zum Hauptinhalt
Niki Lauda verstarb im Alter von 70 Jahren.
© imago images / HochZwei

Niki Lauda ist tot: Zum Tod des legendären Rennfahrers

Als Sportler und als Unternehmer war Niki Lauda voller Zuversicht – aber auch kompromisslos. Ein Nachruf.

Sein ganzes Leben lang, sagte er einmal, seien immer positive und negative Dinge hintereinander eingetreten. „Zur Ruhe habe ich nie gefunden.“ Es lag eine Tragik darin, natürlich, mit Sicherheit aber auch der Grund für seine größten Erfolge: Was, wenn nicht Ruhelosigkeit brachte ihn zurück, weiter – und nach ganz vorn? Als Rennfahrer, urteilte Niki Lauda rückblickend über den Schicksalsmoment, seinen Feuerunfall am Nürburgring im Jahr 1976, „ist so ein schwerer Unfall etwas, mit dem man sofort fertig werden muss“. Andere, „normale“ Leute schleppten so etwas das ganze Leben lang mit sich herum. „Als Rennfahrer geht das nicht. Entweder du löst das Problem und fährst wieder – oder du hörst auf.“

Niki Lauda, geboren als Andreas Nikolaus Lauda am 22. Februar 1949 in Wien, war eine Legende, ein unermüdlicher Sportler, Unternehmer und Mensch, der faszinierte, strahlte, auf dem Treppchen wie am Fahrbandrand, durchaus auch in der Glitzerwelt des Boulevards. Ein Botschafter für Kampfgeist, aber auch für Aufrichtigkeit, brutal ehrlich mit anderen und sich selbst. Was ihm vielleicht an Talent auf der Rennstrecke oder in seinen anderen Berufen fehlte, kompensierte er durch Genauigkeit und Disziplin.

Seine Rennfahrer-Karriere erkämpft er sich gegen den Widerstand seiner gutsituierten Industriellenfamilie, auf Kreditbasis und mit gefälschtem Abiturzeugnis, um den strengen Großvater zu beruhigen. Wird als Ferrari-Pilot zum Helden, durch zwei Weltmeistertitel 1975 und 1977, aber natürlich vor allem durch das Jahr 1976. „Ich wäre heute nicht der, der ich bin, stünde nicht da, wo ich stehe, wenn er“ – der Unfall – „nicht passiert wäre“, sagte er vor wenigen Jahren. Und wenn das Drama nicht von einem achtjährigen Jungen gefilmt worden wäre, der zufällig dort stand. „Der gleiche Unfall ohne den Film wäre nur die Hälfte wert, behaupte ich.“

Eine typische Lauda-Analyse: knallhart, fast zynisch, rational bis zum Letzten, Gefühle – zumindest nach außen hin – komplett ausblendend.

Es ist der 1. August 1976, der Nürburgring gilt als „schöne, grüne Hölle“, Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart hat ihn so genannt. Der Deutsche Jochen Rindt, ebenfalls Formel-1-Weltmeister, sagt: „Schwer zu fahren, und leicht zu sterben.“ 22,8 Kilometer lang, 174 Kurven, fast 100 Steigungen und Abfahrten, mit weniger als sieben Minuten hält Lauda zu der Zeit den Streckenrekord. Zehn Formel-1-Fahrer sind bis zu jenem Tag auf dem Ring ums Leben gekommen, fast 80 Fahrer bei Rennen in anderen Klassen und bei Testfahrten. Und 53 Privatleute, die sich mit ihren eigenen Autos und Motorrädern auf dem Nürburgring ausprobiert haben.

