Eisbären-Investor Anschutz: Hamburg Freezers - Ende eines Abenteuers?
In Hamburg sagt man Tschüss? Das Eishockeyteam der Freezers soll abgewickelt werden. Ein Rückblick auf die 14 Jahre des Klubs in der Deutschen Eishockey-Liga.
Mitte August 2002, in einer Eishalle in den Docklands. Ein Eishockeyteam, ausgerechnet aus Hamburg, absolviert das erste Spiel seiner Klubgeschichte. Ein Testspiel gegen Servette Genf, bei einem Turnier in … London! Als die Spieler auflaufen, begrüßt der Stadionsprecher sie als „Hamburg Freeze“.
Erst nach dem ersten Drittel wird der Klubname auf dem Videowürfel korrigiert. „Hamburg Freezers“ ist dort nun zu lesen. Der Name des Profi-Eishockeyteams, dessen Geschichte vor 14 Jahren begonnen hat und nach 14 Jahren in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) nun am kommenden Dienstag nach Lage der Dinge enden wird. Denn der Klubeigner, die Anschutz-Gruppe will keine Lizenz beantragen. Schluss. Aus. Genug Geld verloren. Angeblich über 54 Millionen Euro – in einem Abenteuer, das zu einer Marke im deutschen Eishockey wurde. Ohne die Freezers wird der DEL eine ihrer schönsten Hallen und einer ihrer schillerndsten Klubs fehlen. So viel steht fest.
Mit Philip Anschutz wird es die Freezers nun also nicht mehr geben, ohne den kleinen Mann mit den Dollar-Milliarden hätte es die Freezers nie gegeben. Der Unternehmer aus Denver im US-Staat Colorado, dem schon einige Profiteams in den USA gehörten, drängt Ende der Neunziger Jahre auf den europäischen Markt. Natürlich nicht allein aus Liebe am Profisport, sondern um zu entwickeln und zu verdienen.
Zuerst schnappt sich Anschutz die Eisbären, den Eishockeyklub aus dem Berliner Osten, der kurz vor dem Kollaps steht. Anschutz Plan ist es, eine Großarena in Berlin zu errichten. In München verfolgt seine europäische Dependance (AEG) ein ähnliches Ziel. Wobei dieses Projekt Anschutz von der damaligen DEL-Geschäftsführung wohl aufgeschwatzt wird. In München gibt es nämlich seit einigen Jahren keinen DEL-Klub mehr. Aber der EV Landshut will sich aus der Liga zurückziehen, und die DEL sucht einen Käufer der Lizenz: Anschutz kauft, lässt das Team künftig als München Barons spielen. Auf Anhieb werden die Barons Meister, doch den Eigner beeindruckt das weniger. Das Publikumsinteresse ist trotz des Erfolges gering, ein Hallenbauprojekt in München lässt sich nicht realisieren. Nach nur drei Jahren, im Frühjahr 2002, hat Anschutz genug, der Klub muss ein zweites Mal umziehen. Nach Hamburg.
„Welcome on Planet Ice!“ - das Getöse war groß bei den Freezers
Dort wird gerade eine große Arena gebaut – von dem Finnen Harry Harkimo, der ein angedachtes Hallenprojekt in Berlin – dort sollten die Berlin Capitals spielen – nicht realisieren konnte. In Hamburg darf Harkimo bauen, eine Halle nach dem Vorbild in Helsinki. Nur etwas moderner und gleich neben dem Volksparkstadion, der Arena des HSV. Fehlt nur noch ein Team – Anschutz bietet es an. Mit dem neuen Klub HSV Handball teilen sich die Freezers fortan die Halle, die erst im November 2002 fertig wird.
Das Getöse im Vorfeld ist groß. Freezers-Geschäftsführer Boris Capla wirbelt seit Wochen mit einer Werbekampagne durch Hamburg. Hunderte Großplakate zieren die Stadt. „Welcome on Planet Ice!“ Der „Stern“ widmet dem verpflanzten Retortenklub eine sieben Seiten lange Reportage.
Das Interesse in der Eishockeyprovinz Hamburg, in der es zuvor maximal Zweitligaeishockey gab, ist geweckt. Die Arena im Volkspark ist am 12. November 2002 ausverkauft beim ersten Heimspiel der Freezers. Es wird ein kurioses Happening. 13.000 Zuschauer skandieren schon zehn Minuten vor Schluss „Sieg!“, obwohl die Freezers mit nur einem Tor Vorsprung führen. Das ist im Eishockey so gut wie gar nichts. Aber ein großes Eishockey-Publikum muss in Hamburg noch wachsen. Die Freezers gewinnen glücklich 5:4, Kölns damaliger Trainer Hans Zach sagt schmunzelnd: „Wir haben den Freezers ein wenig aufs Pferd geholfen.“
Doch die Hamburger Spieler und ihr Publikum lernen schnell dazu. Die Arena ist in den ersten Jahren oft ausverkauft, die Mannschaft recht erfolgreich. Viertelfinale 2003, Halbfinale 2004. Das kann sich sehen lassen in der DEL, besonders die Begegnungen mit der anderen Anschutz-Mannschaft, den Berliner Eisbären, lassen die Freezers zur Marke reifen.
