Trainersuche bei Hertha BSC: Wer beerbt Pal Dardai im Sommer?
Herthas Suche nach einem neuen Trainer für die Profimannschaft ist heikel - weil zu viele Klubs ein und denselben Typus Coach suchen. Eine Analyse.
Pal Dardai ist bisher weder als Spieler noch als Trainer durch einen besonderen Hang zu Selbstzweifeln aufgefallen. Dardai weiß, was er kann, und trotzdem dürfte es ihm gefallen haben, dass seine Arbeit nicht nur in Berlin wahrgenommen, sondern auch andernorts geschätzt wird – gerade jetzt, da ihm offenbar nicht mehr zugetraut wurde, die Entwicklung von Hertha BSC entscheidend voranzubringen. Am Wochenende wurde berichtet, dass der 43 Jahre alte Ungar ein Angebot des 1. FC Köln ausgeschlagen habe. Nur Pal Dardai hat davon leider nichts mitbekommen. Zumindest hat er das am Donnerstag gesagt: „Ich weiß nicht, woher das kommt.“
Unabhängig davon, ob die Meldung nun stimmte oder nicht: Man muss als halbwegs erfolgreicher Trainer derzeit nicht allzu viel machen, um an gleich mehreren Orten im Gespräch zu sein. Das ergibt sich fast von selbst. Herrliche Zeiten sind das. Weniger herrlich sind die Zeiten für Vereine, die einen Trainer suchen. Davon gibt es im Moment einfach ein paar zu viele.
Sieben Klubs gehen mit neuem Trainer in die Saison - mindestens
Von den achtzehn Bundesligisten werden mindestens sieben mit einem anderen Trainer in die neue Saison gehen als mit dem, der derzeit bei ihnen auf der Bank sitzt. Einige Klubs (Leipzig, Gladbach, Hoffenheim, Wolfsburg) können sich glücklich schätzen, dass sie ihren neuen Mann bereits verpflichtet haben. Andere suchen noch. Dazu zählt auch Hertha BSC.
Michael Preetz, der Manager der Berliner, hat sich bisher mit Kommentaren zu Dardais möglichem Nachfolger sehr zurückgehalten. Das Anforderungsprofil des neuen Trainers werde er ganz sicher nicht in der Öffentlichkeit ausbreiten, hat er gesagt, „aber es ist selbstverständlich so, dass wir jemanden suchen, der die DNA des Vereins versteht und das behütet, wofür wir stehen und was uns wichtig ist“. Also jemanden, der gut mit Talenten kann und junge Spieler entwickelt. Der gerne auch taktische Flexibilität mitbringen darf und idealerweise bereits nachgewiesen hat, dass er Mannschaften besser macht.
Das Problem ist: Einen solchen Trainer suchen fast alle Klubs, die derzeit noch ohne sind. David Wagner (zuletzt Huddersfield) und Tim Walter (Holstein Kiel) wären zwei, die bei diesem Jobprofil in Frage kämen, aber der eine – Wagner – soll vor einem Engagement beim FC Schalke 04 stehen, der andere das Interesse des VfB Stuttgart geweckt haben.
Von den Trainern, die auf Herthas Liste angeblich weit oben gestanden haben, mussten drei bereits gestrichen werden: Gerardo Seoane, der lieber beim Schweizer Meister Young Boys Bern bleibt, Jürgen Klinsmann und eben Wagner. Aber das ist nicht schlimm. Dann wird eben der nächste gehandelt – und das ist jetzt Bruno Labbadia.
Nach dem Klassenerhalt vor einem Jahr befindet sich Labbadia mit dem VfL Wolfsburg gerade auf geradem Wege in den Europapokal. Vor gar nicht langer Zeit wäre er mit seiner Vita der größte Name auf dem Trainermarkt gewesen. Aber der Markt hat sich geändert: Labbadia, 53, ist weder jung noch unverbraucht, und vielleicht ist er auch in seiner methodischen Herangehensweise nicht mehr innovativ genug. Trainer wie Labbadia (oder auch Dieter Hecking, 54) gelten inzwischen nur noch als B-Lösung.
Bei der Trainersuche kann man auch zu früh dran sein
Auch der Fußball hat seine Moden, und im Moment geht der Trend eindeutig zum Nerd. Trainer wie Thomas Tuchel oder Julian Nagelsmann gelten als erfolgreiche Rollenvorbilder, an denen sich die Branche orientiert. Man muss nicht 267 Bundesliga- und 43 Länderspiele bestritten haben, um einen der raren Trainerposten im Profifußball zu bekommen. Ein paar Jahre als Trainer im Nachwuchs werden inzwischen als wertvoller eingeschätzt.
Das liegt auch daran, dass die Profis von heute anders konditioniert sind. In den Nachwuchsleistungszentren haben sie schon früh unter professionellen Bedingungen mit entsprechend geschulten Trainern gearbeitet. Den Zöglingen der Jugendakademien reicht es nicht, wenn man ihnen sagt: Du musst in die Zweikämpfe kommen. Man muss ihnen auch erklären, wie das geht.
Drei Spiele sind es noch bis zum Saisonende, dann folgt für Hertha BSC die PR-Tour durch die USA, anschließend die Sommerpause. Es bleiben also noch ein paar Wochen für die Suche nach dem neuen Trainer. Und trotzdem wächst angesichts der besonderen Marktsituation im sogenannten Umfeld die Erregung. „Davon dürfen wir uns nicht beeinflussen lassen“, sagt Manager Preetz. „Ich bin ruhig. Ich bin nicht aufgeregt.“
Theoretisch könnte man ja auch zu früh dran sein – falls in den nächsten Tagen und Wochen noch Trainer auf den Markt kommen, mit denen aktuell nicht zu rechnen ist. Ganz im Süden des Landes zum Beispiel soll es einen geben, der einen recht engen Bezug zu Hertha BSC hat. Und der trotz Platz eins in der Bundesliga im eigenen Klub nicht ganz unumstritten ist.