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Im Kunstnebel. Fürste bei der Präsentation des Olympia-Outfits für Rio in Düsseldorf.
© imago/Nordphoto

Olympia: Hockey-Star Moritz Fürste: Zwischen Sportlern und Idioten

Der Hamburger Moritz Fürste ist eines der Gesichter der deutschen Olympiamannschaft – auch weil er außerhalb des Hockeys seine Rolle spielt.

Nun hat ihn auch der Hockey-Bundestrainer über alle Maßen gelobt. Sein Mannschaftskapitän Moritz Fürste sei nicht nur ein wertvoller Spieler für die Nationalmannschaft, hat Valentin Altenburg gesagt. „Er ist viel mehr als das, er ist das Gesicht unserer Sportart, er ist das Gesicht des Sports.“ Des olympischen Sports zumindest. Denn jenseits von Diskuswerfer Robert Harting, den Handballern, den Fußballern, die mit wollen oder mitfahren dürfen, oder den Tennisprofis, gibt es da nicht so viele, die bei den Spielen von Rio de Janeiro aus deutscher Sicht so eine Strahlkraft haben wie Moritz Fürste – der ein Kandidat für das Amt des deutschen Fahnenträgers bei der Eröffnungsfeier von Brasilien sein sollte.

Moritz Fürstes Startposition zum Sportstar war nicht eben günstig

Das Erstaunliche daran ist: Fürstes Startposition zum Sportstar war nicht eben günstig. Das sieht der zweimalige Olympiasieger selbst so: „Alle vier Jahre kann man sich im Hockey profilieren, danach findet die Sportart in der öffentlichen Wahrnehmung verhältnismäßig wenig statt.“ In Deutschland habe Hockey eher den Status eines etwas abseitigen Sportes, sagt Fürste: „Wir haben keine Fankultur.“

In Hamburg, seiner Heimat, ginge das ja noch, findet der Mittelfeldspieler vom Uhlenhorster HC. „Aber in Berlin zum Beispiel ist das Hockey am Ende der Nahrungskette. Fragen Sie doch mal in der Stadt nach, wie viele Leute wissen, wann der BHC ein Bundesliga-Heimspiel hat?“ Mag sein, dass das Umfrageergebnis in Berlin „unterhalb der Zweiprozentmarke“ (Fürste) liegen würde. Aber da, wo der bekannteste deutsche Hockeyspieler aufläuft, ist mitunter viel los.

Zwei mal hintereinander hat sich Fürste nach Jahresbeginn in der Hockey India League (HIL) verdingt. In der HIL ersteigern die Klubs die (nur einen Monat dauernden) Dienste der weltbesten Spieler. Dieses Jahr bekam Fürste von den Kalinga Lancers ein Gehalt von 93 000 Euro. Das ist viel im Hockey und das hat in Indien eben auch nur Moritz Fürste kassiert, 2012 Welthockeyspieler des Jahres und 2008 und 2012 Olympiasieger. Das in Indien seien „andere Hausnummern“, sagt Fürste. „Da kamen zu unseren Heimspielen immer um die 10 000 Zuschauer.“

Gut in Schuss. Fürste bei einem Testspiel gegen Großbritannien im Juli.
Gut in Schuss. Fürste bei einem Testspiel gegen Großbritannien im Juli.
© Imago/Horstmüller

Indien hat sicher zum Bekanntheitsgrad Fürstes in Deutschland weniger beigetragen, da spielte sein Engagement außerhalb des Hockeys eine größere Rolle. Er ist Co-Kommentator im Fernsehen und wann immer dieser Tage ein Hockeyspieler gefragt ist, der gut über Hockey reden kann, kommt der eloquente Blondschopf ins Spiel, zuletzt am Sonnabend im ZDF-Sportstudio. Fürste hat den öffentlichen Fürste mit aufgebaut, in den sozialen Netzwerken ist er präsenter als jeder andere Sportler in Hamburg.

Moritz Fürste hat ein Gespür für krachende Kommentare

Ob nun sein Tweet nach der verpatzten Olympiabewerbung („Sport in Deutschland ist tot. Jetzt auch offiziell!“) oder nach der Olympia-Verweigerung von Golfstar Rory McIllroy („McIlroy, du bist ein Idiot und kein Sportler!“) – Fürste hat ein Gespür für krachende Kommentare. Da bleibt oft was hängen.

Fürste ist aber kein Schaumschläger. Als der Eigner der Hamburg Freezers, die Anschutz Entertainment Group (AEG), Ende Mai verkündete, den Eishockeyklub vom Spielbetrieb abzumelden, war der Hamburger Sportfan Fürste zur Stelle: „Zwei Stunden später habe ich die Rettungsaktion für die Freezers geleitet und stand mit der AEG in Kontakt.“

Freezers-Kapitän Christoph Schubert und er waren die Gesichter der Aktion. In wenigen Tagen kamen 1,2 Millionen Euro zusammen. Die Freezers konnten sie nicht retten, die AEG zeigte keine Gnade. „Das war eine Riesenenttäuschung“, sagt Fürste, „mit etwas Abstand ist es nun eine Riesenerfahrung.“ Und Fürste ist so nebenbei Funktionär geworden: Er ist Mitbegründer eines Förderkreises für den Eishockey-Nachwuchs in Hamburg. Und: „Ich unterstütze Christoph, bei seinem Projekt mit den Crocodiles das Eishockey in Hamburg wieder nach oben zu führen.“

Moritz Fürste findet das Engagement außerhalb des Hockeys nicht so abwegig, „schließlich arbeite ich ja in einer großen Agentur im Sportmarketing“. Und da denke er schon voraus, denn was nach Rio, dem womöglich dritten und gut möglichen Olympiasieg, mit der deutschen Mannschaft passieren wird, das weiß er mit seinen 31 Jahren angeblich „noch nicht“. Denn was bliebe ihm dann noch im Hockey, fragt er: „EM-Teilnahme Nummer sechs?“

Am 5. August könnte er sogar die deutsche Fahne ins Olympiastadion von Rio tragen

Aber noch gilt es ja erst mal den womöglich letzten großen Auftritt als Sportler zu bestehen. Schon „nächsten Donnerstach“ ginge es nach Rio, hamburgert Fürste fein. Am 5. August könnte er sogar die deutsche Fahne ins Olympiastadion von Rio tragen. Am Sonnabend verkündet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) fünf Kandidaten, Sportler und Publikum dürfen dann abstimmen. Fürste sollte dabei sein und hat sich ja auch schon in Position gebracht, als der DOSB das Prozedere verkündete – per Twitter: „Wow! Ich finde das richtig gut!!!“

Aber auch Zurückhaltung kann im Marketing mal eine kluge Strategie sein. Zum Lob des Hockey-Bundestrainers – von wegen „Gesicht des Sports“ – sagt Moritz Fürste: „Ich kann da nicht viel zu sagen, das ehrt mich sehr, aber es sind auch andere Sportler dabei.“

Claus Vetter

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