Lauda und andere Fahrer haben sich gegen einen Start auf dem Ring gewehrt, Veranstalter und Konstrukteure erzwingen ihn schließlich. Zuschauer werfen Flaschen nach Lauda, dem „feigen Weltmeister“, ein Transparent verhöhnt ihn: „Der Ring ist gut, Lauda, nimm deinen Hut.“

Lauda galt nicht als Genie hinterm Lenkrad, aber er war clever und fleißig.
Lauda galt nicht als Genie hinterm Lenkrad, aber er war clever und fleißig.
© imago images / Kräling

In der zweiten Runde schleudert sein Ferrari an einem Bergwerk genannten Streckenabschnitt in einen Fangzaun, richtet sich dann an einer Felswand auf, knallt zurück auf die Fahrbahn und fängt sofort Feuer. 50 Sekunden sitzt Lauda in den Flammen, atmet giftige Gase ein, „der Aufprall war so hart, dass es mir den Sturzhelm heruntergerissen hat“, sagte er dem „SZ-Magazin“ vor sechs Jahren. „Das war ein echter Knock-out. Mir fehlen zwei Stunden.“ Zwei nachfolgende Autos knallen in den Ferrari. Laudas erste Worte, nach dem er das Bewusstsein wiedererlangt, sollen gelautet haben: „Wer hat gewonnen?“

Der Mann, der den Tod mehrfach vor Augen hatte, ist am Montag im Alter von 70 Jahren in einer Schweizer Klinik gestorben.

„95 Prozent der Patienten mit derartigen Verletzungen, einem sogenannten Inhalationstrauma, die wir normal künstlich beatmet haben, sind damals gestorben“, erklärt einer der Lebensretter von damals, Dr. Eike Martin, als sich die beiden 2016, 40 Jahre nach dem Drama, auf dem Hockenheimring wiedertreffen. „Wir mussten etwas anderes probieren – und wir konnten das, weil Lauda wach und ansprechbar war. Und unglaublich diszipliniert und zur aktiven Mitarbeit bereit. Obwohl diese Therapie, bei der dann immer wieder bei vollem Bewusstsein die Lungen abgesaugt werden müssen, unglaublich schmerzhaft ist. Aber er war dazu bereit – hatte eben auch diesen unglaublichen Kampfgeist und Überlebenswillen.“

Im Krankenhaus verpasst ein Priester ihm stillschweigend schon die letzte Ölung. „Das hat mich natürlich närrisch gemacht. Ich spürte eine riesige Wut und dachte: Jetzt erst recht, ich lasse mich nicht hängen, ich gebe nicht auf.“ Sechs Wochen nach dem Unglück steigt Lauda wieder ins Auto. Schwer gezeichnet von den Verbrennungen im Gesicht. Überall Fotografen, Fans. Nach den ersten Kilometern kommt die Panik: „In dem Moment habe ich beinahe in die Hose geschissen. Angst. Ich konnte nicht weiterfahren. Dann bin ich erst mal ins Hotel gefahren und habe mich gefragt, was ist da los.“ Der kühle Analytiker gewinnt wieder die Oberhand. „Da habe ich mir dann gesagt: So, stopp jetzt mit dem ganzen Druck. Am Samstag werde ich ganz normal fahren, als ob da gar kein Rennen wäre. Vertrauen für mich selbst schaffen, dass ich das Auto kontrollieren kann.“ Er wird Viertschnellster.

Das epische Duell mit seinem Rivalen James Hunt, später als erfolgreiches Kinodrama verfilmt mit Daniel Brühl in der Hauptrolle, geht so bis ins letzte Rennen in Fuji, die Regenschlacht, bei der Lauda nach zwei Runden aussteigt, „weil mir mein Leben wichtiger ist als eine Weltmeisterschaft“ und den Titel schließlich um einen Punkt verlor.

Mit ebenso deutlichen Worten erklärt er ein Jahr später – im Jahr seines zweiten Weltmeistertitels, den Weggang von Ferrari. Und wieder zwei Jahre darauf, beim Training für den Großen Preis von Kanada, fährt er seinen Brabham in die Box und steigt aus. Aus dem Auto und dem Rennfahrgeschäft: „Weil es für mich jetzt wichtigere Dinge gibt, als mit dem Auto im Kreis herum zu fahren.“

Das Wichtige ist ab da das Luftfahrt-Geschäft, in das der begeisterte Pilot verstärkt einsteigt, Geld verliert, 1982 darum abermals in der Formel 1 antritt und 1984 sogar noch einmal einen Weltmeistertitel holt: im Teamduell bei McLaren-Porsche gegen den aufstrebenden Alain Prost mit am Ende gerade mal 0,5 Punkten Vorsprung.

