Nach dem Todesfall in der Formel 2: „Wir fahren am oder über dem Limit“
Sie wissen, wie gefährlich ihr Sport ist, müssen es aber ausblenden. Wie die Rennfahrer ihren Alltag nach dem Tod von Anthoine Hubert bewältigen.
Der Wagen mit der Nummer 19 fehlt. In der Garage des Formel-2-Teams BWT Arden in Monza ist nur der Frontflügel aufgebaut. Dahinter steht ein großes Bild, das einen jungen Piloten in schwarz-weiß zeigt vor der französische Flagge. Es ist Anthoine Hubert, dessen Tod nach einem schrecklichen Unfall am vergangenen Samstag in Spa-Francorchamps mit nur 22 Jahren auch beim Großen Preis von Italien noch nachwirkt. „Wir, die neue Generation, hat sowas noch nicht mitmachen müssen“, sagte der 21 Jahre alte Ferrari-Pilot Charles Leclerc. Er war gut mit Hubert befreundet.
„Es ist anders als früher, als es immer wieder Tote gab“, sagte WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton: „Damals war es eher im Bewusstsein der Menschen.“ Erst recht in Monza, wo Formel 1 und Formel 2 unter anderem mit Mick Schumacher an diesem Wochenende ihre Hochgeschwindigkeitsrunden drehen.
1955 verunglückte der zweimalige Weltmeister Alberto Ascari bei privaten Testfahrten auf dem Autodromo Nazionale tödlich. Sechs Jahre später kam der Deutsche Wolfgang Graf Berghe von Trips dort ums Leben bei einem Formel-1-Rennen, auch 15 Zuschauer starben beim Horror-Crash des damaligen Titelanwärters. 1970 überlebte der Österreicher Jochen Rindt einen Rennunfall in Monza nicht.
„Wir fahren am oder über dem Limit“, betonte Hamilton im Fahrerlager. „Es passiert viel weniger, aber der Gefahrenfaktor ist weiter da. Jeder muss sich daran erinnern.“ Die Gefahr sei Teil des Nervenkitzels, meinte Sebastian Vettel. Der viermalige Weltmeister sprach aber auch von Wecksignalen, nachdem im Sommer 2015 bereits der französische Formel-1-Pilot Jules Bianchi an den schweren Kopfverletzungen gestorben war, die er bei einem Unfall im Oktober 2014 in Japan erlitten hatte.
„Es zeigt, dass es immer noch Sachen gibt, die wir verbessern können und müssen, selbst wenn manche Menschen denken, die Formel 1 sei zu sicher und zu langweilig“, betonte Vettel. Er wolle lieber langweilige Formel-1-Weltmeisterschaften bis ans Ende aller Zeiten haben, dafür aber die verunglückten Piloten zurück, sagte der 32 Jahre alte Hesse.
Schwarzes Wochenende von Imola erschütterte Formel 1
Die Fahrer haben früher wie heute eines gemein: Sie blenden es aus, wenn sie in ihre Autos einsteigen, das Visier runterklappen und Gas geben. „Wenn du erstmal im Wagen sitzest, richtest du dich in deiner Zone ein. Du versuchst daran zu denken, was du tun musst, und du musst so hart rennfahren wie du kannst, um dich so gut wie möglich zu platzieren“, schilderte Leclerc.
Das war auch schon das Credo der Rennfahrer zu den Gefahrenhochzeiten. Von 1954 bis einschließlich 1982 kamen über 20 Piloten allein in der Formel 1 ums Leben. 1994 erschütterte dann das schwarze Wochenende von Imola den Motorsport: Zunächst starb der Österreicher Roland Ratzenberger bei der Qualifikation, tags darauf kam der dreimalige Weltmeister Ayrton Senna aus Brasilien bei einem schweren Unfall ums Leben.
Auch an- und vorangetrieben vom späteren Rekordweltmeister Michael Schumacher verbesserte die Formel 1 die Sicherheitsvorkehrungen maßgeblich. „Es ist und bleibt aber ein gefährlicher Sport, auch wenn wir weiter dran arbeiten, ihn noch sicherer zu machen“, betonte Hamilton. Der fehlende Formel-2-Wagen mit der Nummer 19, der Frontflügel in der Arden-Box und das Bild von Hubert erinnern in Monza jeden eindringlich daran. (dpa)