Jörg Schmadtke vom VfL Wolfsburg: "Wir sind keine Schmuddelkinder"
Geschäftsführer Jörg Schmadtke spricht über seine Ziele mit dem VfL, die Reize Wolfsburgs - und seine Erfahrungen mit dem Handball.
Herr Schmadtke, was kostet ein Liter Milch?
(Lacht) Ein Euro ungefähr. Hängt natürlich davon ab, welche Qualität Sie kaufen.
Welche Milch kaufen Sie?
Eher die teure.
Sie haben mal erzählt, dass Sie immer noch selbst im Supermarkt einkaufen gehen.
Ja, gestern erst.
Kommt es auch mal vor, dass Sie da Bruno Labbadia treffen oder irgendwelche Spieler vom VfL?
Bisher nicht, aber ich gehe davon aus, dass die meisten von ihnen auch ins Geschäft gehen, den Einkaufskorb voll machen und an der Kasse bezahlen. Ich wüsste nicht, wie sie sonst ihre Produkte nach Hause bekommen.
Wie ist es, sich mit dem Gesicht von Jörg Schmadtke durch Wolfsburg zu bewegen?
Es ist nicht immer angenehm – wegen des Gesichts, meine ich (lacht). Nein, es ist ganz normal für mich, wie in jeder anderen Stadt auch.
Gibt es einen Unterschied zu Ihrer vorherigen Station in Köln?
Hier sind natürlich weniger Menschen unterwegs als in Köln. Die Stadt ist kleiner, die Wege sind kürzer. Du musst weniger planen, wenn du von A nach B fährst, weil der Verkehr hier überschaubar ist. In Ballungszentren musst du dir schon überlegen, wann du wo hinfahren willst und ob das in diesem wirklich Moment sinnvoll ist.
Haben Sie eigentlich ein Faible für Extreme?
Wieso?
Köln ist einer der emotionalsten Bundesligastandorte. Wolfsburg eher das Gegenteil.
Es war keine bewusste Entscheidung, dass ich gesagt habe: Nach Köln muss nun etwas gänzlich anderes kommen. Ich bin angesprochen worden und habe dann überlegt, ob diese Aufgabenstellung für mich interessant ist. Und das ist ja auch das, was diesen Job für mich ausmacht: Jeder Verein hat seine eigenen Qualitäten und seine eigenen Herausforderungen. Das ist der Reiz, aber auch der Spaß an der Geschichte. Es gibt keine Blaupause, die für jeden Verein passt.
Was ist die Herausforderung beim VfL Wolfsburg?
Der Verein hat seine Möglichkeiten zuletzt nicht ausgeschöpft. Und ich würde gerne ausprobieren, ob es anders geht und ob ich mehr aus dem VfL rauskitzeln kann.
Könnte es an der fehlenden Emotion liegen, dass der VfL unter seinen Möglichkeiten geblieben ist?
Nein. Das ist ein Trugschluss. Die Region steht emotional zu diesem Verein, die Bindung zwischen den Zuschauern und dem Klub ist sehr eng. Das ist schon durch den Arbeitgeber Volkswagen hier in Wolfsburg gegeben.
In Köln gab es viele Spieler, die in Köln geboren waren und dadurch eine emotionale Verbindung zum FC hatten. Wie sieht das in Wolfsburg aus?
Das war damals auch eine strategische Maßnahme. Wir wollten in diesem sehr emotionsgeladenen Umfeld auch die Kölner Seele ein Stück weit bedienen. Und wie macht man das am besten? Indem wir Leute aus der Region in unsere Mannschaft integriert haben. Natürlich nur, wenn es auch sportlich sinnvoll war. Es macht ja keinen Sinn, 15 Kölner zu verpflichten, die nicht Fußball spielen können.
Inwieweit lässt sich das auf Wolfsburg übertragen?
Wir haben hier andere Grundvoraussetzungen und stellen andere Dinge in den Vordergrund: die hervorragende Infrastruktur, hervorragende Arbeitsbedingungen. Die Spieler haben hier die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln. Und wir sind auch dabei, die enge Verbundenheit zu VW weiter zu stärken. Ein Spieler, der hier hinkommt, sollte schon wissen, wer am Ende der Geldgeber ist.
"Auch ich bin ein Stück weit nostalgisch"
Gibt es Spieler, die gar nicht wissen, wer oder was der VfL Wolfsburg ist?
