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Zuletzt nicht mehr wirklich auf einer Wellenlänge: Trainer Pal Dardai und Manager Michael Preetz (r.).
© dpa

Was kommt nach Pal Dardai?: Hertha BSC sucht einen neuen Impuls

Pal Dardai ist nicht mehr lange Herthas Cheftrainer. Sein Nachfolger wird sich an dessen Arbeit messen lassen müssen. Das weiß auch Manager Michael Preetz.

Am Mittwoch um 16 Uhr steht für die Profis von Hertha BSC ein netter Termin an. Im Rahmen der sogenannten Kiezkicker-Tour geht Berlins Fußball-Bundesligist im Willy-Kressmann-Stadion in Kreuzberg auf Tuchfühlung zu seinen Anhängern. Die Fans können sich vor der offiziellen Trainingseinheit Autogramme und Erinnerungsfotos holen, für den Nachwuchs gibt es Mitmachstationen und das leibliche Wohl ist natürlich ebenfalls garantiert.

Es sind auch Termine wie dieser, bei denen Pal Dardai immer wieder zu glänzen weiß. Er kann sich dann so bodenständig und bürgernah geben, wie er es in nunmehr viereinhalb Jahren als Cheftrainer der Profi-Mannschaft stets getan hat. Kann im Interview mit dem Stadionsprecher Anekdötchen aus tausendundeinem Spiel erzählen und den netten Herrn Dardai geben, den die Fans als Identifikationsfigur und Rekordspieler des Vereins so schätzen. Allerdings wird es sich, soviel steht seit Dienstag fest, um den vorerst letzten Termin auf der Kiezkicker-Tour handeln, dem Dardai als Verantwortlicher des Bundesligisten vorsteht. Wie Hertha nach aufwühlenden, ereignisreichen und sportlich dürftigen Wochen mit fünf Niederlagen in Folge am Dienstagvormittag bekannt gab, endet die Zusammenarbeit mit dem Ungarn im Sommer 2019, also nach den verbleibenden fünf Begegnungen der laufenden Spielzeit. Am Montag hatten bereits die Gremien des Vereins getagt, am Dienstag fiel die finale Entscheidung nach einem Treffen zwischen Manager Michael Preetz und eben Dardai.

Nach einer „eingehenden Analyse der Gesamtsituation“ sei man gemeinsam und einvernehmlich zu der Erkenntnis gelangt, „dass eine Veränderung auf der Trainerposition die richtige Entscheidung ist“, heißt es im handelsüblichen PR-Duktus in einer Mitteilung des Vereins. „Pal ist ein wichtiger Bestandteil der positiven Entwicklung unseres Klubs und wird auch über seine Zeit als Cheftrainer der Profis hinaus ein großer Faktor der Hertha-Familie bleiben“, wird Manager Michael Preetz zitiert. „Viereinhalb Jahre sehr guter, konstruktiver Zusammenarbeit sind eine lange Zeit im Profigeschäft“, heißt es weiter. Tatsächlich war Dardai hinter dem ewigen Christian Streich vom SC Freiburg dienstältester Bundesliga-Trainer. Nun brauche es allerdings einen „neuen Impuls“.

„Für mich waren das sehr intensive und ereignisreiche Jahre. Ich bin dankbar für diese Chance und sehr stolz darauf, was wir in dieser Zeit gemeinsam erreicht haben“, sagt Dardai. Manchmal sei es aber an der Zeit für eine Veränderung – und der will er nun keinesfalls im Weg stehen. „Ich habe immer betont, dass es mir um das Beste für Hertha BSC geht, denn Hertha ist und bleibt mein Zuhause.“ Nach einer Auszeit soll Dardai 2020 wieder als Nachwuchstrainer einsteigen – also in genau jener Funktion, die er vor der Amtseinführung bei den Profis bekleidete.  

Dardai hat Preetz einst vor Debatten um den eigenen Posten bewahrt

Der 43-Jährige hatte die Berliner Profis im Februar 2015 in akuter Abstiegsgefahr von seinem Vorgänger, dem Niederländer Jos Luhukay, übernommen und zum Klassenerhalt geführt. Wenig später verzichtete er – wenn auch nicht ganz freiwillig und auf ausdrücklichen Wunsch des Vereins – sogar darauf, weiterhin die ungarische Nationalmannschaft zu betreuen. Mit seinem Heimatland hatte Dardai zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich den Großteil der Qualifikation absolviert, die die Ungarn schließlich zum ersten Mal nach 44 Jahren wieder zu einer EM-Endrunde führen sollte. Für seine geliebte Wahlheimat, für Hertha BSC, ließ er den Posten des Nationaltrainers dann sausen.

Hertha ist der Hauptstadtclub. Ein bisschen Dieter Hoeneß'scher Größenwahn wäre schon nicht schlecht. Aber Preetz + Gegenbauer stehen eher für Provinz.

schreibt NutzerIn mackie

Dardais vielleicht größer Verdienst bestand darin, dass Hertha nach seiner ersten halben Saison in den folgenden Jahren nicht einmal in ernsthafte Abstiegsgefahr geriet – im Gegenteil: Die Berliner qualifizierten sich sogar zwei Mal für den Europapokal, wenngleich die Reise in beiden Fällen zu Ende war, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte; einmal scheiterte Hertha in der Qualifikation an Brondby Kopenhagen, im Jahr darauf war nach der Gruppenphase Schluss.

In Berlin führte das – verständlicherweise – dazu, dass plötzlich ganz neue Ambitionen formuliert wurden. Auch Dardai gab sich als Freund und Förderer des Fortschritts; er implementierte seinem Team in enger Zusammenarbeit mit seinen Co-Trainern ein neues, offensiver ausgerichtetes Spielsystem, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Gleichwohl verfolgte ihn ein Umstand, der am Ende nicht ganz unerheblich für sein vorzeitiges Vertragsende gewesen sein dürfte: die aus Berliner Sicht fast schon traditionell schlechte Rückrunde. Manager Preetz formulierte öffentlichkeitswirksam Kritik an seinem ehemaligen Mitspieler und Weggefährten und bemängelte unter anderem die fehlende sportliche Weiterentwicklung der Mannschaft.

Viele Hertha-Fans verstanden diese Tatsache als Affront gegen ihren hochgeschätzten Pal – zumal Dardai seinerzeit derjenige war, der Preetz vor Debatten um den eigenen Posten bewahrte. Nach unglücklichen, wenig zielführenden Trainerverpflichtungen – stellvertretend sind etwa Michael Skibbe und Otto Rehhagel zu nennen – war Dardai so etwas wie die letzte Patrone im Revolver des Managers: sie musste einfach sitzen. Und sie saß. Jedenfalls viereinhalb Jahre lang.

Umso spannender wird nun die Frage sein, wie der Verein Dardais Nachfolge zu klären gedenkt. Eine interne Lösung wie damals in der Causa Dardai, so heißt es, stehe diesmal nicht zur Debatte. In jedem Fall steigt der Druck auf Manager Michael Preetz, der nach Jahren erstaunlicher Ruhe im Verein eine mutige – man könnte auch sagen: eine gewagte Entscheidung gegen Dardai getroffen hat. Im Grunde verhält es sich wie im Februar 2015 vor der Inthronisierung Dardais: Preetz‘ nächste Entscheidung muss nicht nur sitzen, sie muss auch das Umfeld und die Fans überzeugen.   

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