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Lehren aus dem Pokalspiel. Am Samstag in München braucht Hertha BSC (Szene mit Maximilian Mittelstädt) mehr Ballbesitz als beim letzten Aufeinandertreffen.
© Reuters

Fußball-Bundesliga: Wie Hertha BSC beim FC Bayern punkten will

Hertha BSC ist mutiger und taktisch flexibler geworden. Die Transformation soll sich auch am Samstag ab 15.30 Uhr beim FC Bayern wieder zeigen.

Karim Rekik steuerte so zielsicher über den Schenckendorffplatz, wie man es von ihm gewohnt ist. Im konkreten Fall konnte sich der niederländische Innenverteidiger in Diensten von Hertha BSC nicht nur auf die Kraft seiner Beine verlassen; Rekik hatte motorische Unterstützung in Form eines kürzlich angeschafften, blau-weißen Golfcarts.

Das Gefährt soll eigentlich den Physiotherapeuten und Fitnesstrainern des Vereins dabei helfen, ihre Ausrüstung schnell und unkompliziert aus der Kabine auf den Trainingsplatz zu transportieren. Im Alltag haben es Herthas Profis allerdings längst zweckentfremdet: Rekik war nur einer von zahlreichen Spielern, die sich unter der Woche als Chauffeur verdingen durften. Die anerkannten Spaßvögel Salomon Kalou und Valentino Lazaro lümmelten dagegen auf der Ladefläche und flachsten wie Jugendliche, die zum ersten Mal Autofahren üben. Herthas inoffizieller neuer Mannschaftsbus steht offensichtlich hoch im Kurs.

Geparkt wurde das gute Stück schließlich auf Höhe der Mittellinie – und das hatte durchaus symbolischen Charakter. Zwei Jahre ist es nun her, dass Trainer Pal Dardai vorm Auswärtsspiel der Berliner in München eine ultradefensive Taktik mit folgendem wunderbaren Satz ankündigte: „Wir fahren dahin, parken den Mannschaftsbus vor unserem Tor und hoffen, dass wir vielleicht etwas mitnehmen können.“ Im Februar 2019, vor Herthas neuerlichem Gastspiel beim deutschen Fußball-Rekordmeister am Samstag (15.30 Uhr, live bei Sky), klingt das mittlerweile ganz anders. „Wir fahren nicht nach München, um dort einfach nur mitzumachen“, betont Dardai, „wir wollen da etwas holen und bereiten uns entsprechend vor.“

"Wir fahren den Bus vors Tor", sagte Dardai einst

Die Aussagen sind einerseits Ausdruck des neuen Berliner Selbstverständnisses, das nicht zuletzt auf einer erstaunlichen Tatsache beruht: In dieser Saison hat Hertha BSC noch kein Bundesliga-Spiel gegen die drei Führenden des Feldes – also Borussia Dortmund, den FC Bayern und Borussia Mönchengladbach – verloren. Andererseits verdeutlichen sie die spielerische Entwicklung, die Berlins führendes Fußball-Unternehmen in nunmehr vier Jahren unter der Verantwortung Pal Dardais genommen hat.

Vor dem jüngsten Duell gegen die Bayern im Pokal-Achtelfinale hat der Ungar die Transformation seines Teams in einem Interview mit dem „Spiegel“ zusammengefasst. „In meinem ersten Jahr haben wir nur gebunkert und dann gekontert. Dann, im zweiten Jahr, hatten wir ein gutes Mittelfelddreieck, aber kein schnelles Umschaltspiel“, analysierte Dardai, „und heute spielen wir viel kreativer mit guten Spielzügen und sehr schönen Toren.“ Zu sehen erst kürzlich beim viel beachteten 3:0-Sieg der Berliner gegen ein Mönchengladbacher Team, das bis dahin zuhause ungeschlagen war.

Auch Michael Preetz ist die Verwandlung nicht entgangen. Als Referenzgröße führt Herthas Manager den 2:0-Sieg über die Bayern Ende September an, Herthas ersten gegen die sonst so übermächtigen Münchner nach beinahe zehn Jahren. „Das war ein ganz anderes Spiel als die vorangegangenen, weil wir deutlich mehr Akzente nach vorn gesetzt und nicht ganz unverdient gewonnen haben“, sagt Preetz. „Der Schlüssel, um gegen die Bayern zu punkten, ist Mut und eine gute Balance zwischen Angriff und aufmerksamer Verteidigung.“ Oder wie es Pal Dardai vor dem Spiel formulierte: „Wir müssen unsere Arbeiterrolle so akzeptieren, wie es die Bayern in der Champions League gegen Liverpool getan haben.“ Gleichwohl müsse jedem klar sein, dass rein defensives Denken gegen hochklassig besetzte Gegner eben nicht die beste Verteidigung ist: „Mit 20, 25 Prozent Ball ist gegen Bayern nichts zu holen“, sagt Dardai.

Hertha ist taktisch flexibler geworden

Dass die Berliner in dieser Saison selbstsicherer, mutiger und offensiver auftreten, hat auch taktische Gründe. Im Sommertrainingslager 2018 im österreichischen Schladming lag der Fokus des Trainerstabes primär darauf, der Mannschaft ein zweites, modifiziertes System zu implementieren und für Notfälle an die Hand zu geben, sozusagen einen Plan B. Mittlerweile haben die Protagonisten diesen Plan verinnerlicht; phasenweise stellt Dardai seine Taktik sogar mitten im Spiel um, beispielsweise von einer Dreier- auf eine Viererkette oder umgekehrt.

„Für den Gegner ist es schwerer, sich auf uns vorzubereiten, wenn wir mehrere Systeme beherrschen“, sagt Innenverteidiger Karim Rekik. Vor allem sei die neue Flexibilität hilfreich, wenn das Spiel nicht so läuft wie erwartet oder der Matchplan nicht funktioniert, ergänzt der Niederländer. „Dann können wir reagieren. Jedes Spiel läuft anders – und wenn ein System nicht klappt, funktioniert die andere Variante vielleicht umso besser.“ Wie begründet diese Hoffnung in der Praxis ist, wird sich spätestens am Samstagnachmittag zeigen.

Herthas letzter Auswärtssieg in München stammt jedenfalls aus einer Zeit, als die Dreier- respektive Viererkette noch gar nicht erfunden war und alle Bundesligisten verlässlich mit Libero spielten: Er ist auf den 29. Oktober 1977 datiert.

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