Geschäftlich hatte er bis zuletzt mit Airlines zu tun.
Geschäftlich hatte er bis zuletzt mit Airlines zu tun.
© dpa

Erst danach stürzt er sich komplett ins Airline-Geschäft, macht seine „Lauda Air“ zeitweise zu einer der beliebtesten Fluggesellschaften. Mit perfektem Service und dem Blick fürs Detail. Nur nicht immer zur Freude derer, die Wert auf Arbeitnehmerrechte legen: Gewerkschaften, Betriebsräte, Mitbestimmung – das alles ist eher Teufelszeug aus Laudas Sicht, der es gewohnt ist, seine Vorstellungen kompromisslos durchzusetzen. Wem das nicht passe, so seine Einstellung, der brauche ja nicht für ihn zu arbeiten.

Der nächste Absturz ist ein tatsächlicher: 223 Menschen sterben, als im Mai 1991 eine seiner Boeings 767 im thailändischen Dschungel zerschellt. Eine Katastrophe, die ihn eigenen Aussagen zufolge mehr trifft als sein eigener Unfall.

Er stellt sich den Schreckensbildern vor Ort, lässt nicht locker bei der Frage nach der Verantwortung. Seiner Hartnäckigkeit, seinem ständigen Nachhaken war es zu verdanken, dass die Absturzursache aufgeklärt wurde: Ein Konstruktionsfehler in der Schubumkehr, infolgedessen die Triebwerke aller derartigen Maschinen umgerüstet werden. Ein im Auftrag der Wiener Staatsanwaltschaft erstelltes Gutachten kommt jedoch zu dem Schluss, dass das Flugzeug nicht hätte abheben dürfen. In den Monaten zuvor sei es immer wieder zu Bordelektronik-Fehlermeldungen gekommen– auch die Schubumkehr betreffend.

Auch, wenn Lauda Air später komplett übernommen wird – immer wieder kommt Lauda mit Neugründungen und Beteiligungen in den Markt zurück, mit „Niki“, zuletzt im Zuge der Abwicklung von Air Berlin. Er liebt die Herausforderung. Und auch das Rampenlicht der Formel 1. Als Ferrari-Berater, Fernsehexperte, Aufsichtsratschef und Anteilseigner des Formel-1-Teams von Mercedes taucht er immer wieder an der Rennstrecke auf.

Für eine amerikanische TV-Show begleitet ihn vor ein paar Jahren einmal ein Kamerateam zur Unfallstelle am Nürburgring. Dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ berichtet er davon. „Eine von diesen amerikanischen Morningshows“, sagte er, „und so eine Frau wollte mich an der Unfallstelle interviewen. Die hatten sich alle gesagt: Ui, der wird sicher weinen, das wird ein ganz großer emotionaler Moment!“

Er habe sich vom Hotelbuffet zuvor „ein Kipferl mitgenommen und das vorher ins Gras gelegt“. Die Frau habe gefragt: „Mister Lauda, how is it to be here …„ – „Sag ich: ,Just a moment!’ und geh ein paar Schritte ins Gras. Fragt sie: ,What are you doing?’ Sag ich: ,Oh look, here’s my ear!’“ – Oh, da ist ja mein Ohr. „Die war fertig. Die hat die Fassung verloren. Die mussten alles noch mal drehen.“

Aus seiner ersten, 1991 aufgelösten Ehe hinterlässt er zwei Söhne. Mathias Lauda ist ebenfalls Rennfahrer. Aus einer unehelichen Beziehung hat er einen weiteren Sohn. Das zweite Mal heiratete Lauda 2008 und wurde im Alter von 60 Jahren nochmal Vater von Zwillingen.

In Hockenheim fehlt er 2018 zum ersten Mal krankheitsbedingt – mit einer Sommergrippe fängt es an, es folgt eine dramatische Lungentransplantation. In einer Videobotschaft anlässlich des Saisonfinales in Abu Dhabi verbreitet er Optimismus. Dass der Kämpfer Lauda nicht zurückkehren würde: eigentlich unvorstellbar.

Zur Startseite