Nein, aber sie haben manchmal vielleicht eine falsche Vorstellung von dem, was sie hier erwartet. Bundesweit ist der Ruf der Stadt ja nicht besonders gut. Aber Wolfsburg ist eine sehr lebenswerte Stadt, sehr sicher, sehr grün. Für junge Familien und Menschen meiner Generation ist das hier eine fantastische Gegend. Hier kann man sich wohlfühlen.
Ihnen persönlich fehlt nichts?
Was wir hier nicht haben, ist eine richtige Club- und Kneipenszene. Aber es gibt einen ICE-Bahnhof, an dem auch Züge halten. Das weiß ich. Man ist also auch schnell in Berlin, wenn man was anderes will.
Der Claim des VfL heißt: „Arbeit. Fußball. Leidenschaft.“ Bei welchem Punkt gibt es noch den größten Nachholbedarf?
Bei einem Fußballverein ist Fußball natürlich das Wichtigste. Aber Arbeit und Leidenschaft stehen im Prinzip davor, damit am Ende vernünftiger Fußball herauskommt. Ich würde nicht sagen, dass wir da derzeit Nachholbedarf haben.
Ist der Punkt Arbeit in Wolfsburg wichtiger als an anderen Bundesligastandorten?
Arbeit passt zu diesem Klub und zu der ganzen Stadt – Wolfsburg ist schon extrem geprägt durch VW. Das ist schon sehr dominant, was ich aber nicht schlimm finde.
Was sind die konkreten Erwartungen von VW an Sie und den VfL?
Dass wir uns stabilisieren und nicht wieder in der Relegation landen – oder noch schlimmer: sogar absteigen.
Es gab auch schon mal andere Ansprüche.
Deswegen sind viele auch überrascht. Ich finde dieses Ziel nach den vergangenen beiden Jahren …
… in denen der VfL jeweils den Relegationsplatz belegt hat …
… logisch nachvollziehbar. Aber klar, die Ziele waren hier schon mal ganz andere.
Schlummern diese Ansprüche noch irgendwo im Untergrund?
Menschen neigen dazu, in ihrer Zielsetzung euphorisch zu sein. Das ist normal. Wenn man mit 28 Punkten in die Winterpause geht, wird der eine oder andere das für sich auch auf die ganze Saison hochrechnen: Was wohl dabei herauskommt, wenn wir in der Rückrunde auch wieder 28 Punkte holen?
Wie tief müsste man ins Archiv hinabsteigen, um von Ihnen Aussagen zu finden, dass Klubs wie der VfL Wolfsburg den Wettbewerb kaputt machen?
Ich habe mich mit den Rahmenbedingungen immer abgefunden. Die Bundesliga ist ein gewachsener Wettbewerb. Sonst hätte sich der VfL doch auch nicht mehr als 20 Jahre in der Bundesliga gehalten und etabliert. Und Leverkusen sogar noch länger. Dass man immer wieder dieses Thema aufmacht und so tut, als wären wir die Schmuddelkinder, das ist nicht richtig. Ich habe mich zu solchen Aussagen nie verleiten lassen.
Das gilt dann auch für RB Leipzig.
RB Leipzig hat genau wie alle anderen eine Lizenz bekommen und ist mittlerweile ein etablierter Bestandteil dieser Liga. Punkt.
Durchs Internet geistert gerade die Frage nach der idealen Besetzung der Bundesliga. Hätte der VfL schon vor einem Jahr in Ihre Traum-Bundesliga gehört?
Damit beschäftige ich mich nicht. Für mich gibt es einen Wettbewerb - und dafür haben sich 18 Vereine qualifiziert. Der Rest interessiert mich nicht.
Ist Ihnen Nostalgie komplett fremd?
Es ist nichts, was für meine Arbeit als Manager eine Rolle spielt. Aber klar, auch ich bin ein Stück weit nostalgisch.
Ach.
Wissen Sie, ich komme aus dem Westen der Republik, da gibt es schon einige Traditionsvereine, die mittlerweile Schwierigkeiten haben, ihren Fortbestand zu organisieren. Rot-Weiss Essen zum Beispiel, Rot-Weiß Oberhausen, Wattenscheid, Alemannia Aachen, Wuppertaler SV. Ich kenne diese Klubs auch noch aus anderen Zeiten und in anderen Zusammenhängen.
