Vor dem Spiel gegen Hertha BSC: Wie Lasogga beim HSV vom Helden zum Buhmann wurde
Wenn der Hamburger SV am Sonntag Hertha BSC empfängt, wird Pierre-Michel Lasogga wohl wieder nur zuschauen dürfen. Das Auf und Ab des Ex-Hertha-Stürmers sagt viel über den HSV aus.
Es gab keine Notwendigkeit, sich zu beeilen. Pierre-Michel Lasogga ging in aller Ruhe Richtung Spielereingang und begrüßte die Ordner freundlich. Dabei war es schon 18.10 Uhr, in 20 Minuten sollte das Spiel beginnen. Mittwochabend, DFB-Pokal, Hamburger SV gegen Borussia Mönchengladbach. Doch Lasogga betrat das Stadion in Zivilkleidung. Und so ging er auch wieder nach Hause.
Pierre-Michel Lasogga hat in den 14 Partien der vergangenen drei Monate 26 Minuten spielen dürfen. Es gibt keinen Platz mehr für den Stürmer, der den HSV mit seinen Toren in der ersten Relegationssaison 2013/14 vor dem Abstieg bewahrte. Beim 2:2 gegen Freiburg vor zwei Wochen verpasste ihm Trainer Markus Gisdol eine symbolische Ohrfeige, als er Aaron Hunt als Stürmer aufstellte, nachdem sich Bobby Wood beim Aufwärmen verletzt hatte. In letzter Sekunde wurde Bakery Jatta auf den Spielberichtsbogen eingetragen, ein Angreifer der U 23. Und Lasogga? Der schmorte auf der Bank.
In Gisdols System mit schnellen, wendigen Angreifern spielt der wuchtige, langsame Stürmer keine Rolle mehr. „Im Moment sind andere Spieler vor ihm“, sagt Gisdol, der in den ersten fünf Spielen unter seiner Regie auf Lasogga setzte, ihn danach aber dauerhaft auf die Bank oder Tribüne setzte. Man kann das verstehen. Offensiv läuft es beim abstiegsbedrohten HSV auch ohne Lasogga halbwegs rund.
Der achterbahnartige Weg Lasoggas durch seine Hamburger Jahre sagt auch viel über den HSV aus. Als Lebensversicherung gegen den Abstieg verpflichtete Dietmar Beiersdorfer ihn 2014, machte aus dem Ausleihgeschäft mit Hertha BSC von 2013 einen Festvertrag – für 8,5 Millionen Euro und 3,4 Millionen Euro Jahresgehalt. Das ist viel. Und Lasoggas Einsatz wird immer ins Verhältnis zum üppigen Gehalt gesetzt: Muss nicht einer besonders viel laufen, der so viel verdient?
Bei den Fans und bei Hertha ist Lasogga noch beliebt
Sobald Lasogga nicht traf, gab es Verkaufsdiskussionen – Newcastle United bot einige Male um ihn. Als Bruno Labbadia vor knapp zwei Jahren kam, war Lasogga wieder erste Wahl. Die beiden verstanden sich. Doch ziemlich genau vor einem Jahr nahm sich Lasogga auch unter Labbadia seine Krise. Erst Ende der Saison kam er wieder zum Zug, steuerte beide Treffer beim 2:1 gegen Werder am 31. Spieltag bei. Wie es in Hamburg so ist, war Labbadia bald wieder weg, und Lasoggas Lage changierte nun ins Aussichtslose. Vom Helden zum Buhmann und wieder von vorn: Das kann in Hamburg schnell gehen, wobei Lasogga bei den Fans einen guten Stand hat. Auch bei Hertha ist der Stürmer immer noch beliebt. „Pierre ist ein guter Junge“, sagt Manager Michael Preetz. „Ich mag ihn.“
Beim HSV wird er jetzt auch wieder gelobt. „Charakterlich ist er ein Top- Junge“, sagt Sportchef Jens Todt vor dem Spiel am Sonntag gegen Hertha. „Er ist nicht stinkig oder lässt den Kopf hängen“, lobt Markus Gisdol. Sie wollen ihn aufbauen, denn Lasogga hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, im Gegenteil. Auch angeschlagen spielte er, verzichtete auf Geheiß Beiersdorfers einmal sogar auf eine Operation an der Schulter, um spielfähig zu sein.
Lasogga selbst schweigt zu seiner Situation. Auch seine Mutter und Beraterin Kerstin möchte nichts sagen. Klar ist, dass sich das Lasogga-Lager ungerecht behandelt fühlt. Klar ist aber auch, dass Lasogga seinen bis 2019 laufenden Vertrag erfüllen möchte. Ihm ist abzunehmen, dass er den HSV als seinen Herzensklub betrachtet. Andererseits findet sich auch kein Verein, der bereit ist, sein horrendes Gehalt zu zahlen. Also wartet Lasogga, ob Gisdol ihm womöglich bald wieder eine Chance gibt. Der Vertrag des Trainers läuft zum Saisonende aus. Ob er bleibt, ist offen. Der HSV will gern mit ihm weitermachen. Für Pierre-Michel Lasogga ist das eine schlechte Nachricht.