Sportfernsehen und Coronavirus-Krise: „Sonst läuft bei mir immer nur Sport“ – ein Fan erzählt
Der Berliner Glen Roters muss in der Coronavirus-Krise auf sein liebstes Hobby verzichten. Ein Interview über Entzug und Alternativen.
Glen Roters, 44 Jahre und aus Berlin, schaut in fast jeder freien Minute Sport. Er nutzt zahlreiche TV- und Internetanbieter. Zurzeit gibt es für den Angestellten einer Softwarefirma wegen der Coronavirus-Pandemie fast nichts mehr zu sehen.
Herr Roters, wann haben Sie das letzte Fußballspiel live gesehen?
Es kommt mir ewig her vor. Vorigen Montag habe ich mir morgens vor der Arbeit Newcastle Jets gegen Melbourne City in der australischen A-League angeschaut.
Hat es sich gelohnt?
Das Spiel war unterhaltsam. Newcastle hat 2:1 gewonnen. Am Ende gab es eine tolle Geste. Schon vorher hatte festgestanden, dass auch diese Liga wegen der Ausbreitung des Coronavirus unterbrochen wird, vielleicht wird sie abgebrochen. Newcastles Torwart Glen Moss wurde daher eingewechselt, damit er auf 250 Ligaspiele kommt. Moss ist 37, es hätte sonst passieren können, dass er seine Karriere bei 249 Spielen beendet.
Nun ruht auch in Australien der Ball. Was bleibt Ihnen an Live-Sport?
Leider nichts. Es sind kaum noch Ligen aktiv. Myanmar hat noch recht lange gespielt, allerdings waren die Spiele hier nicht zu empfangen. Kürzlich hat der japanische Sender NHK Sumoringen übertragen, weitere Sendetermine sind mir aber nicht bekannt
In Weißrussland geht’s noch weiter.
Die Ligen sind bei uns jedoch auch nicht zu bekommen. Wobei ich letztens bei Youtube eine Live-Übertragung eines Fußballspiels auf Kleinfeld aus Weißrussland gefunden habe.
War das eine Liga?
Das wüsste ich auch gern. Aber das Spiel fand mit Trikots, Schiedsrichter und Kommentator statt. Solche exotischen Sachen gucke ich besonders gern.
Geben Sie uns doch bitte einen Überblick, welche Sportanbieter Sie im Netz nutzen.
Soll ich alle nennen?
„Oft habe ich mehrere Bildschirme parallel laufen“
Gerne.
Magentasport, Dazn, sowie Saisonabos von NHL, AHL (der zweithöchsten Eishockeyliga in Nordamerika, d. Red.) und NFL. Dazu im Winter den ESPN Player für College Sport. Außerdem Sportdigital und ab und zu Tennis TV. Und Sportdeutschland, Laola1 und Sportal, für die ich allerdings nichts bezahle. Oft habe ich mehrere Bildschirme parallel laufen.
Fehlt eigentlich nur Sky.
Die Konferenzen bekomme ich über Magentasport. Das reicht mir.
Das dürfte einiges kosten.
Für die NHL zahle ich zum Beispiel rund 120 Euro im Jahr. Aber das ist es mir wert. Bei den Angeboten mit monatlichen Zahlungen sind es pro Anbieter meist etwa zehn Euro im Monat.
Wie hätte beispielsweise der letzte Sport-Samstag ohne die Coronavirus-Pandemie bei Ihnen ausgesehen?
Ich besitze Dauerkarten für Alba Berlin und Tennis Borussia. Sport vor Ort hat immer oberste Priorität. Aber beide hätten auch ohne die Unterbrechung nicht gespielt. Der Samstag hätte daher wahrscheinlich mit einem Livestream eines Fußballspiels aus Australien angefangen. Danach wäre ich zur Konferenz der Dritten Liga gewechselt. Ab dem frühen Abend hätte der US-Sport übernommen.
Das wäre ein volles Programm gewesen.
Im US-Football hatte übrigens eine neue Frühlingsliga begonnen, die XFL. Dort sollte es jedes Wochenende vier Partien geben. Die Regeln sind im Vergleich zu Europa oder der NFL modifiziert, was dem Sport durchaus guttut. Das hätte ich mir ebenfalls angesehen.
Derzeit ist das alles hinfällig. Was fehlt Ihnen am meisten?
Natürlich die Spiele von TeBe und Alba. Ansonsten bin ich flexibel und kann mich für nahezu jeden Sport begeistern. Aktuell wäre ich im Tennis-Fieber, denn so langsam würde im Vorfeld der French Open das internationale Turniergeschehen an Fahrt aufnehmen. Es wäre auch nicht mehr so lange hin bis zum Turnier an der Hundekehle, da hatte ich bereits eine Karte für alle Tage gekauft. In normalen Zeiten würde ich mir Übertragungen der dänischen Fußball-Liga sehr wünschen. Dazn ist leider ausgestiegen.
„Bei mir läuft nur Sport, Tatort interessiert mich nicht“
Planen Sie bei Anbietern zu kündigen, wenn die Sportpause lange dauert?
Einige haben die Kunden angeschrieben und wollen Gutschriften erstellen, sobald klar ist, ob und wie es weitergeht. Von selbst würde ich nicht kündigen.
Denken wir uns in normale Zeiten: Wann gucken Sie Sport?
Mich interessiert kein Tatort und auch kein Germany’s Next Topmodel. Wenn ich nicht arbeite, läuft bei mir Sport. Jedenfalls galt das bis vor kurzem. Auch auf dem Arbeitsweg oder in der Mittagspause kann man via Handy einiges anschauen. Vor allem während der Tour de France ist das wichtig. Ich bin aber auch viel in Stadien unterwegs. Teilweise lässt sich das kombinieren.
Fußball im Stadion und Fußball auf dem Handy?
Nicht unbedingt. Als Angelique Kerber 2018 Wimbledon gewonnen hat, war ich bei einem Spiel von Malmö FF. Die Leute um mich herum haben etwas irritiert geguckt, als ich bei einer Einwurfentscheidung „Yes“ gerufen habe. Da hatte Kerber den Matchball verwandelt.
Wie viele Stunden Sport kommen pro Woche bei Ihnen zusammen?
Jeden Abend vier bis fünf Stunden, dazu die Wochenenden. Ich rechne das lieber nicht aus. Ich schaue aber auch nicht jede Übertragung hochkonzentriert, sondern erledige parallel andere Dinge.
Haben Sie ein Alternativprogramm?
Ich duelliere mich auf der Spielkonsole mit anderen Leuten. Und bei meinem ersten selbstgekauften Fußball-Manager von 1991 stehe ich mit Rapide Wedding kurz vor dem Aufstieg in die Zweite Liga. Zudem absolviere ich einen Programmierkurs an der Open HPI. Das ist ein kostenloses Angebot des Hasso-Plattner-Instituts. Etwas zu lernen, ist nie verkehrt.
Hätten Sie zum Abschluss aktuell Geheimtipps in Sachen Fußball?
Geheimtipps vielleicht nicht, aber ich schaue mir gern die Sport-Konserven der Sportschau und vom ZDF an, etwa das Finale der Frauenfußball-EM 1991 zwischen Deutschland und Norwegen. Der MDR hat außerdem ein DFB-Pokalspiel zwischen Lok Stendal und Bayer Leverkusen 1995 ins Netz gestellt. Und bei Youtube gibt es historische Partien, zum Beispiel das Europacup-Rückspiel zwischen Bayer Uerdingen und Dynamo Dresden von 1986.