Aber als Düsseldorfer schlägt Ihr Herz schon für Fortuna?
Fortuna Düsseldorf ist der Ursprung meines ganzen fußballerischen Daseins. Ich habe da mit meinem Vater und seinen Kollegen in der Kurve gestanden, später die ganze Jugend durchlaufen bis zum ersten Profivertrag. Das ist mein Heimatklub. Und Düsseldorf meine Heimatstadt.
"Der 1. FC Köln ist auch ein Retortenklub"
Empfinden Sie Tradition als Last oder Gewinn?
Tradition ist beides. Sie kann für die DNA eines Klubs und das eigene Selbstverständnis wichtig sein. Aber sie kann auch eine Belastung sein, wenn man nur in der Vergangenheit lebt. Man muss sich mit dem Hier und Jetzt beschäftigen – ohne zu vergessen, wo man herkommt. Das ist schon die Herausforderung. Aber die Frage ist auch: Wie definiere ich Tradition?
Was meinen Sie damit?
Der VfL Wolfsburg zum Beispiel ist drei Jahre älter als der 1. FC Köln. Aber wenn ich Sie frage, ob der VfL ein Traditionsverein ist, würden Sie sagen: Nein, ist ein Retortenklub. Und der 1. FC Köln? Ist streng genommen auch ein Retortenklub! Da haben 1948 zwei Klubs mit dem klaren Ziel fusioniert, ihre Kräfte zu bündeln.
Als Manager haben Sie bei Alemannia Aachen angefangen, einem anderen Traditionsverein. Was haben Sie von dort mitgenommen für Ihre Arbeit in Wolfsburg?
Man nimmt von jeder Station etwas mit. Aber Aachen war schon speziell. Als ich da angefangen habe, gab’s nichts. Nur ein Büro, einen Rechner, auf dem nichts drauf war, und drei Mitarbeiter. Für mich war das eine Art Trainee-Programm. Ich wollte herausfinden, ob ich dieser Aufgabe auf Dauer gewachsen bin, und habe quasi im Schnelldurchlauf die Funktionärslaufbahn kennengelernt. Aber ich bin auch für jede neue Erfahrung dankbar. Weil man neue Impulse bekommt, sich anpassen muss. Das macht ja auch das Leben aus, dass man sich irgendwie weiterentwickelt, nicht an einem Ort stehen bleibt, Neues einfließen lässt und seine eigenen Einstellungen noch mal hinterfragt und unter Umständen neu justiert.
Was ist die wichtigste Qualifikation, die man als Fußballmanager benötigt?
Es gibt ja gar keine. Fußballklubs sind die einzigen mittelständischen Unternehmen, die von Leuten ohne jegliche Qualifikation geführt werden. Das ist ungewöhnlich, aber es ist so. Es gibt da keine qualifizierte Ausbildung.
Aber irgendwas müssen Sie doch können?
(Lacht) Zuhören sollte man können. Nur so bekomme ich ja von anderen Menschen Dinge heraus: indem ich ihnen zuhöre und darüber nachdenke, warum sie das erzählen. Man braucht eine gewisse Empathie und sollte nicht glauben, dass man die Menschen alle bekehren muss.
Gibt es etwas, das Sie extrem nervt an diesem Business?
Ich glaube, dass wir in vielerlei Hinsicht viel zu aufgeregt sind.
Wen meinen Sie da?
Alle. Die ganze Branche.
Stehen Sie denn eigentlich gerne in der Öffentlichkeit?
Nein. Ich bediene die Öffentlichkeit, weil ich muss, weil wir ein öffentliches Produkt sind. Aber das mache ich nicht für mich, sondern für den Klub. Ich selbst brauche das nicht.
Alles, was Sie sagen, kann am nächsten Tag in der Zeitung stehen. Gibt Ihnen das ein Gefühl von Macht?
Eher Ohnmacht. (Überlegt) Nein, weiß ich nicht. Ich bin nicht völlig uneitel. Es ist aber nicht so, dass ich mir vor einem solchen Gespräch genau überlege, welche Schlagzeile ich produzieren will.
Finden Sie es in Ihrer Position zulässig, auch mal die Unwahrheit zu sagen?
