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Frage des Stils: Chris Froome kam ohne die für sein Team Sky typische Bahnfahrerausbildung ins Team und beanspruchte ganz ohne Meriten eine wichtige Rolle im Team. Das kam in Großbritannien nicht gut an.
© rtr

Trotz Gesamtsieg bei der Tour de France: Erfolgreich und kein Sir - Chris Froome bleibt ungeliebt

Stilistische Gründe und ein bisschen Neid: Chris Froome bleibt in seiner Heimat England unbeliebt - und Franzosen mögen Tour-Sieger traditionell nicht.

Eigentlich ist Chris Froome der perfekte Schwiegersohn. Der britische Radprofi ist ausgesprochen höflich, sehr freundlich und gibt sogar Interviews auf Französisch. Das kommt gewöhnlich gut im Gastgeberland der Tour de France. Zudem ist Froome auch sportlich erfolgreich, wie sein zweiter Gesamtsieg bei der legendären Frankreich-Rundfahrt zeigt. Am Samstag verteidigte er auf der vorletzten Etappe nach L’Alpe d’Huez sein Gelbes Trikot vor dem Kolumbianer Nairo Quintana. „Es war unglaublich emotional. In Gelb ins Ziel zu kommen, ist ein Traum“, sagte Froome. Den Sieg auf der letzten Alpenetappe sicherte sich der Franzose Thibaut Pinot vor Quintana. Auf der abschließenden 21. Etappe am Sonntag nach Paris wurde der Führende traditionell nicht mehr angegriffen.

Trotzdem ist Froome nicht sonderlich beliebt, weder bei den Franzosen noch im Peloton. Letzteres hat vor allem stilistische Gründe, und ein bisschen spielt wohl auch Neid eine Rolle. „Hey, ich habe gar nichts gegen Froome. Aber seinen Stil werde ich niemals leiden können. Er wirkt doch wie so ein Moped aus den siebziger Jahren“, sagt stellvertretend Brian Holm, sportlicher Leiter beim Team Etixx Quick Step, und macht mit Armen und Oberkörper die ungelenk wirkende Haltung Froomes nach. Alberto Contador ist für ihn hingegen das Ebenbild eines Ducati-Motorrads. In diesem Zweiradvergleich geht es gar nicht um wie auch immer geartete unerlaubte Unterstützung, sondern einzig und allein um Stil.

Weniger beliebt ist Froome im Peloton auch, weil er nicht die übliche Ochsentour ging, sondern ganz plötzlich als Klassementfahrer auftauchte. In einem Sport, in dem man Jahre braucht, um eine athletische Basis aufzubauen, sind solche Durchstarter nicht unbedingt beliebt.

Das Problem von Chris Froome: Er ist kein Sir

Nicht einmal in Großbritannien, dem Land, für das Froome nun schon den zweiten Toursieg so gut wie sicher hat und damit sogar Landsmann Bradley Wiggins aussticht. Doch genau das ist das Problem. Denn Wiggins zu überstrahlen, versuchte Froome bereits 2012, als er nur der Helfer war, aber stärker in den Bergen. Bei einer tiefschürfenden Erkundung der Frage, warum selbst die Briten den in Belgien geborenen Sohn des Australiers Gary Wiggins dem in Kenia geborenen Sohn des Briten Clive Froome vorziehen, kam die BBC zum Schluss, dass vor allem die Aufsteigerattitüde störte. Froome kam ohne die für sein Team Sky typische Bahnfahrerausbildung ins Team und beanspruchte ganz ohne Meriten eine wichtige Rolle im Team. Und dann forderte er eben Wiggins heraus, den Sir. Ein Sir ist Froome noch nicht, trotz größerer Erfolge bei der Tour. Auch das ist eine Aussage über ihn.

Weil Froome so ungerecht behandelt wird, müssten ihn die Franzosen eigentlich lieben. Denn sie mögen die, denen Unrecht widerfährt. Raymond Poulidor, der acht Mal auf dem Podium einer Tour de France stand, sie aber nie gewann, ist den Franzosen mittlerweile näher als dessen ewiger – und fünf Mal siegreicher – Kontrahent Jacques Anquetil.

Die Franzosen mögen Tour-de-France-Sieger einfach nicht

Wenn die Franzosen besser englische Medien lesen könnten, würden sie in ihren Herzen vielleicht auch einen Platz für Froome finden. So aber kratzen sie die Reste ihres Schulenglischs zusammen und schreiben „Fuck Sky“ auf weiße Bettlaken. Das Team kommt ihnen wie eine Maschine vor, der schwarzblaue Zug erinnert an das ungeliebte US-Postal-Team zu Zeiten von Lance Armstrong. Und sie mögen Sieger einfach nicht. Das musste auch der größte aller Radsportsieger erfahren: Eddy Merckx. Fünf Toursiege hatte er schon. Auf dem Weg zu seinem sechsten im Jahre 1975 boxte ihn ein Zuschauer auf der Königsetappe nach Puy-de-Dome in die Rippen – Merckx verlor die Etappe und auch die Tour.

Beim großen Belgier dauerte es fünf Toursiege bis zur ersten tätlichen Attacke. Froome wurde bereits auf dem Weg zu seinem zweiten Triumph von Zuschauern mit Spucke und Urin attackiert. Auch am Samstag wurde er wieder bespuckt. Frankreich muss auf die Couch, um sein Verhältnis zu Siegern zu analysieren. Und Froome verdient zumindest den Respekt, der einem Athleten gebührt, der nur mit der Kraft seiner Beine seinen schärfsten Kontrahenten einfängt und das Gelbe Trikot verteidigt. Genau das machte er bei der vorletzten Touretappe gestern, auch wenn ihm Quintana mehr als eine Minute abnahm – aber nicht das Gelbe Trikot.

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