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Abfahrtsrennen. Christopher Froome (im Gelben Trikot) zeigt neuerdings seine Qualitäten auch dann, wenn es bergab geht.
© dpa

Tour de France: Wie Christopher Froome bei der Talfahrt verblüffte

Christopher Froome erstaunte die Konkurrenz bei der Tour de France mit seiner Taktik und Technik. Richtig elegant sah er dabei aber nicht aus.

Der Frust saß tief. Seit Jahren belächelt die Radsportszene die Kontrollsucht und Datenversessenheit von Team Sky. „Alles kleine Soldaten“, mokierte sich der frühere Sprinterkönig Mario Cipollini. Natürlich war angesichts der Erfolge auch immer Bewunderung mit im Spiel. Viele Rennställe übernahmen Konzepte, die Sky erstmals entwickelt hatte. Aber das Lob enthielt meist auch eine Bemerkung darüber, dass Sky nur eines könne: große Rundfahrten gewinnen und dabei dem immer gleichen Programm zu folgen.

Bei der zweiten Pyrenäenetappe dieser Tour de France strafte Christopher Froome all diese Kritiker Lügen. Gut, der Sky-Zug übernahm wie gewohnt die Kontrolle auf den Anstiegen. Vier, fünf, sechs Mann fuhren vor ihrem Kapitän und dünnten das Peloton aus. Erst auf dem Gipfel des Col de Peyresourde trat Froome dann an – und jagte statt bergauf selbst ins Tal. Ein echtes Novum.

Ein beachtliches Maß an Körperbeherrschung

„Ich hatte einfach Lust auf die Abfahrt und wollte sehen, wer noch mitmacht“, erzählte Froome später vergnügt. Nun, es machte niemand mit. Zu verblüfft war die Konkurrenz. Auf der Abfahrt baute der Brite seinen Vorsprung sogar aus. Er bediente sich dabei einer Technik, die bei ihm eher etwas verquer aussah. Mit seinen dünnen, spitz abgewinkelten Gliedmaßen wirkte er wie ein Huhn, das man auf einen metallenen Untersatz geschnallt und den Berg heruntergeschubst hatte. Das Gesäß rutschte aus dem Sattel und platzierte sich davor auf dem Oberrohr. Der gesamte Oberkörper lag auf Rahmen und Lenker. Die spitzen Ellenbogen klebten neben den Pobacken und die Knie trafen beim Pedalieren fast die Ohren. Beim slowakischen Radartisten Peter Sagan, der diese Technik bei der letzten Tour de France bei seiner Hatz auf Gap gezeigt hatte, sah dies noch irgendwie klasse aus, bei Froome eher eigentümlich.

Ein beachtliches Maß an Körperbeherrschung gehört aber dazu. Wer als ausgewachsener Mensch schon mal auf einem Kinderfahrrad saß und versuchte, damit schnell zu sein, bekommt eine Vorstellung von Froomes Leistung. Der kam damit auf beachtliche 90 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit – und hatte im Ziel 13 Sekunden Vorsprung auf Quintana. Hinzu kamen noch zehn Sekunden Zeitgutschrift für den Etappensieg.

Lust und Instinkt folgen bei Sky einem Plan

Den neuen Froome zeichnet aus, sich gar nicht so sehr über den Sieg, den Vorsprung und das errungene Gelbe Trikot zu freuen, sondern über die Art und Weise seines Coups. „Ich habe mich unterwegs wie früher als Kind gefühlt. Du strampelst einfach so viel du kannst“, meinte er. Und am Ruhetag in Andorra stellte er noch einmal heraus, wie anders er jetzt geworden sei: „Seht ihr, ich schaue gar nicht mehr so viel auf das Powermeter. Ich entscheide jetzt viel mehr nach Lust und Instinkt.“

Nun ja, auch Lust und Instinkt folgen bei Sky einem Plan. Sky-Boss Dave Brailsford hat in dieser Saison diese Faktoren als neue Leistungsgrößen entdeckt und in sein Konzept der „marginal gains“, der Summe der nebensächlichen Effekte, integriert. „Wir mussten einfach etwas Neues machen. Wenn man immer das Alte macht, stagniert man. Die Rennfahrer haben jetzt etwas mehr Freiheit“, sagte Brailsford dem Tagesspiegel am Ruhetag in Andorra. Entspannt lächelnd fügte der Glatzkopf aus Wales hinzu: „Die Ergebnisse zeigen ja, dass es erfolgreich ist.“

Kein Motor gefunden

In einem Spitzenfeld, dass sich bei dieser Tour bislang bergauf neutralisierte, hat Froome nun eine interessante neue Waffe in sein Arsenal übernommen. „Die anderen Teams können es jetzt nicht locker angehen lassen, wenn eine Abfahrt kommt. Sie wissen jetzt, dass Froome auch da attackieren kann“, sagte Ex-Profi Rolf Aldag, aktuell Head of Performance beim Rennstall Dimension Data. Auch das gehört zur Nachbetrachtung von Froomes Bergab-Show.

Und dann war da noch ein Nebeneffekt, über den sich der Brite freuen durfte. Eine Diskussion über seine Leistungsdaten gab es bei der Pressekonferenz am Ruhetag im Unterschied zum letzten Jahr nicht. Bergab schnell zu sein, ist vor allem eine Frage der Technik. Wattzahlen treten in den Hintergrund. Und um weitere Zweifel auszuräumen untersuchte die UCI Froomes Rad mit Röntgenstrahlen. Stand jetzt wurde kein Motor gefunden.

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