Moralisch? Nein. Andererseits hat man ja oft auch keinen Spielraum mehr. Wenn ich in einer Krise sage, dass wir zum Trainer stehen, wird daraus gemacht: Das sind die berühmten letzten Worte. Wenn ich antworte, wir machen uns Gedanken, heißt es: Ein Treuebekenntnis sieht anders aus. In bestimmten Situationen können Sie machen, was Sie wollen – es wird immer gegen Sie gedreht. Dass man unter solchen Voraussetzungen versucht, sich selber ein bisschen zu schützen, kann ich nachvollziehen. Ich finde das aber nicht richtig und würde es auch nicht machen. (Überlegt) Aber es kann Situationen geben, wo man zumindest nicht die gesamte Breite der Wahrheit sagt oder Dinge ausspart. Bewusst etwas Falsches von sich zu geben, halte ich aber für grenzwertig.
"Ich bin eher dem Allgemeinwohl zugeneigt als den Eliten"
Sie haben gesagt, dass Sie auch mal für linke Positionen stehen. Welche sind das?
In der Regel bin ich politisch nicht aktiv. Offiziell zumindest nicht. Wobei ich glaube, dass jeder Mensch mit seinem Handeln und Tun politisch agiert. Aber es dürfte ja bekannt sein, dass ich eher dem Allgemeinwohl zugeneigt bin als den Interessen der Eliten.
Mannschaftssportler eben.
Es gibt ja Gründe, warum man beim Mannschaftssport landet. Es liegt auch ein bisschen an der Sozialisierung, die man erfahren hat. Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie und war auf einem Gymnasium, das eher dem linken Spektrum zugeordnet wurde. Heute ist das alles anders. Die klassische Aufteilung gibt so nicht mehr.
Wenn Sie das Drehbuch für die nächsten zehn Jahre Bundesliga schreiben dürften, wie würde das aussehen?
Dann wäre die Bundesliga ein ernstzunehmender Wettbewerb in allen Bereichen der Tabelle: um die Meisterschaft, um die internationalen Plätze und auch um den Klassenerhalt. Wenn der Wettbewerb vorhersehbar ist, wenn immer schon klar ist, dass Bayern im März Meister wird, werden uns die Leute irgendwann den Rücken zukehren und sich anderen Dingen zuwenden. Deshalb wünsche ich mir einen Wettbewerb, wie er aktuell stattfindet: dass nämlich ernsthaft um die Meisterschaft gespielt wird und zwar nicht nur von zwei Klubs, sondern idealerweise sogar von mehreren.
Das heißt: Serienmeister VfL Wolfsburg wäre für Sie auch ein Horror?
Eine Vorherrschaft, die zementiert wäre, ist immer schlecht. Egal, welche Mannschaft es ist.
In den vergangenen Wochen haben viele für Handball geschwärmt.
Ich habe auch verfolgt, was die Jungs gemacht haben. Ich mag den Sport vom Grundsatz her. Mein Vater hat Handball gespielt, mein Onkel war B-Nationalspieler, mein Bruder war, glaube ich, der letzte deutsche Feldhandballmeister. Und eigentlich sollte ich auch Handball spielen.
Als Torhüter?
Um Gottes willen. Handballtorhüter sind verrückt. Ich finde es bewundernswert, wie die sich bewegen, was die alles auf sich einprasseln lassen und wie sie damit umgehen. Aber das wäre nicht mein Ding gewesen.
Könnte Handball dem Fußball gefährlich werden?
Nein, das glaube ich nicht. Aber ich bin sehr gespannt, wie sehr das Einzelereignis WM Niederschlag findet in der Liga. Ich würde mir sehr wünschen, dass neben dem Fußball auch andere Sportarten vermehrt in der Öffentlichkeit stattfinden. Am Ende würden auch wir davon profitieren, weil es nicht gut ist, wenn der Fußball alles dominiert und auch noch das 85. Regionalligaspiel im Fernsehen übertragen wird. Es wäre besser, wenn da auch andere Sportarten stattfinden – weil es den Zugang zum Sport im Allgemeinen vereinfacht.
Herr Schmadtke, haben Sie noch einen beruflichen Traum?
(Überlegt lange) Ganz am Ende würde ich schon gerne einen Titel gewinnen. Wobei ich glaube, dass das schwierig wird. Zumindest wenn ich mich weiterhin in der Kategorie Klubs bewegen werde, in der ich mich bis jetzt bewegt habe.
