Pierre-Michel Lasogga im Interview: „Hauptsache, ich weiß, was ich kann“
Pierre-Michel Lasogga spricht im Interview über echte Mittelstürmer, den Aufschwung mit dem Hamburger SV und seinen Traum von der Nationalmannschaft.
Herr Lasogga, neulich stand in der „Bild“, Sie seien ein Held, aber noch kein Idol.
Ein Held? Das stand da, wirklich? Jetzt bin ich platt.
Immerhin haben Sie den HSV mindestens einmal vor dem Abstieg gerettet. Was aber fehlt Ihnen noch zum Idol?
Wahrscheinlich ein paar Jahre Lebenserfahrung. Ich bin ja kein Uwe Seeler oder Horst Hrubesch und kann mich auch nicht mit irgendeinem Plan in diese Richtung entwickeln. Ich kann nur hart für die Sympathien der Fans arbeiten. Alles andere ist Schicksal.
Sie spielen sehr körperbetont. Fühlen Sie sich mitunter auf den Spielertypen des bulligen Mittelstürmers reduziert, der ein bisschen aus der Mode gekommen ist?
Es stimmt schon, dass ich ein Strafraumstürmer bin, ich will meine Tore vorne in der Box machen. Das kann ich am besten. Aber wenn man sich die Spiele mal genau anschaut, sieht man, dass ich mir die Bälle auch aus dem Mittelfeld hole und sie verteile. Wer das nicht tun will und lieber bei seiner vorgefertigten Meinung bleibt, dem kann ich nicht helfen. Es soll ja sogar Leute geben, die sagen, Cristiano Ronaldo sei ein schlechter Fußballer. Die Hauptsache ist doch, dass ich weiß, was ich kann. Und der Trainer natürlich.
Ist es Ihnen wichtig, dass die Leute Sie als Menschen richtig einschätzen?
Ich erlebe es oft, dass ich Fans im Supermarkt treffe, die hinterher sagen: „Du bist ja viel netter als im Fernsehen!“ Nicht immer kann man diese Nähe heutzutage noch herstellen, aber sie ist mir wichtig, damit man sich auch mal austauschen kann.
Warum sind Sie im Fernsehen nicht nett?
Wer ist schon nett, wenn er gerade vom Platz kommt und 1:2 verloren hat? Ich bin ehrgeizig, ich will gewinnen, und diese Einstellung braucht ein Profi doch auch.
Aber steht Ihr unbedingter Siegeswille Ihnen nicht manchmal im Weg?
Klar, manchmal will ich mit dem Kopf durch die Wand. Aber ich habe dazugelernt und arbeite weiter an mir.
Der bisherige Höhepunkt Ihrer Karriere war das Tor beim 1:1 im zweiten Relegationsspiel gegen Fürth im Mai 2014. Wie haben Sie dieses Spiel erlebt?
Wir haben damals acht Spiele nicht gewonnen. Auch das Hinspiel gegen Fürth zu Hause endete nur 0:0. Das war grausamer Fußball, ganz schlimm. Und dann fährst du auf der letzten Felge nach Fürth und weißt, dass der HSV erstmals absteigen kann. Die Anspannung im Mannschaftshotel war enorm, das hat man in jedem Raum gespürt. Ich habe das jetzt schon zwei Mal erlebt. Das reicht für den Rest meiner Karriere.
Erzählen Sie von Ihrem Tor.
In der 14. Minute kam die Ecke, ich ging mit dem Kopf hin, und der Ball war drin. Der 40-Kilo-Rucksack auf meinen Schultern fiel plötzlich ab. Die Freude war einfach grenzenlos.
So grenzenlos, dass Sie nach dem Abpfiff vor der Fürther Ersatzbank feierten.
Mein Gott, das gehört doch zum Fußball dazu! Ich hatte ja auch Beleidigungen vom Gegner hinnehmen müssen, die wollen Sie gar nicht kennen. Außerdem hier mal ’ne Sense von hinten und da mal ’n Pferdekuss. Dass ich da mal überreagiert habe, ist doch irgendwie nachvollziehbar, oder? Hinterher haben wir uns kurz ausgesprochen, Shakehands – und fertig. Ich würde es immer wieder so machen.
Beim HSV läuft es besser. Lasogga erklärt, warum.
Offenbar läuft es jetzt besser beim HSV als in den letzten beiden Spielzeiten. Warum?
Also, zwei Mal Relegation reicht wirklich, das konnte ja nur besser werden! Unter Bruno Labbadia hat sich vieles zum Positiven entwickelt, weil er in der Vorbereitung Zeit hatte, uns richtig gut einzustellen. Es ist zwar noch nicht alles Gold, was glänzt, aber es ist einfach ein gutes Gefühl, für uns und auch für die Fans, dass wir eigentlich jeden schlagen können, wenn wir gut drauf sind, mit Ausnahme der Bayern vielleicht. Und wenn wir tatsächlich gewinnen, dann fahren wir im Bus nach Hause und lachen endlich mal wieder, statt fünf Stunden im Dunkeln zu sitzen und zu grübeln.
Ist die Stimmung in der Truppe besser als in den Jahren zuvor?
Klar, man ist immer besser gelaunt, wenn man erfolgreich ist. Aber die Stimmung war auch damals nie so schlecht, wie oft behauptet wurde. Wir kamen alle gut miteinander klar, es gab keine Stinkstiefel. Aber diese gute Stimmung haben wir nicht auf den Platz übertragen.
Bruno Labbadia war früher selbst mal Stürmer. Ein Vorteil für Sie?
Klar. Er weiß, wie es ist, wenn man auf Bälle wartet, fordert die Außenspieler öfter mal auf, mich zu versorgen. Auch insgesamt hat er endlich wieder eine klare Struktur in den Laden gebracht. Ich bin froh, dass wir ihn haben.
Welche Ziele haben Sie mit dem HSV?
Die Meisterschaft dürfte an den FC Bayern gehen. Wir wollen uns in der oberen Tabellenhälfte etablieren – und nach einer sehr schwierigen Zeit, in der der Verein Schaden erlitten hat, den Fans endlich wieder Freude bereiten
Welche Ziele haben Sie für Ihre Karriere?
Tore schießen, Vorlagen geben, der Mannschaft helfen. Das war’s schon.
Auch in der Nationalmannschaft?
Natürlich! Seit ich klein bin, träume ich davon. Ich kann mich nur aufdrängen, einladen muss mich aber natürlich der Bundestrainer.
Joachim Löw ist nicht als Fan des klassischen Mittelstürmers bekannt.
Die Diskussion über die falsche Neun wird schon lange geführt. Aber es schadet nie, eine echte Neun im Kader zu haben – und sie bringen zu können, wenn es drauf ankommt. So viele Typen von meiner Art gibt es in Deutschland nicht mehr. Deswegen können wir froh sein, dass …
… es Sie gibt?´
So drastisch wollte ich es jetzt nicht sagen. Bin ja bescheiden. (Lacht.)
Das Gespräch führte Dirk Gieselmann für 11Freunde. Ein Porträt des HSV-Stürmers finden Sie im aktuellen Heft.