Den Ostberlinern fehlt nach dem Aus der Berlin Capitals ihr natürlicher Feind, fortan spielen sie die Derbys „gegen Hamburg“, wie ihr Marketingchef Billy Flynn behauptet. Keine Spur von Stallregie durch Anschutz, es kracht schon mal zwischen den Klubs: Etwa als Eisbären-Stürmer Alexander Barta im Jahr 2005 nach einem Streit mit Trainer Pierre Pagé nach Hamburg wechselt und dort zum Kapitän und Publikumsliebling wird. Pagé ruft dem Abtrünnigen im Frust hinterher: „If Barta is your best player, you’re lost.“ Mit Barta als deinem bestem Spieler bist du verloren? Der damalige Bundestrainer Greg Poss sieht es anders und stichelt Richtung Pierre Pagé: „Alex ist für sich ein herausragender Spieler, der kann alles. Warum wechselt der bloß vom Meister Berlin nach Hamburg?“
Mit Barta erleben die Hamburger aber nicht ihre besten Jahre. Auch bei den Zuschauerzahlen gibt es Einbrüche, die Trainer kommen und gehen angesichts anhaltender Erfolglosigkeit immer schneller. Erst mit Anfang des neuen Jahrzehnts bessert sich das. Angeführt vom ehemaligen NHL-Spieler und Kapitän Christoph Schubert geht es sportlich aufwärts, die Zuschauer strömen wieder in die Halle. Die Freezers haben alle Krisen überlebt, in der Arena ist die Stimmung besser als in den meisten anderen Hallen der Liga. In Hamburg sind die Freezers eine große Nummer. Der Klub-Slogan lautet: „Der Norden sind wir.“ Im Jahr 2014 sind die Freezers sogar Tabellenerster nach der Hauptrunde, scheitern dann aber in den Play-offs im Halbfinale an Ingolstadt.
Kapitän Christoph Schubert kämpft seit Tagen für die Rettung, die Fans spenden Geld
Es ist der letzte große sportliche Erfolg der Hamburger. In der abgelaufenen und ihrer wohl letzten Saison verpassen sie die Play-offs. Manager Stéphane Richer und Trainer Serge Aubin machen offensichtlich nicht alles richtig – schon lange brodelt es hinter der Fassade. Aus den Kreisen von Anschutz ist seit drei Jahren zu hören, dass die Filiale in Hamburg in ihrer Existenz bedroht sei. Obwohl erst vor einigen Jahren neben der Arena noch eine Eishalle zu Trainingszwecken gebaut wurde und die Nachwuchsabteilung „Young Freezers“ in Kooperation mit anderen Hamburger Eishockeyklubs so langsam in Fahrt kommt. Zudem ist Anschutz ja nun auch Halleneigner und hat gerade die Namensrechte neu vergeben. Warum sollte ein Halleneigner sein eigenes Team abwickeln, mit Konzerten allein lässt sich die Halle kaum bespielen, zumal es ja die HSV Handballer schon nicht mehr gibt.
Anschutz wickelt ab. Dienstag ist nach Lage der Dinge Schluss bei den Freezers – auch wenn in Hamburg derzeit Kapitän Christoph Schubert bei potenziellen Käufern vorspricht, es viele Aktionen gab, sich 1500 Fans am Samstag vor der Arena versammelten und Spendenkonten eingerichtet sind. Im „Hamburger Abendblatt“ sagt Schubert: „Ich werde in den kommenden Tagen nicht schlafen!“ Es soll gesammelt werden, um die AEG noch umzustimmen und die Saison angehen zu können. An Spenden war am Sonntag auf einer Crowdfunding-Plattform schon ein sechstelliger Betrag eingelaufen. Um genug Geld zusammenzubekommen, könnte die Zeit allerdings nicht reichen. Die AEG hat die Hiobsbotschaft zu knapp vor Toreschluss, zu knapp vor der Lizenzierung verkündet. Trainer und Manager bastelten schon an der Mannschaft. Niemand ahnte im Klub, dass Anschutz die Lust an seinem Spielzeug in Hamburg verloren hatte.
So geht das schon mal mit altem Spielzeug, das nicht so funktionieren will, wie der Chef es wollte: Im August 2002 schaute Philipp Anschutz noch beim ersten Spiel der Freezers gegen Genf zu. Die Freezers verlieren 1:2 nach Penaltyschießen, aber wen stört das schon? Anschutz ganz bestimmt nicht. Auch der Klub aus der Schweiz gehörte zu seinem Imperium, der Milliardär ließ damals in London ein Firmenturnier seiner Europa-Klubs ausspielen. Inzwischen hat Anschutz diese Klubs entweder abgewickelt oder abgestoßen. Wenn die Freezers Geschichte sind, dann gehören dem Milliardär aus Denver in Europa nur noch die Eisbären. Rund um die Arena am Berliner Ostbahnhof hat der Unternehmer große Pläne. Angeblich will er nun seine Kraft darauf fokussieren. Bei den Eisbären sagt Geschäftsführer Peter John Lee: „Uns betrifft Hamburg nicht.“ Immerhin eine gute Nachricht, wenn auch nicht für Hamburg.
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