Mit Wolfsburg halten Sie das nicht für möglich?
Es ist nicht ausgeschlossen, aber es ist deutlich schwieriger geworden. Im Pokal geht es. Aber in der Meisterschaft mit 34 Spieltagen? Wenn Sie sich die wirtschaftlichen Abstände anschauen? Da müsste schon sehr viel zusammenpassen.
Was braucht es dazu?
Vom Grundsatz her brauchen Sie eine stabile Fußballmannschaft und stabile wirtschaftliche Bedingungen. Dann können Sie versuchen, an dieser Mannschaft weiter zu basteln, bis sie Ihrem Ideal entspricht. Ob das dann reicht, Ihren Mitbewerber, der deutlich mehr Geld hat, hinter sich zu lassen? Schwierig.
Sind die wirtschaftlichen Bedingungen, die der VfL noch 2015 beim Pokalsieg hatte, inzwischen utopisch?
Sie sind anders. Aber ein Pokalsieg ist immer auch ein bisschen vom Losglück abhängig.
Trotzdem hatte der VfL mit de Bruyne, Perisic, Naldo, Luis Gustavo auch überragende Spieler.
Der VfL hat immer dann sehr erfolgreich gespielt, wenn er außerordentliche Spieler in seinen Reihen hatte. Das war bei der Meisterschaft so mit den beiden Stürmern Grafite und Edin Dzeko, die jede Fliege vom Pfosten geschossen haben. Die beiden alleine haben in dieser Saison 54 Tore geschossen. Andere Mannschaften wären froh, wenn sie das zusammen schaffen. Und im Pokalsiegerjahr war es ähnlich, mit Perisic, Naldo und de Bruyne, die extremst performt haben. Und um sie herum gab es noch ein in sich stabiles Gebilde, das diese Einzelkönner getragen hat.
Solche Spieler kosten halt.
Mittlerweile sind die Summen utopisch. Es wirkt ein bisschen wie ein virtuelles Spiel. Das ist kein reales Geld mehr. Irgendjemand wird das schon bezahlen, und dementsprechend wird auch damit umgegangen. Ich glaube, dass das auf Dauer zum Problem wird. Man darf sich nicht zu weit von der Realität entfernen, auch nicht mit diesen Summen. Da sind wir auf einem gefährlichen Weg. Wenn schon Spieler, bei deren Bewertung die Fantasie noch eine große Rolle spielt, 30, 40 ODER 50 Millionen kosten, wird es schwierig. Auch für die Spieler, die an solchen Zahlen gemessen werden.
Was kann man dagegen machen?
Wir müssen versuchen Spieler zu finden, die eine ähnliche Fantasie mit sich bringen, aber noch ein kleineres Preisschild umhängen haben. Das ist heute deutlich komplizierter. Als ich angefangen habe, war es schwierig, Informationen aus dem Ausland zu bekommen. Man musste sich schon da hinbewegen. Heute bin ich nur einen Klick von jeder Spielinformation entfernt, die ich brauche. Es gibt keinen Wettbewerbsvorteil mehr für den, der ein bisschen fleißiger ist.
War das der Grund, warum Sie früher oft Spieler geholt haben, die andere nicht entdeckt haben?
In Aachen war es mit Sicherheit so, dass wir mehr unterwegs waren als andere. Später in Hannover haben wir das eine oder andere Mal das Glück gehabt, dass wir uns in Märkte bewegt haben, die für andere noch nicht so interessant waren. Dadurch hatten wir einen kleinen Wettbewerbsvorteil.
Wie kompensieren Sie es, dass es diesen Vorteil nicht mehr gibt?
Indem wir möglichst früh eine Entscheidungsfindung herbeiführen. Das ist natürlich auch fehlerbehafteter als früher. Früher gab es Spieler, denen wir anderthalb Jahre gefolgt sind, um sie in den unterschiedlichsten Situationen kennenzulernen, um zu verstehen, wie sie reagieren, Um ein umfassendes Bild von ihnen zu bekommen. Das geht heute nicht mehr. Wenn jemand dreimal auf dem Spielberichtsbogen gestanden hat, kennt ihn jeder. Und wenn er zweimal auf dem Platz gestanden hat, ist er wegverpflichtet.