Angeschlagene Fluggesellschaft: Air Berlin zahlt höhere Entschädigungen an genervte Kunden
Air Berlin reagiert auf eine Reihe von Pannen: Gutscheine für Verspätungen liegen künftig über dem gesetzlich Vorgeschriebenen. Der Lufthansa-Chef will dem Rivalen weiter helfen, ihn aber nicht übernehmen.
Die angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin kämpft um das Vertrauen der Kunden. In ganzseitigen Anzeigen gelobt die angeschlagene Airline seit kurzem Besserung und verspricht den frustrierten Kunden ein Ende der Pannenserie. Doch auch denen, die sich – wie so häufig in der Vergangenheit – mit Flugausfällen oder Verspätungen herumschlagen mussten, kommt Air Berlin entgegen. Die Fluggesellschaft bietet den Passagieren Entschädigungen an, die deutlich über dem gesetzlich Vorgeschrieben liegen.
100 bis 150 Euro über dem gesetzlich Vorgeschriebenen
250, 400 oder 600 Euro muss eine Fluggesellschaft per Gesetz zahlen, wenn der Flug mit mindestens drei Stunden Verspätung sein Ziel erreicht. Die Höhe der Entschädigung hängt von der Entfernung ab. Air Berlin bietet seinen Kunden als Wiedergutmachung nun jedoch höhere Entschädigungen in Form von Fluggutscheinen an. „Die Gutscheinwerte liegen 100 bis 150 Euro über dem Wert der vorgesehenen Entschädigung“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. „Auf der Kurzstrecke werden 350 Euro Fluggutschrift anstatt 250 Euro Auszahlung angeboten.“ Bei Langstreckenflügen gibt es auf Wunsch Fluggutscheine über 750 Euro statt der 600-Euro-Ausgleichszahlung. Allerdings gilt das Angebot nur, wenn die Passagiere direkt mit Air Berlin abrechnen. Wer ein Fluggastrechte-Portal wie EU-Claim, Flightright oder Fairplane einschaltet, kann die Gutscheine nicht in Anspruch nehmen.
Millionen an Entschädigungsansprüchen
Doch viele Kunden haben bereits im Internet Beistand gesucht. Seit Jahresanfang haben Tausende das Internetportal Flightright eingeschaltet, das für sie – kostenpflichtig – Ausgleich für Verspätungen oder Stornierungen eintreiben soll. „Millionen Euro an Erstattungsansprüchen“ seien allein bei Flightright zusammengekommen, sagte Rechtsanwalt Oskar de Felice kürzlich dem Tagesspiegel. Der Inkassodienstleister Fairplane verzeichnete bis Ende Mai knapp 3800 Air-Berlin-Fälle. Allein an Kunden von Fairplane hat Air Berlin in diesem Jahr bereits 1,85 Millionen Euro gezahlt.
Lufthansa: Aktuell keine Übernahme von Air Berlin
Eine Straffung des Streckennetzes und zahlreiche neue Mitarbeiter sollen die Pannenserie nun beenden. Auch die Lufthansa stellt weitere Unterstützung in Aussicht. „Wir unterstützen Air Berlin bereits, indem wir 38 Flugzeuge geleast haben und auf unseren Strecken einsetzen“, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr der „Bild am Sonntag“. Er könne sich vorstellen, diese Zusammenarbeit auszuweiten. Eine Übernahme des Rivalen zieht Spohr aber „aktuell" nicht in Betracht. Die enorme Schuldenlast, das zu hohe Kostenniveau der Berliner sowie kartellrechtliche Probleme sprächen dagegen.
Schuldenberg von einer Milliarde Euro
Air Berlin schiebt einen Schuldenberg von über einer Milliarde Euro vor sich her. Die Berliner Fluggesellschaft hängt am Tropf des Großaktionärs Etihad und hatte zwischenzeitlich erwogen, eine Staatsbürgschaft zu beantragen. Doch das ist jetzt vom Tisch. „Eine Absicherung von Krediten durch die öffentliche Hand ist nicht mehr nötig“, sagte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann kürzlich dem Tagesspiegel. Man habe große Fortschritte gemacht, dazu zählten neu ausgehandelte Leasing-Konditionen für 14 Flugzeuge sowie erfolgreiche Nachverhandlungen mit Vertriebspartnern.