberufen.

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