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Bisher gefragt: Benni Zander (rechts) arbeitet als freier Kommentator.
©  Twitter

Freie Sportjournalisten kämpfen um die Existenz: „Wenn sich das zieht, wäre das eine Katastrophe“

Der Sport ruht – und damit auch das tägliche Brot der Sportberichterstattung. Vor allem Freischaffende sind bedroht. Sie hoffen auf staatliche Unterstützung.

Die Rechnung ist simpel: Ruht der Sport, kommen irgendwann auch die, die von ihm berichten und davon leben, in Probleme. Wann wieder Fußball oder Basketball gespielt wird, wann die Turner wieder auf die Matten oder die Schwimmer ins Becken dürfen, ist derzeit nicht zu beantworten. Es herrscht Stillstand und niemand weiß wie lang. „Ich habe gerade schlicht und ergreifend nichts zu tun“, sagt Benni Zander.

Normalerweise ist das bei ihm anders. Zander ist freier Moderater und Kommentator beim kostenpflichtigen Streamingdienst Dazn, bei Magentasport und bei Amazon Music. Die Bundesliga, die Dritte Liga, die Basketball-Bundesliga, die NBA und die Euroleague begleitet Zander Woche für Woche – eigentlich. „Für meinen Job muss ich immer irgendwo vor Ort sein. In einem Stadion, einer Halle oder einer Kommentatorenbox. Das ist gerade alles abgesagt“, sagt Zander. Fünf Übertragungen brachen in der vergangenen Woche weg, Besserung ist nicht in Sicht.

„Worüber schreiben wir? Das ist die große Frage“

André Voigt schreibt und redet hauptberuflich über Basketball. Er ist Chefredakteur des Fachmagazins „Five“, Host des Podcasts „Got Nexxt“ und als Experte bei NBA-Übertragungen bei Dazn im Einsatz. Der weltweite Spielstopp Basketball trifft auch ihn. „Wir müssen jetzt andere Themen und Geschichten finden, die die Leser interessieren“, sagt er. Voigt weiß aber auch: „Wenn sich das über sechs bis acht Monate zieht, wäre das eine Katastrophe. Dann wüsste ich auch irgendwann nicht mehr, worüber ich schreiben soll.“

Auch Nicole Selmer sieht diese Gefahr: „Worüber schreiben wir? Das ist die große Frage. Unsere redaktionelle Planung wirft das total um.“ Selmer gehört der Chefredaktion des österreichischen Fußballmagazins „Ballesterer“ an, arbeitet aber auch als freie Journalistin.

„Ich hätte eine Veranstaltung auf der Leipziger Buchmesse moderieren sollen. Außerdem betrifft mich der Ausfall der EM 2020 stark. Dort hätte ich mehrere Jobs gehabt. Für den ,Ballesterer’ ist das auch hart, da das Heft zur EM das vermutlich bestverkaufte des Jahres wäre“, sagt sie. Das Magazin startete nun eine öffentliche Kampagne, in der es um Unterstützung der Leser in Form von Geldspenden oder Abonnementabschlüssen bittet.

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Während freie Journalisten derzeit kaum oder gar nicht arbeiten können, muss vor allem bei Festangestellten ein inhaltliches Umdenken stattfinden. Benjamin Kuhlhoff ist Teamleiter des deutschsprachigen Newsroomteams bei der App Onefootball. Kuhlhoff sieht trotz aller Schwierigkeiten auch Chancen für die Berichterstattung: „Jetzt bietet sich die Möglichkeit, eigene Themen zu setzen und die größer abzubilden.“ Generell glaubt Kuhlhoff, dass sich gerade im Fußball in den nächsten Wochen und Monaten noch Themen ergeben werden, zum Beispiel die Entscheidungen der Verbände zum Spielbetrieb: „Es wird Entscheidungen geben, die den Fußball beeinflussen.“

Aber auch Kuhlhoff geht davon aus, dass das Interesse der Leser vorerst kontinuierlich abnehmen werde, was auch finanziell spürbar werden könnte: „Der Anzeigenmarkt wird beispielsweise kleiner werden.“ Mögliche Kürzungen von Stellen, um den Aufwand an die Nachrichtenlage anzupassen, seien aber keineswegs geplant: „Bei uns sind alle Jobs sicher.“

Nichts als Ruhe: Wenn das Stadion leer bleibt, gibt es auch kaum mehr etwas zu berichten.
Nichts als Ruhe: Wenn das Stadion leer bleibt, gibt es auch kaum mehr etwas zu berichten.
© Fabian Strauch/dpa

Freie Sportjournalisten könnte es härter treffen, je länger es keine Aufträge zu verteilen gibt. Selmer geht von persönlichen Einbußen von 5000 Euro bis Ende Juni aus. „Solange es staatliche Unterstützung im Sinne von Erleichterungen bei Steuerzahlungen oder der Miete oder Subventionsprogramme bei Gewinneinbußen gibt, kommen wir vielleicht alle durch“, sagt sie. „Wenn sich die aktuelle Phase über Monate zieht, wird es irgendwann existenziell.“

Mittlerweile hat der Staat bereits finanzielle Hilfen für Kleinbetriebe und Selbstständige bereitgestellt. Bis zu 5000 Euro können Freiberufler daraus erhalten. Allein in Berlin haben sich am ersten Tag nach der Ankündigung mehr als 100.000 Menschen auf die Zuschüsse beworben.

Benni Zander begrüßt, dass auch gezielt den Selbstständigen geholfen wird. „Natürlich sind wir Selbstständige oftmals Einzelkämpfer und keine großen Konzerne“, sagt er. „Aber das eine sollte man nicht gegen das andere aufwiegen.“ André Voigt erkennt die Wichtigkeit ebenfalls und fasst das Problem sogar noch weiter: „Die kleinen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, das sind die, die vor allem Hilfe brauchen. Und das betrifft nicht nur Journalisten.“

Louis Richter

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