Nach der Pleite: Air Berlin wartet auf den Staatskredit
Das 150-Millionen-Euro Darlehen ist noch nicht unter Dach und Fach. Der Betrieb geht trotzdem weiter. Die Entscheidung über den Käufer könnte Mitte September fallen.
Es waren dramatische Tage. Am Freitag, dem 11. August, alarmierte Air Berlin-Chef Thomas Winkelmann noch am Abend Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dass Air Berlin das Geld ausgeht. Das ganze Wochenende tüftelten Regierungsbeamte, wie man verhindern kann, dass Air Berlin den Flugbetrieb einstellt und Urlauber am Flughafen stranden. Als Winkelmann am 15. August den Insolvenzantrag stellte, hatte die Bundesregierung neben all den schlechten Nachrichten auch eine gute: Mit einem Kredit von 150 Millionen Euro sollte die Staatsbank KfW Air Berlin über die nächsten Wochen helfen.
Der Kreditvertrag ist noch nicht unterschrieben
Doch bis heute ist der Kreditvertrag nicht unterschrieben, sagte eine KfW-Sprecherin dem Tagesspiegel. Es würden noch Details ausgehandelt. Wann alles unter Dach und Fach sein wird und das Geld tatsächlich fließt, ist noch unklar. Im Bundeswirtschaftsministerium heißt es, alles laufe planmäßig, man sei in der technischen Umsetzung. Der Kredit ist ein sogenannter Massekredit: Sobald Air Berlin Geld durch den Verkauf von Unternehmensteilen bekommt, wird das Darlehen zurückgezahlt. Das minimiert das Risiko für die Steuerzahler.
Nach Informationen von Insidern wird für Mitte September eine Entscheidung über den oder die Käufer angepeilt. Interessenten könnten bis zum 15. September Gebote abgeben und ihre Konzepte vorstellen, sagte ein Unternehmenssprecher von Air Berlin. Nach Tagesspiegel-Informationen soll die Entscheidung dann zügig fallen. Ryanair erklärte am Dienstag, nun doch nicht Air Berlin als Ganzes übernehmen zu wollen, sondern nur Teile. An diesem Dienstag ist der Gründer der Air Berlin-Tochter "FlyNiki" in Berlin, Lauda ist daran interessiert, seine Airline zurückzukaufen. Bevor er über ein Gebot entscheidet, will Lauda Einblick in die Bücher von Niki nehmen.
Wie Air Berlin dennoch weitermachen kann
Dass Air Berlin vorerst auch ohne das KfW-Geld weitermachen kann, liegt daran, dass die Kasse nicht völlig leer war, als Winkelmann den Insolvenzantrag stellte. Nach Tagesspiegel-Informationen verfügte Air Berlin Mitte August noch über einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Hinzu kommen aktuell die Einnahmen durch Ticketverkäufe. Für kurzfristige Reisen wählen Kunden nach wie vor die zweitgrößte deutsche Airline, die Rückgänge halten sich hier in Grenzen. Um sechs bis sieben Prozent ist der Ticketverkauf gesunken, hatte Chefsanierer Frank Kebekus in der vergangenen Woche gesagt. Bei langfristigen Buchungen sieht die Lage dagegen deutlich schlechter aus. „Air Berlin verbrennt Cash“, räumt Kebekus ein.
Flugausfälle um 450 Prozent gestiegen
Anders als die KfW können Reisende, die Entschädigungen für Flugausfälle oder Verspätungen verlangen, nicht darauf hoffen, Geld vom Insolvenzverwalter zu bekommen. Dabei gäbe es durchaus Bedarf. Die Flugausfälle bei Air Berlin sind nach Anmeldung der Insolvenz nämlich eklatant gestiegen. Das ergibt sich aus Zahlen des Flugrechteportals Flightright, die dem Tagesspiegel vorliegen. Vom 15. bis zum 22. August sind rund 160 Flüge gestrichen worden, das sind 3,5 Prozent aller 4500 Air Berlin-Flüge. In der Woche vor der Insolvenz wurden dagegen nur rund 30 Flüge annulliert, das entspricht 0,7 Prozent. Dagegen hat sich die Zahl der verspäteten Flüge von rund 770 auf 700 reduziert. Air Berlin wollte die Zahlen nicht kommentieren. „Der Flugbetrieb läuft stabil und verlässlich“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage.
2500 Beschäftigte in Berlin
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller trifft an diesem Dienstag Berliner Betriebsräte. Von den 8000 Konzernbeschäftigten arbeiten rund 2500 in Berlin, davon sind 1100 Piloten und Kabinenpersonal, 1100 sind in der Verwaltung und circa 300 in der Technik eingesetzt. Während Piloten und Flugbegleiter – wenn auch mit schlechterer Bezahlung - bei anderen Airlines unterkommen dürften, sieht es für die restlichen Mitarbeiter schlecht aus. Das hat die E-Commerce-Abteilung dazu getrieben, kürzlich im Internet einen neuen Arbeitgeber für alle ihre Mitarbeiter zu suchen.
Die Fluggesellschaft Eurowings macht sich unterdessen bereits bereit für die Übernahme von Flugzeugen. Am Montag gab die Lufthansa-Tochter bekannt, sämtliche Verträge ihres Kabinen-Stammpersonals bei den Töchtern Eurowings und Germanwings zu entfristen. Rund 260 von 1500 Flugbegleitern hatten noch befristete Arbeitsverträge. Eurowings hatte bereits in der vergangenen Woche hunderte unbefristete Pilotenjobs ausgeschrieben. Inzwischen sind auch Stellenanzeigen erschienen, mit denen an allen deutschen Standorten um erfahrenes Kabinen- Personal geworben wird.